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Brandenburg und der Streit um das Zuwanderungsgesetz

    Durak: Sie haben es in den Nachrichten vielleicht gehört: einige Bundesländer verlangen von der Bundesregierung finanzielle Zugeständnisse bei Integrationskosten, andere denken auch über eine mögliche ergänzende Entschließung des Bundesrates zur Zuwanderung in dieser Sache nach. Die Bundesregierung, das wissen wir, will ein Verfahren in der Länderkammer abwenden, Rheinland-Pfalz würde aber die Vermittlung bevorzugen und auch Brandenburg unter Umständen. Das "Schwarze-Peter-Spiel" liegt jetzt bei den Ländern, denn Brandenburg muss wahrscheinlich vor Rheinland-Pfalz abstimmen, wenn es nach dem Alphabet geht im Bundesrat, kann sich also nicht hinter Rheinland-Pfalz verstecken. Wie wird nun aber Brandenburgs CDU aus diesem Verfahren herausgehen? Darüber habe ich mit dem Generalsekretär der CDU in Brandenburg Thomas Lunaczek gesprochen, denn die Lage der CDU dort ist so ganz einfach nicht. Denn sollte sich beispielsweise Ministerpräsident Stolpe im Bundesrat doch anders verhalten, als die CDU es will, müsste die CDU konsequenterweise die Koalition aufkündigen. Ich habe Thomas Lunaczek gefragt, ob sie dies auch tun wird.

    Lunaczek: Es sieht alles danach aus, dass das das Ende der Koalition in Brandenburg wäre. So ist es, denn wir haben im Koalitionsvertrag zur Frage der Abstimmungsverhalten im Bundesrat das erste Kriterium, dass man sich streng nach Landesinteresse orientiert. Wir haben bei 18,7 Prozent Arbeitslosigkeit in Brandenburg kein Interesse an verstärkter Zuwanderung, die Ergebnis des Gesetzes wäre und in dem Fall, in dem es strittig wäre zwischen den Koalitionären, steht ganz klar festgeschrieben, muss es eine Enthaltung geben. Und der Koalitionsvertrag wäre dann gebrochen.

    Durak: Das würde aber für die CDU die Folge haben, sie müssten zur Neuwahl schreiten oder in die Opposition gehen und es könnte ja sein, dass das für lange sein wird, Herr Lunaczek, denn es wird vorausgesagt, dass es bei Neuwahlen zu einer rot-roten Koalition in Brandenburg käme. Dies riskieren Sie?

    Lunaczek: Ob es zu Neuwahlen kommen würde, wäre nicht sicher. Ich würde das auch nicht für wahrscheinlich halten, denn das bedürfe einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Ob die zu schaffen ist, wage ich zu bezweifeln. Aber es würde wahrscheinlich das Ende der Koalition bedeuten. Wir haben jetzt zweieinhalb Jahre diese Koalition hier in Brandenburg, wir haben eine Menge an Reformvorhaben angeschoben, die Bildungspolitik wurde erheblich verändert, auch in der Wirtschaftspolitik, wir haben eine Gemeindereform hier angeschoben, die jetzt zum Abschluss gebracht wird, eine Polizeireform und alldies wäre in Frage gestellt und für die CDU nach nur zwei Jahren Regierung wieder die harte Oppositionsbank.

    Durak: Gefahr im Verzug für die CDU dennoch. Wenn Sie die Koalition aufkündigen, wie soll es denn dann weitergehen?

    Lunaczek: Sollte die Koalition beendet sein, was wir alle nicht hoffen, denn wir hoffen noch, dass es vorher eine Lösung gibt dort für den Bundesrat, dann wäre das auch für die CDU als Partei natürlich schwierig. Oppositionszeiten sind immer härter als Regierungszeiten und das wollen wir nicht.

    Durak: Wenn, müssten Sie aber und Sie überließen rot-rot das Feld.

    Lunaczek: Wir würden rot-rot das Feld überlassen und das wäre nach Berlin hier in dieser Region, wo rot-rot regiert dann ein weiteres Land neben Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, was ja de facto auch von rot-rot regiert würde. Und das wäre auch für den Osten Deutschlands ein Signal, was sich keiner wünschen kann. Dass nach elf Jahren hier die alte SED mit neuem Namen wieder Regierungsverantwortung erlangt und das zunehmend in Ostdeutschland. Ich glaube, daran kann auch die Bundesregierung kein Interesse haben, denn für den Bundestagswahlkampf wird ihr das mit Sicherheit nichts nützen, wenn man in den alten Bundesländern sieht: hier breitet sich etwas aus und das Versprechen der Bundes-SPD, rot-rot in keinem Fall auf Bundesebene zu beteiligen, würde dann immer unglaubwürdiger werden. Von daher glaube ich, müsste auch die Bundesregierung ein Interesse daran haben, dass es eine Lösung gibt.

    Durak: Sie haben es eben angedeutet: vielleicht gibt es doch noch eine Lösung. Wie sieht diese Vielleicht-Lösung aus, was könnten Sie noch anbieten?

    Lunaczek: Zur Zeit laufen ja Gespräche wegen eines Vermittlungsausschusses. Die Brandenburger Landesregierung hat sich gestern darauf verständigt, ein Vermittlungsverfahren zu unterstützen. Der Ministerpräsident hat einige Punkte genannt, wo es in jedem Falle Änderungsbedarf gibt. Er hat nach meinem Kenntnisstand ein Vermittlungsverfahren dem Grunde nach nicht ausgeschlossen und jetzt kommt es darauf an, mit den anderen Ministerpräsidentenkollegen zu reden, um eine Mehrheit für den Vermittlungsausschuss zu bekommen.

    Durak: Haben Sie positive Signale?

    Lunaczek: Was am Ende eines Vermittlungsverfahrens steht, kann man nicht im Vorhinein sagen. Natürlich wäre es wünschenswert. Ich glaube ohnehin, dass ein solches Gesetz, das Deutschland verändern wird, auf den Schultern beider großer Volksparteien ruhen muss. Ich halte es für falsch, ein solches Gesetz in den immer heißer werdenden Zeiten des beginnenden Bundestagswahlkampfes durchzupeitschen und auch die Grünen, die natürlich mit Afghanistan ihre Seele verkauft haben und jetzt versuchen, an dieser Position festzuhalten - ich glaube nicht, dass es gut ist, praktisch von dieser Partei mit sechs, acht Prozent der Stimmen in Deutschland das Gesetz abhängig zu machen.

    Durak: Thomas Lunaczek, Generalsekretär der CDU in Brandenburg. Schönen Dank für das Gespräch, Herr Lunaczek.

    Lunaczek: Dankesehr.