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Brandner befürwortet Einlenken Hessens bei der Einführung von Mindestlöhnen für Postdienste

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, begrüßt das Einlenken des CDU-regierten Hessen in der Frage der Einführung von Mindestlöhnen für Postdienste. Insgesamt warf er der Union jedoch Doppelzüngigkeit vor: Einerseits sehe die Mehrheit der CDU die Notwendigkeit der Aufnahme der Postdienste ins Entsendegesetz ein. Auf der anderen Seite spiele sich die Union als vermeintliche Hüter der Tarifautonomie auf.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Als die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Arbeitgebervertretern der Postzustelldienste über das Thema Mindestlöhne sprach, da ging es keineswegs um eine Einmischung in die Tarifautonomie. Nein: es ging um die Formulierung eines Appells. Man möge doch wenigstens versuchen, sich gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern zu einigen. So ist das, wenn man den gesetzlichen Mindestlohn nicht mit einem Gesetz einführen will, sondern das Kind mit anderem Namen unter dem Namen des Entsendegesetzes einführen will, so wie es die Große Koalition in Berlin beschlossen hat. Dieser Umweg führt auch zur Mitsprache des Bundesrates und damit zu möglichen Einsprüchen der Union. Am Telefon begrüße ich nun den arbeitsmarktpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Klaus Brandner. Guten Tag Herr Brandner!

    Klaus Brandner: Guten Tag Herr Breker!

    Breker: Hessen scheint nun einzulenken. Was Niedersachsen machen wird, das weiß man noch nicht. Man könnte sagen, das alles schadet wenig, aber eins wird klar: Absprachen innerhalb der Großen Koalition werden beileibe nicht von allen mitgetragen, auf der Unionsseite zumindest nicht.

    Brandner: Ja, das ist sehr bedauerlich. Ich finde die Union argumentiert hier sehr doppelzüngig. Ich begrüße natürlich sehr, dass Hessen jetzt einlenken will. Von der Seite scheint die Notwendigkeit bei der Mehrheit doch eingesehen zu werden, dass das Entsendegesetz auch im Bundesrat die notwendige Mehrheit findet, so dass das, was in Meseberg verabschiedet worden ist, nun Gesetz werden kann. Inhaltlich finde ich nur, dass die Union sich als vermeintlicher Hüter der Tarifautonomie aufspielt und die Tarifpartner auffordert, erneut zu verhandeln, damit Wettbewerber einbezogen werden können. Hier muss man nur klar sagen: Sie waren eingeladen und wer sich nicht zu Beginn mit in die Verhandlungen hinein begibt, muss sich an die Spielregeln der Tarifautonomie halten. Aus meiner Sicht sind TNT und Pin eingeladen, Mitglied des gegründeten Arbeitgeberverbandes Postdienstleistungen zu werden, aber indem man einen eigenen Weg gehen will, muss man natürlich damit leben, dass ein Angebot, einen Wettbewerbstarifvertrag abzuschließen, aus Arbeitnehmersicht und auch aus politischer Sicht - der SPD zumindest - unseriös ist.

    Breker: Bevor wir allzu sehr ins Detail einsteigen, Herr Brandner, lassen Sie uns noch bei der Koalition bleiben. Es gibt doch eigentlich eine ganz klare Koalitionsabsprache und diese Absprache wird von der Union zumindest nicht ganz und nicht völlig mitgetragen. Sollte da die Außenpolitikerin Angela Merkel nicht mal als CDU-Vorsitzende auftreten?

    Brandner: Na ja, innenpolitisch ist viel zu tun, denn wir freuen uns auch heute wieder über verbesserte Arbeitsmarktzahlen, aber wir müssen auch sehen, dass die soziale Spaltung in Deutschland voranschreitet, wenn man nicht dafür sorgt, dass wir eine untere Lohngrenze bekommen. Gerade an dem Beispiel der Postdienstleistungen, hier speziell der Briefdienstleistungen, kann man das ja sehr gut deutlich machen und wir alle wissen: Wir haben zwei Herausforderungen. Zum einen die Beendigung des Briefmonopols zum Jahresende, das angestrebt ist und vereinbart ist, aber mit der Zusage, dass gleichzeitig das Entsendegesetz verabschiedet wird, damit nicht ausländische Billigkonkurrenz hier den Übergang eines Monopolisten in den freien Markt dadurch forciert wird, dass wir massenhaft Dumping-Bedingungen haben.

    Breker: Aber Herr Brandner zeigt dieses Beispiel nicht auch, dass das eigentliche Problem oder zumindest ein Teil des Problems das Entsendegesetz selber ist, denn es ist ja ein Umweg zur Einführung des Mindestlohnes und dieser Umweg - das wird doch jetzt deutlich - ist kein klares Signal. Da versucht doch jeder, daran vorbei etwas zu machen.

    Brandner: Na ja, die Frage des Mindestlohnes ist die eine Ebene. Sie wird aber nur national Gültigkeit haben. Wir brauchen das Entsendegesetz, weil Deutschland als ein lukrativer Briefmarkt in Europa bei einer vollständigen Öffnung Deutschlands, der Öffnung für den Binnenmarkt generell, generell dazu führen würde, dass das sehr niedrige Lohn-Niveau anderer Heimatländer genutzt würde, um hier Dumping-Verhältnisse herstellen zu lassen. Deshalb muss man das Entsendegesetz haben, weil das die einzige rechtliche Grundlage bildet, dass auch für ausländische Arbeitnehmer, die in Deutschland tätig sein können, die Mindeststandards, die bei uns Gültigkeit haben, angewandt werden.

    Breker: Aber wir erleben doch jetzt, Herr Brandner, dass die Postkonkurrenten versuchen, einen eigenen Verband zu gründen, einen eigenen Tarifvertrag herbeizuführen und auszuhandeln. Ist das nun so, dass wir uns daran gewöhnen müssen, wann immer es um so etwas wie Mindestlöhne geht, dass dann alles Mögliche versucht wird, dieses zu unterlaufen und wäre nicht das klare Signal wirklich ein gesetzlicher Mindestlohn?

    Brandner: Ja. Natürlich wäre ein gesetzlicher Mindestlohn insgesamt gesehen auch arbeitsmarktpolitisch eine schlüssige Grundlage, zum Beispiel Förderinstrumente wie den Bonus für Arbeit, wie aber auch viele andere Kombilohnaktivitäten dadurch zu unterstützen, indem man sagt: Mindestens ist das zu zahlen und um Arbeit attraktiv zu machen gibt es bestimmte Fördermodelle. Dazu ist die Union leider nicht bereit, auch die FDP wie wir wissen nicht bereit. Deshalb müssen wir auf politische Mehrheiten bauen oder auf einen Prozess bauen, wo bei der Union die Einsicht in der Fläche gewinnt, damit ein solcher flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn kommt.

    Breker: Hat sich denn die SPD möglicherweise bei den Koalitionsverhandlungen über eben diesen Koalitionstisch ziehen lassen? Hätte sich die SPD möglicherweise gar nicht erst auf diesen Kompromiss, an den sich ja auch die Union nicht halten will, einlassen sollen?

    Brandner: Die SPD hat das gemacht, was sie tun konnte. Ich war ja selbst an den Verhandlungen beteiligt und habe insofern erlebt, dass bei der Union bei der Frage eines flächendeckenden Mindestlohnes eine absolute Mauer bestand. Wenn man eine Koalition will, die immerhin sichergestellt hat, dass in Deutschland die Mitbestimmungsrechte nicht angegriffen werden, und dass das, was die Union ja in ihrem Wahlkampf wollte, nämlich betriebliche Bündnisse, Eingriffe in die Tarifautonomie, dass alles das unterblieb, dann musste man sich im Bereich des Entsendegesetzes auf den Kompromiss einlassen, der jetzt im Koalitionsvertrag steht. Ich meine die Zeit ist nur fortgeschritten und sie wird sich weiterentwickeln auf europäischer Ebene, was wir alle bejahen und als richtig und gut ansehen. Dann muss man aber auch die Bedingungen mitgestalten, damit die Menschen keine Angst vor einem größeren Europa haben, keine Angst vor der Globalisierung haben, sondern sie wissen, das ist eine Chance, wettbewerbsmäßig, wirtschaftlich, wachstumsmäßig sich zu entwickeln. Aber dieses Entwickeln hat Bedingungen für die Menschen, und diese Bedingungen heißen nun einmal, dass man Mindestbedingungen auch gesetzlich vereinbaren muss, weil die Tarifvertragsparteien alleine nicht stark genug sind, genau das zu regeln.

    Breker: Also ist das jetzt nur eine Zeit des Übergangs? Der gesetzliche Mindestlohn wird schon im nächsten Jahr, wenn es bedeutende Landtagswahlen gibt, zum Wahlkampfthema werden, zumindest von der SPD zum Wahlkampfthema gemacht werden?

    Brandner: So ist es und die SPD wird deutlich machen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn die Grundsicherheit in einem Land bietet. Wir haben in Europa ja in der weitaus überwiegenden Zahl der Staaten diesen gesetzlichen Mindestlohn und er ist bei uns auch dringend notwendig, obwohl wir von der Historie her eine Entwicklung hatten, wo die Tarifvertragsparteien ursprünglich mal so stark waren, dass man darauf verzichten konnte. Jetzt sehen wir aber, die Globalisierung und auch die Veränderung durch die deutsche Einheit bringt mit sich, dass wir neue Regelungen brauchen, und zu diesen neuen Regelungen gehört letztlich ein verbindlicher Mindestlohn.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Klaus Brandner.