Dienstag, 30. April 2024

Brasilianischer Trainer Cuca
Aus nach Protesten wegen Kindesmissbrauchs

Der brasilianische Erfolgscoach Alexi Stival genannt "Cuca" ist von Corinthians Sao Paulo entlassen worden. Grund ist eine Verurteilung wegen Kindesmissbrauch in der Schweiz Ende der Achtzigerjahre, die bei vorherigen Vereinen hingenommen wurde.

Von Viktor Coco | 07.05.2023
Cuca steht während eines Spiels nachdenklich am Feld.
Brasilianischer Startrainer Cuca: Corinthians-Fans sorgten mit Protesten für seinen Rücktritt (IMAGO / Fotoarena / IMAGO / Marco Galvão)
"Es ist ein schwieriges Thema, eine persönliche Angelegenheit, über die ich aber so offen wie möglich sprechen möchte." So begann der brasilianische Trainer Alexi Stival genannt "Cuca" eine denkwürdige Pressekonferenz. Gerade erst hatte er sein 32. Engagement im Profifußball angetreten. Aber anstatt sich um die sportliche Krise beim Traditionsklub Corinthians zu kümmern, wurde er mit einem Verbrechen aus der Vergangenheit konfrontiert: 1987 hatte er mit drei Mitspielern bei einer Auswärtsspielreise in der Schweiz ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt.
"Mein Fehler war, mich nicht verteidigt zu haben. Ich hatte kein Geld dafür und wusste gar nichts von einer Verurteilung. Wir wurden verhört und bei einer Gegenüberstellung hat sie mich dreimal nicht identifiziert. SIE ist natürlich das Opfer, nicht ich. Wenn das Opfer sagt, ich war nicht da und ich schwöre bei der heiligen Maria, dass ich nicht da war, wie kann ich dann verurteilt werden?"
Der Schweizer Anwalt Willi Egloff hatte das Opfer damals nach der Tat bis zur Verurteilung zwei Jahre später vertreten. Er weist die aktuellen Äußerungen des heute 59-jährigen Trainers vehement zurück:
"Die Aussage von Herrn Stival ist eine klare Lüge. Alle vier Fußballspieler waren im Gericht vertreten und hatten Anwälte, die ihnen von der brasilianischen Botschaft in Bern organisiert worden waren."

Cuca: "Bin absolut unschuldig"

Ebenso sei "Cuca" von dem Mädchen sehr wohl als Täter identifiziert worden. Und noch viel schwerwiegender: Die Rechtsmedizin hatte am Körper des Mädchens Spermaspuren des damals 23-jährigen festgestellt. "Cuca" streitet all dies ab und behauptet, nur im Hotelzimmer anwesend gewesen zu sein:
"Das war meine einzige Beteiligung. Ich bin absolut unschuldig. Ich habe nichts gemacht. Es heißt, es hätte eine Vergewaltigung gegeben. Ich denke, es kam zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen mit einer Schutzbedürftigen. Dafür gab es eine Strafe."
Der damalige Opferanwalt Willi Egloff: "Gemäß Urteil waren drei der Fußballspieler – darunter Alexi Stival – aktiv an der Vergewaltigung beteiligt. Der vierte soll nur geholfen haben. Alle drei anderen wurden wegen Unzucht mit Kind verurteilt." Das Strafmaß war 15 Monate Gefängnis auf Bewährung, für damalige Verhältnisse üblich, so Egloff.

Proteste aber auch frauenfeindliche Sprüche bei Corinthians

In Sao Paulo gab es unmittelbar nach Cucas Verpflichtung Proteste. Grazi Massonetto ist 32 Jahre alt und Gründungsmitglied des politischen Fankollektivs Coringão Antifa, das sich auch gegen Rassismus und Diskriminierung von LGBT-Menschen einsetzt. Er sagt:
"Wir haben gemeinsam mit anderen Gruppen weiblicher Fans die Cuca-Raus-Proteste organisiert. Daraufhin gab es aber auch frauenverachtende und machistische Sprüche von anderen Fans, als ob wir nicht das Beste für den Verein wollen würden."

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Dabei verteidigten Massonetto und Co. nur die Leitsätze des Vereins: "Das Volk werde bei Corinthians bestimmen" heißt es seit der Gründung. In den Achtzigern setzte sich die Mannschaft um Spielmacher Sócrates aktiv gegen die Militärdiktatur ein.

Leiser Widerstand bei vorherigen Stationen

Massonetto: "Unsere Frauenmannschaft hat ein Communiqué veröffentlicht, das nicht explizit gegen Cuca gerichtet war, in dem sie aber an den demokratischen Geist des Klubs erinnern und auf den neuen Slogan 'Respektier die Mädels' verweisen."
Bereits bei vorherigen Trainerstationen hatte es leisen Widerstand gegen Cuca gegeben, der aber immer von der breiten Anhängerschaft unterdrückt wurde, berichtet Massonetto. Nicht so bei Corinthians. Jetzt waren die Proteste auch lauter, weil es in den letzten Jahren immer wieder Fälle von Gewalt gegen Frauen durch Fußballprofis gab.

Mehrere Fälle in der letzten Zeit

Rechtsverteidiger Dani Alves sitzt in Spanien in Untersuchungshaft, weil er in einer Disko eine Frau vergewaltigt haben soll. Auch gab es Vorwürfe gegen Neymar wegen sexueller Belästigung und gegen Ex-Herthaner Marcelinho wegen häuslicher Gewalt.
Und Anfang des Jahres hat ein italienisches Gericht Ex-Dribbelkünstler Robinho in Abwesenheit zu neun Jahren Haft wegen einer Gruppenvergewaltigung verurteilt. Aus Angst vor einer Auslieferung, verlässt Robinho Brasilien nicht. Die italienische Justiz hat im Februar beim brasilianischen Justizministerium die Umsetzung der Haftstrafe gegen Robinho vor Ort beantragt.
"Vom tiefsten Herzen: Es kann Protest geben, aber sie sind nicht größer, als mein Wille, hier zu trainieren," sagte Trainer Cuca abschließend auf jener außergewöhnlichen Pressekonferenz. Kurz darauf, nach nur sechs Tagen im Amt, trat Cuca dann doch zurück. Gegen seinen Willen, wie er betonte, sondern auf Wunsch seiner Frau und Töchter.