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Brauksiepe: Der Staat kann sich nicht um alles kümmern

Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ralf Brauksiepe, unterstützt den Vorstoß von CDU-Generalsekretär Pofalla für eine Unterhaltspflicht erwachsener Kinder für ihre arbeitslosen Eltern. Dabei gehe es nicht um neue Belastungen für die Bürger, sondern um eine Entlastung für alle Steuerzahler, sagte Brauksiepe.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Kopfschütteln war die häufigste Reaktion auf den jüngsten Vorschlag von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Pofalla ist dafür, dass Kinder künftig für ihre arbeitslosen Eltern haften, also anstelle des Staates für sie sorgen. Junge Politiker sprechen bereits von Sippenhaft. Die wenigen, die Pofallas Idee gut finden, berufen sich darauf, dass sie nicht ganz neu ist - was stimmt. Denn tatsächlich haften Kinder bereits heute in vielen Fällen für Ihre Eltern. Sippenhaft, oder doch eine gute Idee, was ist von Pofallas Vorstoß zu halten? Und: Gewinnt die Union damit wieder die Gunst der Wähler? Beides frage ich jetzt Ralf Brauksiepe, Parteifreund und Fraktionskollege von Ronald Pofalla. Er ist der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Brauksiepe.

    Ralf Brauksiepe: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Sollen Kinder für ihre arbeitslosen Eltern haften?

    Brauksiepe: Also ich finde des Vorstoß von Ronald Pofalla richtig. Es ist ja auch anders als in Ihrem Beitrag mal gesagt von jemandem kein Vorschlag aus dem 19. Jahrhundert, sondern einer der im 21. Jahrhundert bis vor gut 1,5 Jahren in der Tat Rechtslage war. Darauf ist ja auch zurecht hingewiesen worden. Wir müssen sehen, dass unser Staat hoch verschuldet ist, dass wir auch den Haushaltsansatz im Bereich der Leistung für Hartz IV in diesem Jahr aller Voraussicht nach nicht einhalten werden. Wir wollen im nächsten Jahr einen Verfassungs- und Maastricht-konformen Haushalt vorlegen. Das heißt, der Staat muss sich ohnehin verschulden um diese Leistungen zu erbringen. Es geht jetzt nicht darum Menschen, die Hilfe brauchen, ihre Leistungen auch nur um einen einzigen Cent zu kürzen. Es geht nicht darum ob jemand, der Hilfe braucht, sie bekommt oder nicht. Sondern es geht ausschließlich um die Frage, von wem er sie bekommt und ob man da auch darüber reden kann, dass nicht jeder sie ausschließlich vom hoch verschuldeten Staat bekommen muss, sondern möglicherweise auch von vermögenden Verwandten, die in der Lage sind, das auch zu leisten.

    Der Staat muss ansonsten Schulden machen und dann sind es die Kinder von allen, von Vermögenden wie von nicht Vermögenden, die durch ihre Arbeitsleistung, durch Steuern, die sie auf ihre Arbeitseinkommen zahlen, das alles finanzieren müssen. Das ist so die Frage. Das wundert mich, dass da zum Teil so getan wird, als wäre das etwas völlig undenkbares. Das ist das, was bis vor gut 1,5 Jahren in Deutschland in der Sozialhilfe die Rechtslage gewesen ist.

    Heuer: Herr Brauksiepe, wann beginnt denn, ab welchem Jahreseinkommen, für Sie ein vermögender Arbeitsplatzinhaber?

    Brauksiepe: Das ist nicht die Frage, die jetzt hier zu diskutieren ist. Wir reden ja hier über keinen Gesetzesentwurf, sondern über die grundsätzliche Frage, die sich auch für mich als Christdemokraten aus dem Subsidiaritätsprinzip ergibt: Ist eigentlich für alles der Staat zuständig? Und ich glaube nicht, dass dies der Fall ist. Da wird sich der Staat überheben. Und er hat sich ja an vielen Stellen schon überhoben. Das ist ja auch mit ein Grund für die hohe Verschuldung.

    Heuer: Aber viele Bürger, Herr Brauksiepe, drohen sich auch zu verheben. Machen wir es mal an einem Beispiel fest: Soll ein angestellter Schlosser künftig Miete und Unterhalt seines arbeitslosen Vaters bezahlen?

    Brauksiepe: Also es wird nicht darum gehen, dass irgendwer hier Haus und Hof verkaufen müsste oder Selbsterspartes in großem Maße aufgeben müsste. Das sind alles Regelungen, die wir ja auch früher gehabt haben und die wir in vielen Bereichen haben, wo es um die Fragen geht, was dem einzelnen zuzumuten ist. Und da wird man Lösungen finden, die niemanden überfordern.

    Heuer: Dann stelle ich die Frage noch einmal: Ab welchem Jahreseinkommen können Sie ungefähr gewährleisten, dass Kinder, die dann für arbeitslosen Eltern haften, nicht selbst in Not geraten?

    Brauksiepe: Da kann ich Ihnen jetzt keine Einkommen sagen. Das geht ja dann auch um die Fragen, was dann in dem einzelnen Fall dann auch an Hilfebedürftigkeit, an Ansprüchen besteht, die dann eben getragen werden müssen, vom einzelnen, wie vom Staat. Ich sage noch mal: Ronald Profalla hat hier eine Grundsatzfrage angesprochen und die finde ich richtig.

    Heuer: Die Grundsatzfrage, die Ronald Pofalla da anspricht, der Vorschlag, den er macht, der dürfte mit sehr viel, sehr hohem bürokratischen Aufwand verbunden sein. Ist das das neue CDU-Profil, wir machen alles komplizierter?

    Brauksiepe: Nein, ich bestreite das auch. Das sind ja alles keine Regelungen, die wir vorher nicht schon einmal gehabt hätten, das will ich noch mal sagen. Ich glaube nicht, dass das mit dem großen bürokratischen Aufwand verbunden ist, den Sie hier an die Wand malen. Wir müssen doch auch mal sehen, welche Entwicklung wir im Bereich Hartz IV seit dem In-Kraft-Treten haben. Wir haben eine deutliche Zunahme der Zahl der so genannten Bedarfsgemeinschaften. Wir haben eine deutliche Zunahme der so genannten Aufstocker, das heißt Menschen, die selbst Einkommen erzielen und die darüber hinaus zusätzliche Leistungen nach dem Arbeitslosengeld II, also Hartz IV, beziehen. Dagegen ist ja nichts zu sagen. Wir wollen auch keine verschämte Altersarmut. Wir wollen auch nicht, dass Menschen Ansprüche, die sie haben, nicht in Anspruch nehmen.

    Aber es ist doch kein Zufall, dass wir diese Entwicklung haben hin zu fast einer Million Aufstockern, dass wir diesen enormen Zuwachs an Bedarfsgemeinschaften haben, was ja die Kommunen auch spüren. Deswegen gibt es ja da auch positive Reaktionen aus der kommunalen Familie auf den Pofalla-Vorschlag. Das alles hat doch etwas damit zu tun, dass die Politik das Signal gegeben hat, der familiäre Zusammenhalt spielt hier keine Rolle mehr, der Staat kümmert sich um alles, ihr könnt das alles in Anspruch nehmen, ohne dass ihr befürchten müsst, dass da irgendwer, der einem nahe steht, herangezogen wird, der Staat kümmert sich um alles. Und das ist ein Versprechen, das der Staat da gegeben hat, mit dem er sich finanziell verhebt. Wir haben doch schon diverse Änderungsgesetze im Bereich Hartz IV gemacht. Ich nehme ja zur Kenntnis, dass es nicht jeder in der Koalition so sieht wie es Ronald Pofalla sieht bei unserem Koalitionspartner, aber wir werden über diese Dinge reden müssen, wie wir in Zukunft die Haushaltsansätze bei Hartz IV einhalten. Wir reden hier nicht über Spielgeld und das sind keine unverbindlichen Preisempfehlungen, die wir da machen, das sind nicht irgendwelche Wünsche, die wir haben, sondern der Haushalt hat Gesetzescharakter und er muss Verfassungs- und Maastricht-konform sein. Und deswegen wird die Debatte, wie wir das auch im Bereich Hartz IV erreichen, uns weiter verfolgen. Es war der sozialdemokratische Finanzminister…

    Heuer: Herr Brauksiepe, jetzt muss ich mal einhaken, Entschuldigung.

    Brauksiepe: … der gesagt hat Hartz IV ist ein…

    Heuer: Jetzt muss ich mal einhaken. Wie auch immer Ronald Pofallas Idee ausgestaltet werden könnte in der Praxis, es wäre eine neue Belastung für die Bürger. Das passt möglicherweise zu dem, was Jürgen Rüttgers, der stellvertretende CDU-Chef, jetzt mehrfach gesagt hat, nämlich seine Partei müsse sich jetzt von Lebenslügen verabschieden. Beispiel für eine solche Lebenslüge: Weniger Steuern schafften mehr Arbeitsplätze. Heißt das, es kommt noch mehr auf die Bürger zu?

    Brauksiepe: Ich sage noch mal: Bei dem Vorschlag von Ronald Pofalla geht es um eine Entlastung für die Bürger, die mit ihren Steuern jetzt insgesamt diese Mittel aufzubringen haben. Ich glaube nicht, dass es insgesamt um neue Belastungen für die Bürger geht. Es geht darum, dass wir in diesem Land Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen. Und ich finde, da sind wir ja auf einem sehr guten Weg wenn man die Arbeitsmarktbilanz dieser Regierung sieht und diesen Weg müssen wir weiter gehen.

    Heuer: Na ja, die Arbeitsmarktbilanz dieser Regierung ist ja eigentlich eher ein rot-grünes Verdienst.

    Brauksiepe: Also das kann ich überhaupt nicht erkennen. Wir haben die Regierungsverantwortung übernommen in einer Zeit als wir pro Quartal 100.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte verloren haben. Das war die Bilanz, die wir übernommen haben. Und die Talfahrt ging rasant nach unten. Wir haben Reformmaßnahmen auf den Weg gebracht. Und wir haben jetzt fast eine halbe Millionen Arbeitslose weniger als vor einem Jahr. Und wir haben…

    Heuer: Das ist Ihnen in sieben Monaten gelungen?

    Brauksiepe: …über 50.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr. Das ist die Entwicklung, die wir in diesen sieben Monaten haben. Und wir haben in diesen sieben Monaten regiert. Es ist sicherlich nicht nur eine Folge von ergriffenen gesetzlichen Maßnahmen, sondern auch eine Folge davon, dass die Unternehmen, dass die Arbeitnehmer, dass die Bürgerinnen und Bürger insgesamt gemerkt haben, dass jetzt eine nicht in jedem Bereich populäre, aber doch verlässlichere Politik gemacht wird.

    Heuer: Und Jürgen Rüttgers hat recht, Herr Brauksiepe, mit seiner Kritik?

    Brauksiepe: Ich glaube, dass vieles von dem, was Jürgen Rüttgers angesprochen hat, richtig ist. Ich denke auch an das, was er zum Beispiel zum Bereich Kündigungsschutz gesagt hat. Ich bin in der Tat froh, dass wir mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten jemanden haben, der auch die Notwendigkeit betont, dass die Union soziale Kompetenz hat. Ich glaube, dass ist eine ganz wichtige Frage.

    Heuer: Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag war das. Danke Ralf Brauksiepe.

    Brauksiepe: Danke auch.