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Braunkohle-Ausstieg
Bund sagt betroffenen Regionen Langfrist-Strukturhilfen zu

Mehr Geld, neue Bahnstrecken und Bundesbehörden - die Ministerpräsidenten der vom Braunkohle-Aus betroffenen Länder freuen sich über die vom Bund zugesagten Hilfen. Grüne und Umweltschützer fordern derweil, beim Ausstieg Tempo zu machen.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 16.01.2019
    Wasserdampf quillt aus den Kühltürmen des RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen im September 2018.
    Von einem sehr guten, konstruktiven Gespräch ist die Rede nach dem Treffen der Bundeskanzlerin mit den Chefs der betroffenen Länder (picture alliance / dpa / Horst Ossinger)
    Wer der stellvertretenden Regierungssprecherin am Mittag in Berlin zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen – außer Spesen nichts gewesen, beim gestrigen Abendessen im Kanzleramt:
    "Ich kann Ihnen einfach nur sagen, es ging um einen Informationsaustauch. Und bei dem Treffen sind keine Entscheidungen gefallen."
    Psychologisch und perspektivisch war das Treffen bei Angela Merkel allerdings ein voller Erfolg. Noch vor Weihnachten hatten die Ministerpräsidenten der Braunkohle-Länder in Ostdeutschland einen Brandbrief an die Kanzlerin geschrieben, in dem sie mehr Geld für den Strukturwandel forderten.
    Konkrete Zahlen verkneift sich der Bund
    Die Wut war derartig groß, dass die Arbeit der eigens berufenen, so genannten Kohlekommission zeitweise auf der Kippe stand. Deshalb versicherte Finanzminister Olaf Scholz schon Ende November:
    "Ich hab ja schon gesagt, das ist sehr viel Geld. Und mir ist völlig klar, dabei bleibt's nicht stehen. Wir werden die nächsten 20 Jahre Stück für Stück viele weitere Milliarden am Ende auch ausgeben müssen. Das ist ja unvermeidbar, und das weiß auch jeder."
    Betont der Sozialdemokrat. Das Ministerwort gilt weiter uneingeschränkt, bestätigt eine Sprecherin des Finanzministeriums nun unserem Hauptstadtstudio. Daniel Fehling ist Sprecher im Bundesfinanzministerium:
    "Erst mal müssen wir den Bericht, der liegt ja noch nicht vor, das kommt noch."
    Und zwar spätestens Anfang Februar. Konkrete Zahlen verkneift sich die Bundesregierung derzeit auch deshalb, weil es um geschätzt zweistellige Milliardenbeträge für die kommenden Jahrzehnte geht, hinzu kommen Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber.
    Ministerpräsidenten zeigen sich zufrieden
    Allein aber die Aussicht auf mehr Geld und neue Bahnstrecken und Bundesbehörden, etwa in der Lausitz, erfreut die Ministerpräsidenten, allen voran Christdemokrat Rainer Haseloff aus Sachsen-Anhalt:
    "Es ist klar, der Bundesfinanzminister hat dafür im Rahmen der Maßnahmengesetze, die wir ja immer auch gefordert haben, auch klar eine langfristige Finanzzusage sicher zugesagt. Wenn auf der Basis eines Kommissionsbeschlusses auch die Leitplanken endgültig klar sind."
    "Ich bin optimistisch, aber wir haben gestern Abend vereinbart, dass wir über Ergebnisse, die es gab, nicht reden wollen. Wir sind in einem Gesprächsprozess, und ich bitte das auch zu respektieren, aber das war auf alle Fälle ein sehr gutes, ein sehr konstruktives Gespräch."
    Lobt Dietmar Woidke, Regierungschef in Brandenburg. Dem Sozialdemokraten stehen im Herbst Landtagswahlen ins Haus, in einigen Umfragen liegt die Landes-SPD derzeit gleichauf mit der AfD, auch das spielt beim derzeitigen Ringen um den Kohleausstieg eine Rolle.
    "Wir haben alle ein Interesse daran, dass es einen Kompromiss gibt, weil das zur gesellschaftlichen Befriedung beitragen würde", sagt Rainer Haseloff.
    "Entscheidender Punkt ist Klimaschutz und Abschaltung"
    Greenpeace und auch die Grünen fordern unterdessen, nicht nur ans Geld zu denken:
    "Das ist natürlich nur der eine Teil der Geschichte. Wenn die Frage der Strukturhilfen jetzt langsam so wird, dass Bund und Länder sich verständigen können, ist das gut. Aber der entscheidende Punkt ist Klimaschutz und Abschaltung, und das muss noch kommen."
    Sagt Oliver Krischer, Vize-Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Seine Partei besteht auf einem Einstieg in den Kohleausstieg spätestens in den 2030er-Jahren, einzelne Kraftwerke müssten sogar in den kommenden Jahren vom Netz, wenn die Bundesregierung ihre eigenen, selbst gesteckten Klimaschutz-Ziele einhalten will.
    Dass dies nur mit steigenden Strompreisen erreichbar sei, ist umstritten. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien könnte die Preise umgekehrt stabil halten, so argumentieren die Grünen.