Philipp Krohn: Mit dramatischen Worten begründete Bundespräsident Horst Köhler vor drei Jahren, warum er Neuwahlen des Bundestages für nötig hielt. Ein wichtiger Grund war für ihn, dass er die staatlichen Institutionen in einer Krise sah. Die Föderalismusreform wurde somit praktisch zur Mutter aller Reformen aufgewertet. Nachdem in der ersten Runde die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern klarer voneinander abgegrenzt wurden, steht in der neuen Föderalismuskommission II eine Neuordnung der Finanzbeziehungen an. Am Nachmittag nehmen ihre Vorsitzenden Günther Oettinger und Peter Struck ihre Arbeit wieder auf. Erste Priorität besteht für sie darin, für die Länder eine Verschuldungsgrenze einzuführen. Am Telefon begrüße ich die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Tag Frau Linnert!
Karoline Linnert: Guten Tag.
Krohn: Frau Linnert, wird es Ende dieses Jahres eine solche Verschuldungsgrenze geben?
Linnert: Ich denke ja. Wir sind alle gut beraten, der galoppierenden Staatsverschuldung einen Riegel vorzuschieben, und ich bin sehr froh, dass die Föderalismusreformkommission sich dieses Themas angenommen hat. Zu einer generellen Regelung - anders als Sie im Anspann gesagt haben - der Länderfinanzbeziehungen wird es allerdings wohl nicht kommen. Das wäre allerdings im Bremer Interesse, weil wir werden im Finanzausgleich stark benachteiligt.
Krohn: Aber Sie verlangen ja auch, dass dafür noch Voraussetzungen geschaffen werden. Wie sehen die aus?
Linnert: Es ist jetzt ja schon so, dass eine Verschuldungsgrenze in Deutschland gilt, nämlich nur Investitionen dürfen kreditfinanziert werden. Auch diese Grenze kann Bremen schon nicht einhalten und ein Gesetz, das wir nicht einhalten - da können wir dann auch noch mal einen oben draufsetzen -, das ändert gar nichts. Ich muss hier die Bundesgesetze einhalten. Ich muss Sozialhilfe zahlen und Lehrer bezahlen. Wir haben ja gezeigt, dass wir sehr, sehr gespart haben in den letzten Jahren - jedenfalls in den wesentlichen Ausgabenblöcken, die von der Föderalismusreformkommission untersucht wurden. Und wir können solche Grenzen nicht einhalten - egal wie man die zieht. Deshalb muss man für die Länder, die das nicht schaffen - dazu zählt auch das Saarland und Schleswig-Holstein -, eine Regelung finden, damit neue Verschuldungsgrenzen von uns auch eingehalten werden können.
Krohn: Nun sagt Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin, dass es Berlin mit großen Kraftanstrengungen gerade gelungen ist, auch Haushaltsüberschüsse zu erzielen. Warum schaffen Sie das nicht?
Linnert: Herr Sarrazin sitzt manchmal auf einem ein bisschen arg hohen Ross. Die geben deutlich mehr Geld für ihre Einwohner aus, als Bremen das tut. Bremen spart seit 20 Jahren den Haushalt runter - mit Ausnahme der Investitionen. Das ist aber ja abgestimmt gewesen, dass das der besondere Bremer Sanierungsweg sein sollte, mit staatlichen Investitionen hier Wirtschafts- und Finanzkraft zu steigern. Wir haben der Föderalismusreformkommission auch an dem Punkt unwidersprochen dargelegt, dass wir in allen wesentlichen Ausgabenblöcken unter Berlin und Hamburg liegen. Herr Sarrazin kann vielleicht auch mal einen kleinen Gang runterschalten!
Krohn: Er sagt aber auch, diese Haltung Bremens ist etwa die eines Kindes, das Taschengeld ausgibt und wieder zum Vater rennt und bettelt. Sie hatten ja zehn Jahre lang Schuldenhilfe bis 2004. Warum ist davon nichts übrig?
Linnert: Weil der Haushalt in Bremen nicht gedeckt wird durch die Einnahmen - und das seit vielen Jahren nicht. Ich sage noch mal: Herr Sarrazin gibt deutlich mehr Geld für seine Einwohner aus, als Bremen das tut. Ich verstehe nicht, wie man in so einer Lage und auch nachdem er sich vom Bundesverfassungsgericht dort so eine Klatsche abgeholt hat so dicke Backen machen kann. Wir nehmen überhaupt nicht die Haltung eines Kindes ein, sondern wir weisen seit Jahren darauf hin, dass wir im Länderfinanzausgleich massiv benachteiligt werden. Leider ist der Föderalismus in Deutschland nicht in der Lage gewesen, auf diese Argumente Bremens einzugehen. Unsere Einnahmen sind nicht ausreichend, um die Aufgaben, die wir vom Staat bekommen, von der Bundesrepublik Deutschland, überhaupt erfüllen zu können. So müssen wir Jahr für Jahr ungedeckte Haushalte vorlegen. Daran haben die Sanierungszahlungen auch nur sehr kurzfristig etwas verändert.
Krohn: Nun hat der Bund aber ja weiterhin auch ein strukturelles Defizit. Woher soll denn das Geld der Schuldenhilfe kommen?
Linnert: Es gibt verschiedene Vorschläge, wie man das angehen kann. Unter anderem könnte der Zuwachs des Soli dafür eingesetzt werden, um für die Bundesländer, die an keiner Schuldenbegrenzung teilnehmen können, eine Hilfe zu schaffen. Es gibt auch Überlegungen, ob man durch eine einheitlichere Steuerverwaltung oder eine Bundessteuerverwaltung Geld einspart, was man dann in so einen Topf tun kann. Letztendlich gibt es verschiedene Vorschläge, wie dieser Topf gespeist werden kann. Das hängt aber letztendlich auch davon ab, ob es Teilentschuldungen oder Zinsbeihilfen für die Bundesländer geben wird, die sich jetzt an einer Schuldenbegrenzung nicht beteiligen können.
Krohn: Sie haben ja schon angedeutet, dass sich an den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wenig ändern könnte. Nun ist es so, dass in kaum einem anderen Land die Länder so wenig Einfluss auf die Steuergesetzgebung nehmen können wie in Deutschland. Woran liegt das, dass es in Deutschland nicht einen Wunsch gibt, mehr Verantwortung durch die Länder zu übernehmen?
Linnert: Wir nehmen Einfluss auf die Steuergesetzgebung. Die Steuergesetze müssen vom Bundesrat beschlossen werden. Ich glaube Sie meinen, dass die Länder so wenig eigene Einnahmemöglichkeiten haben.
Krohn: Ja und sie können beispielsweise nicht selber die Sätze bestimmen.
Linnert: Ja, weil es in dem Wirtschaftsraum Deutschland ein einheitliches Steuergesetz gibt. Das soll es meiner Meinung nach auch weiter geben. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, wenn wir das föderal zerfleddern, sondern dass es in Deutschland ein einheitliches geltendes Steuerrecht auch mit gleichen Hebesätzen gibt, das finde ich richtig. In Frage gestellt wird zurzeit im Rahmen der Föderalismusreformkommission, ob man nicht Bundesländern unter bestimmten Bedingungen auferlegt oder das Recht gibt, zusätzliche Hebesätze, zusätzliche Einnahmen über die Lohn- und Einkommensteuer zu generieren.
Krohn: Wie ist Ihre Position dazu?
Linnert: Nun ja, das sind vor allen Dingen die reichen Südländer, die das gerne wollen. Da wird vom Wettbewerbsföderalismus geträumt, den wir lange haben. In Bayern muss man 6 Cent pro eingenommenen Euro für Zinsen ausgeben; ich muss über 20 Cent ausgeben. Das Geld kann ich der Bevölkerung hier nicht bieten. Den Wettbewerbsföderalismus haben wir lange. Und wenn man uns erst am ausgestreckten Arm vertrocknen lässt und dann uns auch noch zwingt, den Menschen hier mehr Lohn- oder Einkommensteuer abzuknöpfen, dann verschärft das die ungleichen Lebensbedingungen, die wir sowieso schon in Deutschland vorfinden, immer noch weiter. Das nützt dem reichen Süden. Wir wollen das nicht; wir wehren uns dagegen. Die Menschen in Bremen haben das gleiche Recht wie alle anderen auch, ein ordentliches Bildungswesen vorzufinden, eine sie schützende Polizei und reparierte Straßen. Darauf bestehen wir weiterhin!
Krohn: Wir warten jetzt bereits seit längerem auf Ergebnisse dieser Föderalismuskommission. Bis wann muss das Reformwerk endgültig stehen?
Linnert: Das Vorhaben ist ja, dass man im Herbst nach der Bayern-Wahl versucht, sich letztendlich zu einigen. Die Arbeitsgruppe hat ja jetzt gerade Ergebnisse vorgelegt, wo Bremen auf Herz und Nieren überprüft wurde und wie gesagt festgestellt wurde, dass wir in keinem der untersuchten Ausgabenblöcke uns überdurchschnittliche Ausgaben leisten. Wir erwarten oder hoffen jetzt, dass diese Bremer Zahlen unvoreingenommen und korrekt geprüft werden.
Krohn: Karoline Linnert, die Bremer Finanzsenatorin. Vielen Dank für das Gespräch!
Karoline Linnert: Guten Tag.
Krohn: Frau Linnert, wird es Ende dieses Jahres eine solche Verschuldungsgrenze geben?
Linnert: Ich denke ja. Wir sind alle gut beraten, der galoppierenden Staatsverschuldung einen Riegel vorzuschieben, und ich bin sehr froh, dass die Föderalismusreformkommission sich dieses Themas angenommen hat. Zu einer generellen Regelung - anders als Sie im Anspann gesagt haben - der Länderfinanzbeziehungen wird es allerdings wohl nicht kommen. Das wäre allerdings im Bremer Interesse, weil wir werden im Finanzausgleich stark benachteiligt.
Krohn: Aber Sie verlangen ja auch, dass dafür noch Voraussetzungen geschaffen werden. Wie sehen die aus?
Linnert: Es ist jetzt ja schon so, dass eine Verschuldungsgrenze in Deutschland gilt, nämlich nur Investitionen dürfen kreditfinanziert werden. Auch diese Grenze kann Bremen schon nicht einhalten und ein Gesetz, das wir nicht einhalten - da können wir dann auch noch mal einen oben draufsetzen -, das ändert gar nichts. Ich muss hier die Bundesgesetze einhalten. Ich muss Sozialhilfe zahlen und Lehrer bezahlen. Wir haben ja gezeigt, dass wir sehr, sehr gespart haben in den letzten Jahren - jedenfalls in den wesentlichen Ausgabenblöcken, die von der Föderalismusreformkommission untersucht wurden. Und wir können solche Grenzen nicht einhalten - egal wie man die zieht. Deshalb muss man für die Länder, die das nicht schaffen - dazu zählt auch das Saarland und Schleswig-Holstein -, eine Regelung finden, damit neue Verschuldungsgrenzen von uns auch eingehalten werden können.
Krohn: Nun sagt Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin, dass es Berlin mit großen Kraftanstrengungen gerade gelungen ist, auch Haushaltsüberschüsse zu erzielen. Warum schaffen Sie das nicht?
Linnert: Herr Sarrazin sitzt manchmal auf einem ein bisschen arg hohen Ross. Die geben deutlich mehr Geld für ihre Einwohner aus, als Bremen das tut. Bremen spart seit 20 Jahren den Haushalt runter - mit Ausnahme der Investitionen. Das ist aber ja abgestimmt gewesen, dass das der besondere Bremer Sanierungsweg sein sollte, mit staatlichen Investitionen hier Wirtschafts- und Finanzkraft zu steigern. Wir haben der Föderalismusreformkommission auch an dem Punkt unwidersprochen dargelegt, dass wir in allen wesentlichen Ausgabenblöcken unter Berlin und Hamburg liegen. Herr Sarrazin kann vielleicht auch mal einen kleinen Gang runterschalten!
Krohn: Er sagt aber auch, diese Haltung Bremens ist etwa die eines Kindes, das Taschengeld ausgibt und wieder zum Vater rennt und bettelt. Sie hatten ja zehn Jahre lang Schuldenhilfe bis 2004. Warum ist davon nichts übrig?
Linnert: Weil der Haushalt in Bremen nicht gedeckt wird durch die Einnahmen - und das seit vielen Jahren nicht. Ich sage noch mal: Herr Sarrazin gibt deutlich mehr Geld für seine Einwohner aus, als Bremen das tut. Ich verstehe nicht, wie man in so einer Lage und auch nachdem er sich vom Bundesverfassungsgericht dort so eine Klatsche abgeholt hat so dicke Backen machen kann. Wir nehmen überhaupt nicht die Haltung eines Kindes ein, sondern wir weisen seit Jahren darauf hin, dass wir im Länderfinanzausgleich massiv benachteiligt werden. Leider ist der Föderalismus in Deutschland nicht in der Lage gewesen, auf diese Argumente Bremens einzugehen. Unsere Einnahmen sind nicht ausreichend, um die Aufgaben, die wir vom Staat bekommen, von der Bundesrepublik Deutschland, überhaupt erfüllen zu können. So müssen wir Jahr für Jahr ungedeckte Haushalte vorlegen. Daran haben die Sanierungszahlungen auch nur sehr kurzfristig etwas verändert.
Krohn: Nun hat der Bund aber ja weiterhin auch ein strukturelles Defizit. Woher soll denn das Geld der Schuldenhilfe kommen?
Linnert: Es gibt verschiedene Vorschläge, wie man das angehen kann. Unter anderem könnte der Zuwachs des Soli dafür eingesetzt werden, um für die Bundesländer, die an keiner Schuldenbegrenzung teilnehmen können, eine Hilfe zu schaffen. Es gibt auch Überlegungen, ob man durch eine einheitlichere Steuerverwaltung oder eine Bundessteuerverwaltung Geld einspart, was man dann in so einen Topf tun kann. Letztendlich gibt es verschiedene Vorschläge, wie dieser Topf gespeist werden kann. Das hängt aber letztendlich auch davon ab, ob es Teilentschuldungen oder Zinsbeihilfen für die Bundesländer geben wird, die sich jetzt an einer Schuldenbegrenzung nicht beteiligen können.
Krohn: Sie haben ja schon angedeutet, dass sich an den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wenig ändern könnte. Nun ist es so, dass in kaum einem anderen Land die Länder so wenig Einfluss auf die Steuergesetzgebung nehmen können wie in Deutschland. Woran liegt das, dass es in Deutschland nicht einen Wunsch gibt, mehr Verantwortung durch die Länder zu übernehmen?
Linnert: Wir nehmen Einfluss auf die Steuergesetzgebung. Die Steuergesetze müssen vom Bundesrat beschlossen werden. Ich glaube Sie meinen, dass die Länder so wenig eigene Einnahmemöglichkeiten haben.
Krohn: Ja und sie können beispielsweise nicht selber die Sätze bestimmen.
Linnert: Ja, weil es in dem Wirtschaftsraum Deutschland ein einheitliches Steuergesetz gibt. Das soll es meiner Meinung nach auch weiter geben. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, wenn wir das föderal zerfleddern, sondern dass es in Deutschland ein einheitliches geltendes Steuerrecht auch mit gleichen Hebesätzen gibt, das finde ich richtig. In Frage gestellt wird zurzeit im Rahmen der Föderalismusreformkommission, ob man nicht Bundesländern unter bestimmten Bedingungen auferlegt oder das Recht gibt, zusätzliche Hebesätze, zusätzliche Einnahmen über die Lohn- und Einkommensteuer zu generieren.
Krohn: Wie ist Ihre Position dazu?
Linnert: Nun ja, das sind vor allen Dingen die reichen Südländer, die das gerne wollen. Da wird vom Wettbewerbsföderalismus geträumt, den wir lange haben. In Bayern muss man 6 Cent pro eingenommenen Euro für Zinsen ausgeben; ich muss über 20 Cent ausgeben. Das Geld kann ich der Bevölkerung hier nicht bieten. Den Wettbewerbsföderalismus haben wir lange. Und wenn man uns erst am ausgestreckten Arm vertrocknen lässt und dann uns auch noch zwingt, den Menschen hier mehr Lohn- oder Einkommensteuer abzuknöpfen, dann verschärft das die ungleichen Lebensbedingungen, die wir sowieso schon in Deutschland vorfinden, immer noch weiter. Das nützt dem reichen Süden. Wir wollen das nicht; wir wehren uns dagegen. Die Menschen in Bremen haben das gleiche Recht wie alle anderen auch, ein ordentliches Bildungswesen vorzufinden, eine sie schützende Polizei und reparierte Straßen. Darauf bestehen wir weiterhin!
Krohn: Wir warten jetzt bereits seit längerem auf Ergebnisse dieser Föderalismuskommission. Bis wann muss das Reformwerk endgültig stehen?
Linnert: Das Vorhaben ist ja, dass man im Herbst nach der Bayern-Wahl versucht, sich letztendlich zu einigen. Die Arbeitsgruppe hat ja jetzt gerade Ergebnisse vorgelegt, wo Bremen auf Herz und Nieren überprüft wurde und wie gesagt festgestellt wurde, dass wir in keinem der untersuchten Ausgabenblöcke uns überdurchschnittliche Ausgaben leisten. Wir erwarten oder hoffen jetzt, dass diese Bremer Zahlen unvoreingenommen und korrekt geprüft werden.
Krohn: Karoline Linnert, die Bremer Finanzsenatorin. Vielen Dank für das Gespräch!