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Brexit-Podcast der BBC
Launig und bestens informiert

Statt bei einem Feierabend-Drink besprechen vier britische Top-Journalisten den Brexit lieber in einem wöchentlichen Podcast - locker, entspannt und mit fundierten Einblicken hinter die Kulissen. Das BBC-Format gilt als Publikumsliebling.

Von Ada von der Decken | 22.05.2019
Die vier Journalisten des Brexitcast sitzen bei einer Aufnahme im Studio
Der Brexitcast der BBC blickt jede Woche hinter die Kulissen der britischen Politik (BBC)
Brexitcast heißt der Podcast der BBC. Vier bekannte Politikreporter schalten sich einmal in der Woche zusammen und besprechen, was sich in der Causa Brexit getan tat. Aus Westminster in London melden sich Laura Kuenssberg und Chris Mason und aus Brüssel klinken sich die Korrespondenten Katya Adler und Adam Fleming ein.
Die vier sind echte journalistische Schwergewichte - im Politikbetrieb bestens vernetzt. Laura Kuenssberg etwa ist das Brexit-Gesicht der BBC. Sie steht morgens in den regulären Radiosendungen ihren Kollegen Rede und Antwort, bleibt über den Tag dauerpräsent und fasst am Abend in der Hauptausgabe der Fernsehnachrichten den Tag zusammen. Wie im Nachrichtenjournalismus üblich sind ihre Beiträge und Schalten im Ton sachlich und auf das Wesentliche beschränkt. Im Brexitcast schlagen die Journalisten einen anderen Ton an:
"Wer weiß, womöglich ist es verrückt hier solche Spekulationen anzustellen. Aber der Wind hat sich spätestens seit den Kommunalwahlen gedreht. Und Downing Street Nummer 10 scheint festzustecken."
Redakteur: "So reden sie tatsächlich miteinander"
Hier geht es eher informell zu. Sie führen die Brexitcaster - wie sie ihre treuen Hörer nennen - hinter die Kulissen des Politikbetriebs und greifen Fragen auf, die sie zum Beispiel über Twitter erhalten. Dino Sofos ist der Redakteur der Sendung:
"Die vier sind miteinander befreundet, das ist hilfreich. Sie kennen einander gut und die Unterhaltungen im Podcast ähneln den Gesprächen, die sie ohnehin vielleicht bei einem Drink nach den Zehn-Uhr-Nachrichten führen würden. Sie reden dann über das, was passiert ist. Das ist weder aufgesetzt, noch ziehen sie eine Show ab. So reden sie tatsächlich miteinander."
Dino Sofos, BBC-Redakteur
Dino Sofos ist Redakteur des Brexitcast (Deutschlandfunk/Ada von der Decken)
Die Podcaster sprechen sich per Whatsapp-Gruppe ab. Angesichts voller Terminkalender klappt es manchmal erst um Mitternacht, alle zusammenzukriegen. Da ist es auch schon mal vorgekommen, dass jemand vor Müdigkeit beim Reden den Faden verliert.
Inhaltlich bleibt in den meist halbstündigen Sendungen Zeit für die Zwischentöne des zähen Brexit-Ringens. Dies- und jenseits des Ärmelkanals. Das macht wahrscheinlich das Erfolgsgeheimnis aus. Mehr als eine Million Mal wurde jede Folge etwa im März im Durchschnitt heruntergeladen.
Unter den Zuhörern angeblich auch Berater von Theresa May
Dino Sofos: "Es geht um die Zukunft unseres Landes und um die Zukunft der Europäischen Union, und die Leute machen sich wirklich Sorgen. Das ist uns sehr wohl bewusst. Die Menschen wollen wissen, was los ist."
Wenn etwas Unerwartetes passiert, erscheinen über die wöchentlichen Podcasts hinaus noch "Emergency"-, "Dringlichkeits"-Ausgaben. Sobald Dino Sofos eine Episode zusammengeschnitten hat, stellt er sie online. Später werden sie auch im klassischen Radio gesendet, einige Ausgaben wurden auch gefilmt und im Fernsehen gezeigt. Unter den Zuhörern sind Sofos zufolge auch Berater von Theresa May und Mitarbeiter von Michel Barnier - dem Verhandlungsführer der EU.
Kommentare wie beim Pferderennen
Das Bestechende ist die Kunst der Macher, sich selbst und auch den Politik-Alltag nicht immer allzu ernst zu nehmen. So luden sie etwa in der jüngsten Ausgabe den bekanntesten britischen Kommentatoren für Pferderennen, Cornelius Lysaght ein:
"The favorites are beginning to bunch. There's Boris Johnson and Dominic Raab on the outside..."
In diesem Fall geht es nicht um das berühmte "Grand National"-Pferderennen. Nein, der Kommentator schaut sich an, welche Politiker aus der konservativen Partei sich schon für das Rennen auf den Posten der Premierministerin in Stellung bringen.
Schon mehr als hundert Folgen
Der Podcast ist vor zwei Jahren aus dem "Electioncast" zur Wahl hervorgegangen. Seither sind mehr als hundert Folgen erschienen. Man mag sich über die zähen Brexit-Verhandlungen in Brüssel und Westminster ärgern und bedauern, dass mit der Verschiebung des Austritts das leidige Thema weiterhin die Schlagzeilen bestimmen wird. Einen schönen Nebeneffekt hat es immerhin: Es wird noch viele launige und informative Brexitcast-Folgen geben.
"Adam, are you asleep?" - "No, he is drunk!" - "No, I was listening..."