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Brexit
Vom Europafan zum Hardliner

Seine Frau hat er 1975 beim Referendum für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft kennengelernt. Beide waren dafür. Als Handelsminister hat Peter Lilley dann den Beitritt zum EU-Binnenmarkt mit vorbereitet. Heute ist er für den Brexit, um fast jeden Preis.

13.09.2018
    Eine Flagge der Europäischen Union und eine Fahne vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, der Union Jack
    In einem halben Jahr schon wird Großbritannien die EU verlassen - notfalls ohne einen Vertrag, droht die Regierung Theresa May. (Jens Kalaene/dpa)
    34 Jahre lang war Peter Lilley Abgeordneter im Unterhaus. In seiner Abschiedsrede vor gut einem Jahr gab er Premierministerin Theresa May eine Mahnung mit auf den Weg.
    "Ist Ihnen klar, dass wichtiger als jeder Austrittsvertrag mit der EU ist, wieder die Kontrolle zu gewinnen über unsere Gesetze, unseren Handel und unser Geld?"
    Peter Lilley, 75 Jahre alt, weißes Haar, wirkt zurückhaltend und fast scheu, aber er gehörte schon immer zu den Hardlinern in der konservativen Fraktion. Dabei erzählt er, wie er seine Frau ausgerechnet beim Referendum für den Beitritt zur EU 1975 kennengelernt hatte. Sie sei damals sogar die Chefin der Pro-Europa-Kampagne gewesen. Und auch ein Peter Lilley fand Europa damals gut.
    "Meine Frau leitete in meiner Gegend die Bewegung ‚Keep Britain in Europe‘", Großbritannien soll zu Europa gehören. "Sie hat mich für diese Bewegung rekrutiert. Und dann heirateten wir."
    Lobreden auf den Binnenmarkt in den 1990ern
    1990 wurde er Handelsminister unter Margaret Thatcher, dann Sozialminister unter John Major. Lilley profilierte sich mit scharfen Reden gegen Landsleute, aber auch Europäer, die das britische Sozialsystem missbrauchten. Peter Lilley handelte sich den Vorwurf ein, Fremdenfeindlichkeit zu fördern. Dann machte er sich daran, als Handelsminister den Beitritt Großbritanniens zum neu geschaffenen EU-Binnenmarkt vorzubereiten. Später sollte er seine Meinung ändern.
    "Ich hielt damals viele Reden, in denen ich den Binnenmarkt übertrieben angepriesen habe. Er hatte einige Vorteile, aber dann fing die Zentralisierung an, es wurde alles uniform. Das ist zum Beispiel für unsere Finanzwelt ein Nachteil."
    Peter Lilley, Abgeordneter im "House of Commons" in Großbritannien bis 2017
    Peter Lilley, Abgeordneter im "House of Commons" in Großbritannien bis 2017 (pressreleases uk)
    Lilley begründet seine Ablehnung der EU gerade auch ökonomisch. Wenn Großbritannien erst einmal wieder alleine seine Handelsbeziehungen gestalten könne, gäbe das der Wirtschaft doch einen enormen Schub. Das sieht Theresa May offenkundig anders. Trotzdem sagt Lilley, wolle er nicht ihren Sturz.
    "Ich will keinen neuen Premierminister, selbst wenn er eine Mischung aus General de Gaulle und Margaret Thatcher wäre. Die Wahl eines Nachfolgers würde stark polarisieren. Wer immer dann gewinnt, wäre erheblich geschwächt."
    "Im Großen und Ganzen habe ich keine Freunde verloren"
    In einem halben Jahr schon wird Großbritannien die EU zudem verlassen - notfalls ohne einen Vertrag, droht jedenfalls die Regierung Theresa May. Lilley findet es richtig, dass das Kabinett Notfallpläne aufstellt. Apotheken sollen Vorräte an Medikamenten anlegen, Exporteure Zollformulare bereithalten, bei der Polizei gibt es Urlaubssperren für die Zeit. Vielleicht pokert Theresa May aber auch nur und will, so lautet eine These, den Briten in Wahrheit die Augen öffnen, was es wirklich bedeuten würde, sich nicht mit der EU zu einigen.
    Einen Überzeugungstäter wie Peter Lilley schreckt das alles aber nicht, auch wenn er zum Schluss gesteht, sich damit nicht nur Freunde zu machen.