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Brief an Führungskräfte
Deutsche Bahn will kurzfristig Kosten senken

Es gebe nichts zu beschönigen, schreibt Bahnchef Richard Lutz an Führungskräfte im Haus. In dem Brief macht der Vorstand deutlich: Die schwierige Situation bei der Bahn hat sich verschlechtert. Der Schuldenberg wächst, Züge sind unpünktlich. Der Konzern sucht Auswege.

Von Dieter Nürnberger | 10.09.2018
    Reisende am Hauptbahnhof Stuttgart
    Trotz steigender Fahrgastzahlen verfehlt die Bahn ihr Gewinnziel (imago / Arnulf Hettrich)
    An den Fahrgästen, an der Nachfrage also, liegt es nicht. Denn die stieg im ersten Halbjahr 2018 um 3,8 Prozent auf knapp 71 Millionen Reisende, ein neuer Rekord. Diese Zahl stellte Bahnchef Richard Lutz bei der Halbjahresbilanz des staatseigenen Konzerns im Juli denn auch nach vorn. Allerdings war vor zwei Monaten schon klar, dass vieles im Argen liegt. Denn durch den Verkauf von immer mehr günstigen Tickets geht der Gewinn zurück. Auch das Sorgenkind der Bahn, der Güterverkehr, erholt sich nicht - ein Minus von 127 Millionen Euro. Und nicht zuletzt werden die Züge immer unpünktlicher: Die Quote lag im Juli bei 77,4 Prozent. Deutlich unterhalb des selbstgesteckten Zieles.
    Zufrieden war Bahnchef Lutz jedenfalls nicht: "Wir haben da zwar alle Hebel und Maßnahmen in Bewegung, aber wir müssen auch ein Stück weit anerkennen, dass wir aktuell auch in diesem Grunddilemma stecken: Dass wir nämlich auf einer immer stärker belasteten Infrastruktur immer mehr Verkehr und Nachfrage abwickeln müssen. Wir müssen die vorhandene Qualität besser managen und wir müssen vor allen Dingen mittel- und langfristig mehr Kapazität schaffen."
    Viele Züge verspätet
    Knapp zwei Monate später hat sich die Lage verschärft. In einem Brandbrief des Bahnvorstands an alle Führungskräfte im Konzern wird deutlich, dass die Pünktlichkeitsquote weiterhin abrutscht. Sie liegt inzwischen bei unter 76 Prozent. Es werde deutlich, dass die Bahn beispielsweise die Fahrzeugverfügbarkeit schlicht nicht im Griff habe, schreibt der Vorstand. Auch beim operativen Ergebnis liege man derzeit unter dem Vorjahreswert und weit entfernt von der angepeilten Vorgabe. Weswegen das bereits ohnehin reduzierte Ergebnisziel für das Gesamtjahr von rund 2,1 Milliarden Euro wohl auch nicht mehr erreichbar ist.
    Richard Lutz will deshalb kurzfristig Kosten senken - per qualifizierter Ausgabensteuerung, ab sofort und bis auf weiteres. Vor allem die geschäftsfeldübergreifender Zusammenarbeit sei unbefriedigend, doch zeigt sich der Bahnchef überzeugt, dass durch die Ausgabensteuerung weder Kundenzufriedenheit noch Qualität leiden werden.
    Kernkompetenz: zuverlässige Beförderung von Fahrgästen
    In einer ersten Reaktion spricht Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, von einem Offenbarungseid, von einem Hilferuf. Die Bahn sei jahrelang von der Politik vernachlässigt worden. Es gehe nun darum, einen zu aufgeblähten Konzern auf das Kerngeschäft zurückzuführen:
    "Aus unserer Sicht muss der Konzern sich auch in seiner Struktur auf das Wesentliche, nämlich die pünktliche und zuverlässige Beförderung von Fahrgästen und den Transport von Gütern auf dem Schienenweg konzentrieren. Und sich von anderen Geschäftsfeldern verabschieden. Dass beispielsweise die DB-Tochterunternehmen DB Schenker und DB Arriva rausgenommen werden. Weil dieses Ungetüm von Konzern so überhaupt nicht zu lenken und zu steuern ist."
    DB Arriva ist die internationale Unternehmenstochter der Bahn in derzeit 14 Ländern, DB Schenker transportiert Waren und Güter auch auf der Straße oder per Luftfracht. Beide Geschäftsfelder arbeiten profitabel.
    Doch auf eine neue Struktur des Bahnkonzerns, wie die Grünen es fordern, geht der Brandbrief nicht ein. Direkt auch nicht auf den wohl weiterhin wachsenden Schuldenberg des Unternehmens: Der Haushaltausschuss des Bundestages hat hier bisher eine Obergrenze von rund 20 Milliarden Euro gezogen. Nicht nur der Bahnexperte der Grünen erwartet, dass diese Vorgabe nur schwer zu halten sein wird.