Freitag, 19. April 2024

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Britische Band Black Honey
Filmaffin rockend

Mit krachigen Indierocksongs und großem Selbstbewusstsein erschien die britische Band Black Honey 2018 auf der Bildfläche. Ihr Debütalbum landete in den UK-Charts, nun ist das für Karrieren immer noch so wichtige zweite Werk erschienen. Kann "Written & Directed" den Standard halten?

Von Anke Behlert | 04.04.2021
Drei Männer und eine Frau sitzen in einem Rechtslenker-Auto und blicken direkt in die Kamera. Vorne sitzen drei Personen, eine auf der Rückbank.
Quartett aus Brighton: Die britische Band Black Honey veröffentlichte 2018 ihr Debüt-Album. (Laura Allard Fleischl)
Musik: "Run for cover"
"It‘s a wonderful day to dump him" – "Es ist ein wunderbarer Tag, um mit ihm Schluss zu machen" lautet ein Zitat der jungen britischen Autorin Florence Given. Von diesem Satz hat sich Black Honey-Frontfrau Izzy B. Phillips zum Song "Run for cover" inspirieren lassen, einer zornigen Nummer zwischen The Hives und Pulp Fiction-Soundtrack. Der Song ist auch auf dem zweiten Black Honey-Album "Written & Directed" zu finden.
"Es wäre toll, wenn jemand den Song hört und denkt: Ok ich setze jetzt ein paar neue Standards und neue Grenzen. Und wer mich schlecht behandelt, den verlasse ich."
Musik "Run for cover"
Das ganze Album hat Phillips für junge Mädchen geschrieben, damit die sich unbesiegbar fühlen. Zweifellos sind Frauen auch im Jahr 2021 - nicht in der Rockmusik - immer noch unterrepräsentiert.
"Mit zehn dachte ich, ich hätte das Konzept Frauen in Bands erfunden. Dann habe ich Debbie Harry, Pattie Smith usw. entdeckt. Aber ich finde, es ist höchste Zeit, dass für Frauen ein sicherer Ort geschaffen wird, wo sie sich kreativ ausleben können. Musik hat mich schon lange interessiert und ich wollte gerne in einer Band sein, aber ich hatte Angst vor den Jungs und dass sie mich auslachen. Es hat mich wirklich Überwindung gekostet und das muss doch nicht so sein, also: Frauen nach vorne!
Musik "Back of the bar"

Knallbunte Retro-Outfits

Dass Izzy B. Phillips mal schüchtern war, kann man sich heute nur schwer vorstellen. Auf der Bühne steht sie im Zentrum der Aufmerksamkeit mit ihren platinblonden Haaren und knallbunten Retro-Outfits. Ihre nicht ganz so schrill gekleideten Bandkollegen hat sie auf dem Music College in Brighton kennengelernt.
"Unser Gitarrist Chris und ich arbeiten schon lange zusammen. Irgendwann haben wir Psychedelic Rock entdeckt und ich habe einen Job in einem Vintage-Laden bekommen. Das haben wir dann alles in die Band einfließen lassen. In meiner Familie macht niemand Musik, ich habe meinen ersten Song mit 19 geschrieben. Ich komme eigentlich aus der Kunst, hatte ein Kunststipendium. Das wäre also der einfache Weg gewesen, aber ich bin kein Mensch, der sich für den einfachen Weg entscheidet.
2014 erscheint die erste EP und 2018 das Debütalbum "Black Honey" mit Punk-Attitüde und Songs, die selbstbewusst losbrettern zwischen Alternative Rock, Shoegaze und Riot-Grrrl. Gitarrist Chris Ostler hat ein Händchen für einprägsame Hooks, Bass und Schlagzeug trumpfen dynamisch auf.
Musik: "I only hurt the ones I love
Die Songs für das zweite Album "Written & Directed" hat Izzy B. Phillips 2019 geschrieben, wenn die Band gerade mal nicht auf Tour war. Zum Teil mit prominenter Unterstützung.
"Für dieses Album habe ich mit einigen Musikern zusammengearbeitet, die ich sehr schätze, wie Carl Barât von The Libertines und Olly Burden von The Prodigy. Ich wollte von ihnen lernen und sie haben mir gezeigt, wie ich eine bessere Künsterlin werde. Ich bin total froh, dass ich das gemacht habe und davon profitieren kann."
Mit Libertines-Frontmann Carl Barât hat sie den Song "I like the way you die" geschrieben, der auch von Quentin Tarantinos Film "Django Unchained" inspiriert ist.
Musik "I like the way you die"

Dröhnendes Lärmgewitter

Auch über Tarantino hinaus spielen Filme im Black Honey-Universum eine wichtige Rolle. Angefangen beim Albumtitel "Written & Directed", über die Videos mit filmtypischem Vorspann bis zu den Songs selbst.
"Wir haben uns bei jedem Song gefragt, in welchem Film oder in welcher Szene er laufen könnte. Kino war für uns schon immer eine wichtiger Bezugspunkt und deshalb einfach naheliegend.
Ihre mit viel Live-Energie produzierten Songs kann man sich gut als Untermalung eines Splatterhorrorstreifens oder Tarantino-Westerns vorstellen. Zum Beispiel "Disinfected" mit seiner brutalen laut/leise-Dynamik: erst bauen tuckernder Bass und verhalltes Kastagnettengeklacker Spannung auf, die sich dann im Refrain in einem Lärmgewitter aus martialischem Schlagzeuggedonner und dröhnend verzerrten Gitarrenriffs entlädt.
Musik "Disinfected"
Beim Auftakt von "Fire" hat musikalisch Lou Reeds "Walk on the wild side" Pate gestanden. Im Refrain wirft sich Phillips in Pose und singt begleitet von fanfarenhaften Bläsern von Selbstermächtigung.
"Mit der Zeile "Wir sind Feuer, ich werde mich nicht entschuldigen" wollte ich meine Haltung so direkt und unmissverständlich wie möglich rüberbringen. Am liebsten mag ich die Textzeile "Wir sind Diamanten, die im Schmutz schimmern". Die habe ich an all meine Freundinnen geschickt und ich hab so viele emotionale Rückmeldungen bekommen, das war überwältigend.
Musik "Fire"
Nicht alle Songs können vollkommen überzeugen: die zahme Akustiknummer "Gabrielle" funktioniert vielleicht als Untermalung eines Filmabspanns, aber als Albumabschluss wirkt sie eher wie ein ein eilig nachgeschobener Filler, den Black Honey eigentlich nicht nötig hätten. Denn "Written & Directed" wäre auch mit einem Song weniger ein überzeugendes Zweitlingswerk.