Für Julia Goodfellow gibt es nur eine Antwort auf die Frage, ob ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU gut oder schlecht sei für die Universitäten in Großbritannien. Schlecht. Natürlich. Julia Goodfellow ist Vorsitzende der britischen Rektorenkonferenz. Mit einigen Kollegen ist sie nach Berlin gekommen, um mit dem deutschen Pendant, der Hochschulrektorenkonferenz, über das Referendum zu sprechen. Beide Seiten machen sich große Sorgen, dass ein Austritt Großbritanniens aus der EU negative Folgen für die Hochschulen haben würde. Ihre Universität sei vom Ausgang des morgigen Referendums ganz persönlich betroffen, sagt sie:
"Als Vizekanzlerin der University of Kent habe ich kleine Campusse, kleine Lernzentren in Paris und Brüssel. Also, das betrifft uns sehr."
Denn britische Universitäten sind beliebt bei internationalen Studierenden. Vor allem bei europäischen, die noch immer wie britische behandelt werden, wenn es um die Studiengebühren geht und deshalb deutlich weniger zahlen als die sogenannten oversea-students, jene, die aus Ländern außerhalb der Europäischen Union kommen. Die Zahlen: Allein aus Deutschland studieren gut 13.700 vollständig an britischen Unis. Weit mehr als 4.500 kamen zuletzt über das Erasmus-Programm für einen Austausch.
"Ich glaube, der Brexit würde das alles in Gefahr bringen. Die Studieren wüssten nicht mehr, welches System zählt jetzt? Können wir weiter als Europäer kommen? Diese Unsicherheit wäre schlecht. Es würde aber auch britische Studierende treffen, die in andere europäische Länder wollen. Wenn sie plötzlich Visa brauchten, würde es alles viel schwieriger machen."
Auswirkungen bei der gemeinsamen Forschung
Zwar kommen deutlich weniger britische Studierende nach Deutschland als umgekehrt – etwa 1.400 studieren ganz hier und etwas mehr als 2000 kommen über Erasmus, aber diese internationale Mobilität wäre infrage gestellt, sollten sich die Briten morgen für "Raus" entscheiden, fürchtet Horst Hippler, der Präsident der deutschen Hochschulrektorenkonferenz:
"Für die jungen Leute, die den Wunsch haben nach Großbritannien zu gehen zum Studieren, das wird ein Problem werden, zumal auch die Förderprogramme erst einmal zusammenbrechen. Also Erasmus wird da sehr sehr schwierig sein, das muss man neu etablieren. Ob das dann Erasmus plus wird für Nicht-EU-Länder, das muss man dann sehen, aber das geht nicht von heute auf morgen."
Ein Brexit hätte auch dramatische Auswirkungen auf die bislang enge und exzellente gemeinsame deutsch-britische Forschung, fürchtet der HRK-Präsident. Denn die Briten hätten dann keinen Zugriff mehr auf Gelder aus dem Forschungstopf der EU, Wissenschaftler könnten nicht mehr so unkompliziert reisen und im jeweils anderen Land arbeiten.
"Das größere Problem sehe ich nicht bei den etablierten Forschern, das sehe ich eher beim wissenschaftlichen Nachwuchs, der ja die Freizügigkeit genutzt hat. Und wenn man sich in Europa umschaut, in der Hochschullandschaft, dann sind die beiden Länder, in denen Forschung und Bildung ganz oben steht, Deutschland und Großbritannien."
Julia Goodfellow stimmt ihrem Amtskollegen zu: Auch für die britischen Studierenden wären die Konsequenzen bitter.
"Es wäre fürchterlich für junge Briten, wenn sie keinen Zugang zu Europa mehr hätten wie sie ihn heute haben."
Auf die Frage, wie es denn nach der Entscheidung für einen Austritt ganz praktisch weitergehen würde, schauen die beiden Vorsitzenden der Rektorenkonferenzen etwas ratlos. Wie weitreichend die Konsequenzen wären, ist natürlich nicht ganz sicher. Einig sind sie sich trotzdem: Der Preis für einen Neustart wäre hoch.