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Britischer Europaminister will Europa-Skeptiker überzeugen

Jochen Spengler: Am Telefon begrüße ich nun den britischen Europaminister Dennis McShane, der sich zur Stunde im mazedonischen Skopje aufhält. Einen schönen guten Morgen, Mister McShane.

Moderation: Jochen Spengler |
    Dennis McShane: Guten Morgen.

    Spengler: Herr McShane, ein einziges Land genügt, um die EU-Verfassung scheitern zu lassen. Ist es Tony Blairs Ziel, die Verfassung zum Scheitern zu bringen?

    McShane: Ganz im Gegenteil. Wir wollen mit viel Freude eine große Kampagne in Großbritannien anfangen, um endlich unsere Euroskeptiker direkt zu treffen und der britischen Bevölkerung zu sagen, dass wir eine europäische Nation sind. Wir wollen, dass das ganze britische Volk klar und deutlich sagt, dass wir in Großbritannien eine neue europäische Union sind und Großbritannien ein europäischer Partner sein wird.

    Spengler: Das heißt, es geht nicht nur um die Verfassung, sondern möglicherweise auch um die Rolle und um die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union selbst?

    McShane: Ja natürlich, zur Frage zu der Verfassung. Aber, wenn die ganze Oppositionspartei sich jeden Tag 24 Stunden gegen Europa ausspricht - denn fast alle großen Zeitungen sind gegen die Europäische Union - das bringt Tony Blair und mich und die Regierung in eine etwas sensible Position. Wir sind unsere Presse und unsere rechten Politikern etwas müde. Wir sind für Europa und gegen ihre Politik. Jetzt wollen wir mit der ganzen Bevölkerung ein Engagement treffen, eine Kampagne für Europa zu initiieren.

    Spengler: Das klingt vielleicht jetzt ein bisschen militaristisch, aber ist es so etwas, dass Sie zur Entscheidungsschlacht um Europa rüsten?

    McShane: Ja, ich denke, wir haben in anderen europäischen Ländern ähnliche Probleme. Wenn wir sehen, dass es so viele euroskeptische Pressekommentare gibt, wenn wir sehen, wir haben linke und rechte Parteien, die sich gegen Brüssel und Straßburg aussprechen. Ich glaube europaweit brauchen wir eine neue Kampagne von unserer Seite, die sich für Europa, die sich für eine starke europäische Union mit Einfluss einsetzt.

    Spengler: Sind Sie denn für die vorliegende Verfassung, oder möchten Sie da noch Änderungen haben?

    McShane: Ja, jedes Land möchte kleinere Änderungen haben. Ich glaube, jetzt haben wir zum Beispiel seitens Polen und Spanien einen neuen Wunsch. Zum Einvernehmen mit Deutschland und Frankreich zu kommen, war nie ein Problem für England, für Großbritannien. Wir sind überzeugt davon, dass wir Ende Juni diesen neuen Vertrag per Referendum begrüßen, denn in ein paar Jahren haben wir diese neue Verfassung.

    Spengler: Herr McShane, wenn Sie sagen, Großbritannien möchte auch kleine Änderungen haben, das sind aber nicht solche Änderungen, die die Substanz der Verfassung verwässern?

    McShane: Unser Standpunkt ist - und das ist auch der Standpunkt anderer Länder - wir haben überhaupt kein Problem in Bezug auf die Fragen der Mehrheit. Eine starke Frage für die deutsche und die französische Regierung gegenüber Madrid und Warschau. Wir brauchen Klarheit, und das ist auch wichtig. Wir wollen nicht in fünf oder zehn Jahren zurückkommen, und die Verfassung ist nicht klar genug. Unsere Bitte ist, dass wir eine klare Verfassung haben, die jeder Mitbürger Europas verstehen kann und seine Unterstützung geben kann, wenn er kein Anti-Europäer ist.

    Spengler: Tony Blair hat ja eine Wende vollzogen. Bis vor kurzem hat er noch gesagt, ein Referendum in Großbritannien über die EU-Verfassung ist nicht nötig. Jetzt ist es doch nötig. Würde er das Referendum auch dann abhalten wollen, wenn es nächstes Jahr keine Wahlen gäbe?

    McShane: Nein, ich glaube, dass innerhalb der Regierung, statt Mandaten, ein Privatdiskurs darüber stattfinden sollte, wie man unsere "Anti-Europäer" treffen soll oder überhaupt unsere Boulevardpresse oder auch unsere Qualitätspressen, wie die "Times". Wie kann man diese Barriere gegen Europa zu einer neuen Beziehung umkehren? Am Ende des Tages hat Tony Blair - mit meiner vollen Unterstützung -entschieden, dass er doch eine lange Kampagne starten will. Aber das hat noch eine weitere Meinung, "ja" oder "nein" zu diesem neuen Europa.

    Spengler: Nur 28 Prozent Ihrer Landsleute halten die EU für eine gute Sache. Wie will man denn daraus mehr als 50 Prozent machen?

    McShane: Die Meinungsumfrage über Europa ist seit dreißig Jahren normalerweise negativ. Aber kommt es zu einer entscheidenden Wahl, wenn es heißt ein Blatt Papier in die Urnen zu stecken, haben die Briten immer für eine Partei gestimmt, die für Europa ist. Zum Beispiel in den achtziger Jahren waren in meiner Partei Euroskeptiker, und da haben die Briten unsere Politik total abgelehnt. Heute, bei der letzten Wahl 2001 haben die Briten ein "Nein" zu der euroskeptischen Position geäußert. Ich würde sagen, dass, wenn wir in jedes Haus, in jede Wohnung gehen und mit den Mitbürgern in Direktkommunikation über die Vorteile Europas gehen, warum die Europäische Union für unser nationales Interesse und auch für eine bessere Welt wichtig ist, bekommen wir ein "Ja" zu dieser Frage.

    Spengler: Das heißt auch, dass das Schicksal Tony Blairs nun mit der Rolle Großbritanniens in Europa verknüpft ist?

    McShane: In einer Hinsicht kann man das sagen. Ich sage, dass es in meinem Land im letzten Jahr unmöglich war, über die Inhalte der Verfassung zu sprechen, weil überall, in der Presse, im Rundfunk oder im Fernsehen die einzige Frage war: Warum geben sie uns jetzt nicht eine Stimme per Referendum? Diese Debatte ist zu Ende, und ich kann heute über die guten Inhalte dieser Verfassung sprechen, über die Möglichkeiten, die Zukunft haben. Es wäre noch viel besser, wenn wir nicht über die Ideologie Europas debattierten, sondern über die Inhalte, die wichtig sind. Ich sehe in dieser Verfassung, wie gestern Tony Blair gesagt hat, viele gute Sachen für Europa; und was gut für Europa ist, ist auch gut für Großbritannien.

    Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war der britische Europaminister Dennis Mc Shane.