Archiv


Britischer Journalist ist Fan von Tempelhof

Roger Boyes, Deutschlandkorrespondent der Londoner "Times", stellt sich im Berliner Flughafenstreit auf die Seite der Tempelhof-Befürworter. "Jede Großstadt in Europa hat mehr als zwei Flughäfen", sagte Boyes. Das Chaos in London-Heathrow zudem offenbare die Probleme, die ein Großflughafen mit sich bringen könne.

Moderation: Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: "Ick fliege uff Berlin. Aba nich von
    Tempelhof." Ein Spruch, der derzeit tausendfach zu lesen ist, auf den Plakaten, die die Gegner des Flughafens haben drucken lassen. Mit der Frage "Weltstadt oder Provinz?" kontern diejenigen, die dafür sind, dass der Flugbetrieb aufrecht erhalten wird. Die Schließung des Flughafens zum Herbst hat der Berliner Senat schon lange beschlossen. Die rot-rote Regierungskoalition ist sich auch nach wie vor einig. Aber die Freunde des Flughafens, unter ihnen auch die prominentesten CDU-Landespolitiker, sie geben nicht auf. Einen historischen Erfolg haben sie schon errungen, sie haben einen Volksentscheid durchgesetzt, den ersten in der Geschichte der Stadt, denn die formalen Hürden sind hoch. Am Wochenende nun sollen die Berliner entscheiden.

    Und darüber möchte ich jetzt sprechen mit Roger Boyes, dem Deutschlandkorrespondenten der Londoner "Times". Guten Morgen!

    Roger Boyes: Guten Morgen!

    Schulz: Herr Boyes "Weltstadt oder Provinz?" haben Sie sich das angesichts dieses Streits auch schon mal gefragt?

    Boyes: Ja, eben. Um das geht es, glaube ich. Es gibt den Eindruck selbstverständlich, dass es alles ein großes Politikum ist. Frau Merkel mischt sich ein bisschen ein sogar. Aber im Grunde genommen geht es um die Zukunft der Stadt, und wie offen soll diese Stadt eigentlich sein? Nun, man könnte argumentieren wie der Regierende Bürgermeister, offen zur Welt heißt, riesengroßer Flughafen mit fantastischen Verbindungen weltweit, und dafür brauchen wir dann keinen kleinen Flughafen wie Tempelhof. Nur ich finde das eine etwas unbefriedigende Antwort und auch keine richtige Politik.

    Schulz: Der Berliner Senat hat ja dem Großflughafen, der in Schönefeld gebaut werden soll, dem Berlin Brandenburg International zugesagt, die beiden anderen Flughäfen der Stadt zu schließen. Wie erklären Sie das eigentlich Ihren Lesern in Großbritannien?

    Boyes: Ja, das ist für unsere Leser, britische, schleierhaft. Warum soll Tempelhof erstens überhaupt schließen, und zweitens, warum soll es dann jetzt schließen und nicht, wenn der Großflughafen dann in Betrieb ist? Und das wird schon mehrere Jahre dauern. Aber für uns selbstverständlich ist Tempelhof noch in der Erinnerung, als die Luftbrücke da war. Ich meine, es waren viele britische Flugzeuge dabei. Und es sind auch viele britische Piloten gestorben in dieser Aktion. Und das ist ein richtiges Erinnerungsstück. Nun, man muss ja fragen, warum? Jede Großstadt in Europa hat mehr als zwei Flughäfen.

    Schulz: Allerdings gibt es ja auch Großstädte in Europa, die Flughäfen haben, mit denen sie ihrerseits Probleme haben, wenn ich da an Heathrow erinnern darf. Ist das Urteil da nicht ein bisschen harsch?

    Boyes: Nein, es ist eben ein Beweis, dass große Flughäfen denkbar schlecht sein können. Das ist das absolute Chaos in London, in Heathrow. Verkehrsungünstig sowieso sind die alle außer einem kleinen, City Airport, der ein Gegenstück von Tempelhof ist. Und das funktioniert blendend. Zum Beispiel für Notfallpatienten, die landen sehr schlecht auf einem großen Flughafen. Das ist wirklich chaotisch. Das sieht man auch in Heathrow. Es geht nicht nur Gepäck verloren, sondern auch Passagiere in Heathrow. Das ist eine Katastrophe. Und ich wünsche das nicht für Berlin.

    Schulz: Ist das denn ein Streit, so wie Sie ihn beobachten, der typisch ist für Berlin oder gar typisch deutsch?

    Boyes: Ja, Berlin, glaube ich. Die meisten deutschen Großstädte haben ihre Flughafenprobleme dann gelöst. Zwar gibt es dann Streit in Hamburg, oder was weiß ich, über eine Landebahn, in Frankfurt auch. Aber im Grunde genommen funktioniert das okay. Es ist, glaube ich, kein deutsches Problem, sondern ein Berliner Problem. Und man hat einen sogenannten Rot-Rot-Senat, und so sieht man dann die Argumentation auf jedem Plakat jetzt in Berlin. So ist die Argumentation, wir wollen keinen VIP-Flughafen, sagen dann die Leute im Plakat. Das finde ich nicht überzeugend. Was ist die Botschaft von Berlin? Dass die keine reichen Leute haben möchten, dass die keine Investoren haben möchten, dass es nur einen Einheitsflughafen geben soll? Das ist alles absolut unlogisch.

    Schulz: Aber kann man den Vorwurf der Ideologisierung nur der Linken machen? Wir haben ja andererseits unter den Befürwortern des Volksentscheides den Chef der Berliner CDU, Friedbert Pflüger, der seinerseits eigentlich lange erbitterter Gegner war von Volksabstimmungen. Stimmt nicht auch der Vorwurf vonseiten der Linkspartei, Pflüger instrumentalisiere die Bürger damit?

    Boyes: Ja, klar. Ich meine, CDU ist doch eine politische Partei und versucht dann, politisches Kapital aus diesem Volksbegehren zu schlagen. Das ist offensichtlich, viele, viele Berliner, und nicht nur Westberliner, sind gegen die Schließung von Tempelhof. Man kann im Grunde genommen Stimmen gewinnen, und man kann auch die Position von Wowereit schwächen. Und das versucht nicht nur Pflüger, sondern auch die Kanzlerin mit verschiedenen Andeutungen. Das Problem ist, Wowereit könnte schon als nützliches Feindbild für die CDU sich darstellen, weil er eben so links ist. Und man versucht dann auf Landesebene, auf Berliner Ebene, aber auch auf Bundesebene zu zeigen, dass Wowereit ein bisschen Größenwahn hat und absolut in der linken Ecke ist.

    Schulz: Roger Boyes, der Deutschlandkorrespondent der Londoner "Times". Haben Sie vielen Dank.

    Boyes: Danke auch.