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Brok: Chemiewaffenkontrolle in Syrien ist Chance für friedliche Lösung

Russland unterstütze die Kontrolle syrischer Chemiewacffen nur deshalb, "weil die Gefahr eines Militärschlages besteht", sagt Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Er sieht nun aber gute Chancen für eine diplomatische Lösung.

Elmar Brok im Gespräch mit Christine Heuer | 10.09.2013
    Christine Heuer: Am Telefon ist der Christdemokrat Elmar Brok, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments. Guten Morgen, Herr Brok.

    Elmar Brok: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Ist die Kuh jetzt vom Eis, wird der Syrien-Streit diplomatisch gelöst?

    Brok: Ich glaube, es besteht eine gute Chance. Allerdings muss klar sein, dass hier nicht erneut gespielt wird, sodass das nur eine Äußerung ist von Russland und dann von dem Verbündeten Syrien, dass man auf diesen Vorschlag eingeht und dann doch mit Zeit spielt.

    Heuer: Glauben Sie, dass das so ist?

    Brok: Ich weiß es nicht. Ich hoffe nicht. Ich glaube, dass die Gefahr eines Militärschlages den Druck ausgeübt hat, dass man auf einen solchen Vorschlag eingeht. Es geht darum, dass Chemiewaffen nicht wieder in dem Konflikt eingesetzt werden können und insgesamt geächtet werden. Und deswegen wäre es das Beste, dass doch jetzt in den Vereinten Nationen der Beschluss gefasst würde, dieses jetzt mit Inspektoren durchzuführen, sie unter Kontrolle zu bringen und zu vernichten, aber dies in einem schnellen Zeitrahmen.

    Heuer: Glauben Sie, Obama verzichtet auf einen Militärschlag angesichts der neuesten Entwicklungen?

    Brok: Ich glaube ja. Ich hatte ja selbst die Gelegenheit, auch über diesen Vorschlag schon am Samstag mit Secretary Kerry zu reden. Ein Vorschlag, den ich da beim Außenministertreffen zusammen mit dem polnischen Außenminister unterbreitet habe. Und die Reaktion darauf war schon am Samstag in Richtung des sich Überlegens.

    Heuer: Herr Brok, ganz kurz! Das war Ihr Vorschlag?

    Brok: Nein, das war nicht mein Vorschlag. Das war der Vorschlag des polnischen Außenministers Sikorski. Aber ich hatte die Gelegenheit, bei diesem Gespräch mit Herrn Kerry dieses zu unterstützen am Samstag. Und das ist, glaube ich, die Reaktion hat mir gezeigt, dass hier zumindest eine gewisse Offenheit vorhanden ist.

    Heuer: Also, aus Polen stammt eigentlich die Idee, die jetzt Furore macht?

    Brok: Ja, das war ein Treffen der Außenminister der Europäischen Volkspartei, das vor dem Außenministertreffen stattgefunden hat. Und dies ist dann dort vorgetragen worden.

    Heuer: Andererseits, Herr Brok, mit einer diplomatischen Lösung kann Assad ja noch lange an der Regierung bleiben. Verschaffen wir dem Regime einen Vorteil gegenüber den Rebellen?

    Brok: Nein. Ich glaube, dass es hier um zwei Dinge geht: einmal natürlich den Syrien-Konflikt selbst, der schlimm ist, wo viele Menschen getötet sind und auf der Flucht sind. Auf der anderen Seite ist aber der Einsatz von ABC-Waffen, in diesem Falle von chemischen Waffen, noch einmal von hervorgehobener Bedeutung. Es muss klar sein, dass diese Massenvernichtungswaffen weder in Syrien, noch sonst wo eingesetzt werden können. Und dieses muss deutlich durch die internationale Staatengemeinschaft deutlich gemacht werden. Wenn dieses gelingt, durch Verhandlungen hinzubekommen, umso besser. Aber es muss klar sein, dass diese Waffen nicht eingesetzt werden dürfen und geächtet sind.

    Heuer: Aber wie klar ist denn das noch, wenn es jetzt zu der besprochenen Lösung kommt? Dann weiß doch eigentlich jeder Despot, wie es geht, dass man alles macht, was man will - und am Ende geht die Sache doch noch gut aus.

    Brok: Nein, sie geht nicht gut aus. Es wird verhindert, dass diese Waffen wieder eingesetzt werden. Und wenn dieses auf friedliche Art und Weise geschieht, ist dieses immer besser. Das heißt allerdings nicht, dass dieser Konflikt gelöst ist. Es ist der Einsatz von Chemiewaffen verhindert.

    Heuer: Können wir, Herr Brok, heute festhalten, die beste Außenpolitik macht derzeit Russland?

    Brok: Nein. Dieser Vorschlag ist ja von anderen gekommen. Aber dies ist hoffentlich die Brücke gewesen, dass Russland, das bisher in unerträglicher Weise dieses Regime unterstützt hat, jetzt darauf eingeht. Und dies ist auch nur deswegen möglich gewesen, weil die Gefahr eines Militärschlages besteht. Wenn die Drohung des Militärschlages nicht gewesen wäre, hätte man auch von Seiten Russlands nicht auf diesen Vorschlag eingehen können oder wollen.

    Heuer: Aber der Westen sieht im Verlauf der vergangenen Wochen relativ geschwächt aus, während Russland immerzu punkten konnte in der Syrien-Diplomatie.

    Brok: Das sehe ich nicht. Der Westen hat Wert darauf gelegt, Amerika hat Wert darauf gelegt, dass diese Waffen geächtet werden müssen. Und darauf hat Russland lange nicht reagiert. Es hat Entscheidungen blockiert und jetzt ist eine Möglichkeit da, weil dieser Militäreinsatz unmittelbar bevorzustehen schien, dass jetzt der Weg gesucht wird, ihn zu vermeiden. Ohne den Druck auch von Seiten des Westens, ohne die klaren Positionen, die die europäischen Außenminister gemeinsam unternommen haben, ich glaube, wäre dieses nicht möglich gewesen.

    Heuer: Welche Rolle spielt Deutschland denn eigentlich noch in der Syrien-Politik? Ich spreche jetzt von der Bundesregierung, von der Bundeskanzlerin, die sich ja beim G-20-Gipfel in Sankt Petersburg ziemlich isoliert hat.

    Brok: Nein, sie hat sich nicht isoliert. Sie hat einen Text mit ausgehandelt und hat gesagt, dass dieses von Deutschland aber nur unterschrieben wird, wenn alle 28 EU-Staaten zu einer Position kommen. Sie wollte nicht, dass die fünf Großen über die 23 anderen hinweg entscheiden. Deswegen ist es am Samstag wegen der Haltung der Bundesregierung gelungen, eine gemeinsame Position der Europäer zu Stande zu bringen. Und ich finde, das ist ein großartiger Erfolg gewesen.

    Heuer: Aber der Eindruck nach außen ist, Angela Merkel war die einzige große Europäerin, die in Sankt Petersburg nicht unterschrieben hat. Es hätte ja auch nichts dagegen gesprochen, beide Papiere zu unterzeichnen.

    Brok: Sie hat dadurch erreicht, dass alle 28 Europäer gemeinsam sind. Die anderen hätten doch nicht mitgemacht, wenn die fünf Großen über deren Köpfe schon hinweg entschieden hätten. Ich glaube, dass sie dabei eine Öffnung erreicht hat, die für den Konflikt positiv gewesen ist, nämlich die Chemiewaffen aus dem Gefecht zu ziehen.

    Heuer: Ist das so? Hätten die anderen dann nicht mehr in Vilnius unterschrieben, wenn Merkel schon in Sankt Petersburg ihre Unterschrift gesetzt hätte?

    Brok: Das ist mein Eindruck gewesen. Ich bin ja bei den Verhandlungen der Außenminister mit Secretary Kerry dabei gewesen. Und dies ist mein klarer Eindruck gewesen, dass diese Position der Deutschen, auf die anderen mit einzugehen, sie mit an den Tisch zu bringen, von vielen gerade der kleinen Länder als außerordentlich positiv bewertet worden ist.

    Heuer: Wie zufrieden sind denn die Großen, Großbritannien und Frankreich zum Beispiel, mit Merkels Syrien-Politik der letzten paar Tage?

    Brok: Großbritannien hat ja selbst Probleme gehabt durch seine Parlamentsentscheidung und Frankreich hat durch diesen Druck, der von Deutschland da ausgegangen ist, eingestanden, dass erst die Inspektoren vor dem Sicherheitsrat berichten. Das ist am Freitagabend entschieden worden, ist dann am Samstag mit Secretary Kerry gerade bei diesen Verhandlungen besprochen worden. Und dies ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt gewesen, dass dies in der deutsch-französischen Vereinbarung vom Freitagabend drinsteht, dass dieser Bericht erst abgewartet werden sollte. Und hat sicherlich auch zu diesem Zeitgewinn und jetzt möglicherweise zu dieser Lösung geführt.

    Heuer: Trotzdem haben ja Großbritannien und Frankreich, auch Italien und Spanien in Sankt Petersburg die US-Resolution unterzeichnet. Die wollten nicht auf die 28 Außenminister warten.

    Brok: Nein! Aber Deutschland wollte es. Und dies war gut für Europa und für die Einheit Europas.

    Heuer: Und darüber freuen sich jetzt auch die vier, die unterzeichnet haben. Und sagen, die Deutschen haben das gerettet?

    Brok: Ob sie sich darüber freuen, ist relativ gleichgültig. Entscheidend ist die Tatsache, dass die 28 sich geeinigt haben.

    Heuer: Kann es sein, Herr Brok, dass Angela Merkel mit ihrer Syrien-Politik vor allem eines bezweckt, nämlich im deutschen Beitrag möglichst unauffällig zu bleiben?

    Brok: Ich glaube, das ist eine Unterstellung. Ich glaube, dass Deutschland einen Beitrag dazu geleistet hat, eine friedliche Lösung herbeizuführen. Und man nicht immer nur Wahlkampfgründe vorschieben sollte. Ich glaube, solche Motivforschung sollten wir unterlassen.

    Heuer: Man hat aber so den Eindruck, die deutsche Regierung legt sich nicht wirklich fest, sie bezieht verschiedene Positionen. Und es wirkt recht diffus, was sie eigentlich in der Syrien-Frage verfolgt.

    Brok: Ja, das ist die Interpretation in den deutschen Medien, die die Verbindung der Haltung in Petersburg und in Vilnius in bestimmten Teilen noch nicht verstanden hat. Ich glaube, das Ergebnis zählt hier. Und das Ergebnis ist positiv und jetzt sollten wir mit aller Kraft daran arbeiten, dass dieser Versuch, über das Ultimatum die Chemiewaffen aus der Welt zu schaffen, genutzt wird.

    Heuer: Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament – er ist Christdemokrat. Herr Brok, danke fürs Gespräch.

    Brok: Ich danke sehr herzlich, Frau Heuer.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.