Dienstag, 30. April 2024

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Brok: Ein solches Mandat ist parlamentarisch abzusichern

Elmar Brok hält den AWACS-Beschluss der Bundesregierung für die einzige Möglichkeit, Bündnisglaubwürdigkeit zu bewahren. Die Enthaltung im UNO-Sicherheitsrat habe zu Irritationen bei den Partnerstaaten geführt. Es müsse mit Blick auf künftige Anforderungen geklärt werden, wie die Bundesrepublik in solchen Situationen handlungsfähig bleiben könne, betonte Brok.

Elmar Brok im Gespräch mit Jasper Barenberg | 23.03.2011
    Jasper Barenberg: "Tausche Libyen, biete Afghanistan." Mit Häme reagiert manch hoher Militär im Hauptquartier der NATO auf die Entscheidung der Bundesregierung, deutsche Soldaten für die Luftaufklärung in Afghanistan zu stellen und damit die Enthaltsamkeit der Koalition im Krieg gegen die Truppen von Machthaber Gaddafi auszugleichen. Zumal dieselbe Koalition eine Beteiligung an den Flügen der AWACS-Maschinen bisher verweigert hat. Auch in diesem Punkt also eine Kehrtwende, Nullnummer, Augenwischerei, Ablenkungsmanöver in den Augen der Kritiker. Das Mandat für die Aktion hat das Kabinett heute beschlossen. Ohne die deutschen Schiffe werden zwei ständige Verbände der NATO im Mittelmeer heute ihren Einsatz vor der Küste Libyens beginnen. Auf See sollen sie das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Gaddafi überwachen und durchsetzen. Streit gibt es im Bündnis aber weiter darüber, ob die Allianz in den nächsten Tagen auch das Kommando für den gesamten Einsatz übernehmen soll, also auch für die gezielten Angriffe auf Gaddafis Einheiten. Bisher dominieren dabei die USA, Frankreich und Großbritannien. Über die Haltung der Bundesregierung und über den Fortgang der militärischen Operationen wollen wir in den nächsten Minuten mit dem CDU-Politiker Elmar Brok sprechen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments. Schönen guten Tag, Herr Brok.

    Elmar Brok: Guten Tag!

    Barenberg: Das Mandat hat die Bundesregierung heute Vormittag verabschiedet, es soll Soldaten geben für Luftaufklärung über Afghanistan als Kompensation für die Abstinenz in den militärischen Anstrengungen in Libyen. Ist das aus Ihrer Sicht ein glaubwürdiger Schritt?

    Brok: Ich glaube, das ist der einzig mögliche Schritt, nachdem die Vorgeschichte so gelaufen ist, wie sie ist, und nachdem wir ja in Deutschland den verfassungsrechtlich notwendigen Parlamentsvorbehalt haben und somit die Regierung ja nicht in der Lage ist, hier völlig flexibel und schnell Entscheidungen zum Einsatz von Truppen durchzuführen, sodass das wahrscheinlich aufgrund des Vorlaufs der Geschichte der einzige Weg ist, Bündnisglaubwürdigkeit zu wahren.

    Barenberg: Herr Brok, Sie haben im Vorfeld der UN-Resolution eine Luftverteidigungszone, eine No fly zone gefordert. Sie haben verlangt, sich an einer solchen Maßnahme zu beteiligen. Nun hat die Bundesregierung sich anders entschieden. Setzt sie ihren guten Ruf und ihre Glaubwürdigkeit in Europa aufs Spiel, im Bündnis und in der Welt?

    Brok: Nun, ich meine, dass die Europäer dies ermöglichen sollten, aber das bedeutet nicht, dass bei jeder Aktion, die durchgeführt wird, man sich unbedingt selbst beteiligen kann. Es kann auch eine Aufgabenteilung vorhanden sein, und wenn wir sehen, dass die Bundeswehr jetzt in einer Umbruchphase ist, ist das erklärungswürdig, und man kann es erklären. Aber ich finde, dass es notwendig wäre, dies politisch zu unterstützen, was die Bundesregierung ja jetzt auch tut. Aber es hat hier zu Irritationen geführt, dass bei der Resolution der Vereinten Nationen Deutschland sich enthalten hat.

    Barenberg: Und wird es nicht weitere Irritationen geben, wenn wir jetzt hören, dass die deutsche Marine ihre Schiffe aus dem NATO-Verband nimmt, wenn wir hören, dass auch die deutschen Soldaten an Bord der AWACS-Maschinen, die über Libyen kreisen, abgezogen werden?

    Brok: Dies ist ein Problem, das große Erklärungsschwierigkeiten mit sich bringt und Zweifel an der Bündnistreue Deutschlands mit sich bringt. Aber aus den vorher genannten rechtlichen Verpflichtungen, ein solches Mandat parlamentarisch vorher abzusichern, ist das natürlich bei uns schwieriger als bei allen anderen Ländern. Wir müssen in Deutschland wirklich überlegen, wie wir Handlungsfähigkeit im Bündnis beweisen und gleichzeitig den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten natürlich gerecht werden. Und ich glaube, dass es dazu eine Grundsatzdiskussion in Deutschland geben muss, damit man uns nicht vorwirft, wir würden Sonderwege bevorzugen.

    Barenberg: Der Verteidigungsminister, Thomas de Maizière, hat heute gesagt, dass die Entscheidung, Soldaten für den NATO-Einsatz in Afghanistan zu stellen, gerade ein Ausdruck für diese Bündnissolidarität sei.

    Brok: Das ist zweifellos so. Man begibt sich in einen Bereich, dass man andere Lasten übernimmt, wofür ein Mandat zum Teil schon vorhanden ist und das noch erweitert werden muss und das auf diesen rechtlichen Gründen leichter zu erreichen war. Deswegen ist der Beschluss, den heute die Bundesregierung gefasst hat und der hoffentlich am Freitag auch vom Bundestag gefasst wird – und ich wäre dringend dafür -, ein wichtiger Schritt. Aber das löst die Probleme teilweise, die wir jetzt in der Diskussion in Europa haben, aber ich meine, dass dies eine Grundsatzfrage ist, der wir uns stellen müssen, in welcher Weise wir auch bei multilateralen Verbänden wie dem Euro-Korps und so weiter nicht als Klotz am Bein empfunden werden, und wir brauchen hier, glaube ich, eine prinzipielle Debatte, um Bündnisanforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig auch unseren verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten gerecht zu werden.

    Barenberg: Herr Brok, lassen Sie uns noch über die Situation in Libyen selber sprechen. Unser Korrespondent hat gerade geschildert, dass die militärische Allianz zunehmend in Gefahr läuft, nicht mehr unterscheiden zu können zwischen Gaddafis Truppen und den Rebellen. Ist das eine drohende Gefahr, eine Art Patt-Situation, in der die Allianz mit Luftschlägen nicht sehr viel mehr ausrichten kann?

    Brok: Nun kann ich das nicht sachverständig im Detail sagen, weil ich die Situation vor Ort nicht im Detail kennen kann. Aber zweifellos ist es so, Ihr Korrespondent hat das gesagt, dass das Überraschungsmoment verloren gegangen ist für die Freiheitskämpfer und dass aus diesem Grunde heraus Gaddafi so viel Boden hat gut machen können, hat so viel Stabilität wieder gewinnen können, dass die langen Diskussionen, die geführt worden sind über eine No fly zone, selbst die Gaddafi möglicherweise gestärkt hätten, dass deswegen der Ausgang dieser Operation wegen des verspäteten Beginns unklar ist.

    Barenberg: Wie also weiter, sollte es zu einer solchen Patt-Situation kommen?

    Brok: Ja wir müssen sehen, dass eine solche Patt-Situation natürlich auch gefährlich ist, weil sie de facto zu einer Teilung des Landes führen würde, und wir wissen ja, dass Libyen vor Gaddafi kein Zentralstaat war, sondern das war ein Zusammenschluss von Stämmen, und dass das in diese alte Situation hineingeht, aber dann gleichzeitig mit einer staatlichen Teilung, und dies könnte dann natürlich auch problematisch sein. Und man kann hier nur hoffen und sollte alles daran setzen, dass dieses Stückchen militärischer Sicherheit für die Freiheitskämpfer gleichzeitig wirkt mit den Sanktionen gegen Gaddafi, die auch komplett auf das Ölgeschäft ausgedehnt werden müssten. Und ich hoffe, dass dazu die notwendigen Beschlüsse in den nächsten Tagen auch praktisch umgesetzt werden können, um auf diese Art und Weise ihn so zu isolieren, dass er sich daraus, aus diesen Gründen nicht halten kann.

    Barenberg: Und gehört dazu, Herr Brok, auch, die Rebellen mit Waffen möglicherweise zu beliefern?

    Brok: Also das ist eine schwierige Frage. Aber ich glaube, dass hier sicherlich Unterstützung notwendig ist. Aber hier meine ich, auch wegen der Nachbarschaft, dass die Arabische Liga hier ein Stückchen gefordert ist und dass man hier ein stärkeres Engagement beispielsweise der Ägypter erfordern soll. Es ist keine gute Sache, dass die Arabische Liga die Flugverbotszone gefordert hat und ein paar Tage später durch den Generalsekretär Amr Musa Kritik äußert, wenn sie wahrgenommen wird. Hier kann der Westen nur auf Dauer handlungsfähig sein, wenn es eine klare Beteiligung auch in solchen Fragen von arabischen Staaten gibt.

    Barenberg: Der CDU-Politiker Elmar Brok, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments. Herr Brok, danke für das Gespräch.

    Brok: Ich danke auch.