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Brok: "Peinliches Hin und Her" bei Libanon-Truppe beenden

Nach Ansicht des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok belegen die Verzögerungen bei der Aufstellung der internationalen Libanon-Truppe strukturelle Probleme in der Europäischen Union (EU). Klare Zuständigkeiten und ein gemeinsamer Außenminister seien notwendig, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Die Debatten um die UNO-Truppe für den Nahen Osten bezeichnete Brok als "peinliches Hin und Her".

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Bei mir am Telefon ist nun der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Guten Morgen!

    Elmar Brok: Guten Morgen!

    Heinlein: Hoher Besuch heute bei Ihnen in Brüssel. Wird die Anwesenheit von Kofi Annan die Dinge nochmals beschleunigen?

    Brok: Nun, ich habe den Eindruck, dass alleine die Festsetzung dieses Termins dazu geführt hat, dass doch jetzt Klärungen kommen und dass es dann doch so ist, dass nach den peinlichen Situationen der letzten Tage doch genügend Soldaten zusammen kommen, um eine solche Truppe zusammenzustellen.

    Heinlein: Wie wichtig ist es, dass nun auch Frankreich dieses Truppenkontingent kräftig aufstockt?

    Brok: Ich glaube, es ist von entscheidender Bedeutung, einmal, weil Frankreich ja das Land ist, das die größten Erfahrungen im Libanon hat und weil Frankreich auch im Vorfeld sich ja sehr deutlich in diesen Fragen ausgedrückt hat, so dass es schon überraschend war, dass man nur 200 Soldaten angeboten hatte. Jetzt mit dem Angebot, doch 2000 zu stellen und doch eventuell die Führung der Truppe zu übernehmen, ist natürlich auch die Voraussetzung für andere Länder gegeben, so dass Frankreich und Italien hier eine führende Rolle spielen werden. Wer jetzt nun Chef des Ganzen wird, das wird zu entscheiden sein, und das dann doch andere Länder nachziehen werden, so dass die Sache zustande kommen wird.

    Heinlein:: Haben Sie das Taktieren der Franzosen verstanden? Erst 200, jetzt 2000 Soldaten?

    Brok: Nein, wenn ich ehrlich bin. Ich kann mir keinen Reim daraus machen. Manche sagen schon scherzweise, Chirac habe eine Null vergessen gehabt beim ersten Angebot.

    Heinlein: Sollte denn das auch Konsequenzen haben, wenn jetzt diskutiert wird ob Frankreich oder Italien die Führungsrolle im Libanon übernimmt?

    Brok: Nun, muss ich sagen, dass Italien sich als erstes hier deutlich zum Ausdruck gebracht hat und es gute Gründe geben müsste, wenn man jetzt das Italien nicht geben würde.

    Heinlein:: Ist es denn richtig, so wird im Moment berichtet aus Brüssel, dass vielleicht nur 8000 bis 9000 Blauhelme in den Libanon geschickt werden. Also nicht, wie ursprünglich geplant 15.000.

    Brok: Nun, ich glaube, dass man doch 15.000 zusammen bekommen müsste, denn die Europäer werden ja doch jetzt 6000, 7000 zustande bringen. Und hier müssen natürlich andere Länder heran. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass die Türkei, die ja auch inzwischen 1200 angeboten hat, aber dass insbesondere auch arabische Länder daran teilnehmen, damit deutlich wird, dass es nicht eine Mission des Westens, der Europäer ist, sondern dass dieses ein breit aufgestellter Versuch ist, Frieden zu sichern.

    Brok: Herr Brok, Sie haben in Ihrer ersten Antwort gesagt, das Verhalten der Europäer, der europäischen Staats- und Regierungschefs in dieser Frage sei peinlich gewesen. Können Sie das noch ein wenig erläutern. War das eine Art Mikado, wer sich zuerst bewegt, hat verloren?

    Brok: Ich glaube, das hat eine Rolle gespielt. Aber es hat wiederum gezeigt, dass wir aufgrund der noch fehlenden Zuständigkeiten in Brüssel nicht wirkliche Führung haben. Und das hat sich auch bei dem lähmenden Prozess der Aufstellung der Truppen im Kongo gezeigt, so dass es deutlich wird, dass wir endlich klare Zuständigkeiten in Brüssel haben müssen, dass wir einen einheitlichen Außenminister brauchen, dass wir mit einer Stimme sprechen müssen und nicht dieses doch peinliche Hin und Her, weil keiner hier die Führung übernehmen will.

    Heinlein: Fehlende Führung, ist das ein Vorwurf an Javier Solana?

    Brok: Nein, ich glaube nicht, sondern es ist ein Problem, dass wir in den Strukturen noch nicht so weit sind, dass wir ja Solana nicht ausreichend ausgestattet haben, dass es keinen Apparat gibt und dass wir sehen müssen, dass die Zuständigkeiten nicht auf drei, vier Leute immer verstreut sind: der Außenkommissar, der das Geld hat, Solana, der zu verhandeln hat, der Ratspräsident, der alle halbe Jahr neu ist und mitspielen will, und dass von daher wir Fortschritte gemacht haben in den letzten zehn Jahren in diesen Bereichen, aber dass diese Fortschritte nicht ausreichend sind. Dass wir auch darum sehen müssen, dass es bei der Erstellung des Mandats nicht vorankommen und dass es eine weit reichende Lösung wird, denn wenn es nicht in Auftrag ist, zu entwaffnen die Hisbollah, nicht klar geregelt ist, dass man auch eingreifen kann, dass keine Waffenlieferungen da sind, wie das bisher aussieht, stellt sich natürlich die Frage, in welchem Rahmen diese Mission denn überhaupt erfolgreich sein kann.

    Heinlein:: Begreifen Sie das Mandat bisher so, als ein robustes Mandat? Das heißt, die europäischen Blauhelmsoldaten dürfen notfalls auch auf Hisbollahkämpfer oder sogar israelische Soldaten schießen, falls notwendig?

    Brok: Ja, aber es ist eben ein defensives Mandat. Wenn man selbst angegriffen wird, darf man ja etwas tun. Aber es hat sich in den letzten Tagen ja heraus kristallisiert, dass das eigentliche Ziel, die Souveränität des Libanons dadurch herzustellen, dass man die Hisbollah zur Abgabe der Waffen zwingt - wir wissen alle, wie schwierig das ist und dass das nicht von heute auf morgen geht -, dass dieses Ziel nicht mal ausdrücklich erwähnt wird. Und daraus entsteht natürlich die Gefahr, dass die Hisbollah sich wieder stärkt und dass dann das Schießen nach Israel wieder beginnt, und dann können wir in ein oder zwei Jahren wieder die selbe Situation haben, dass Israel gezwungen ist, um das Schießen auf das eigene Territorium zu verhindern, wieder Krieg zu führen. Und das sollte ja gerade vermieden werden.

    Heinlein: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok, heute morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Brok, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Brok: Ich danke auch.