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Brok warnt vor Änderungen am EU-Verfassungsentwurf

Spengler: Übermorgen, am Samstag, beginnen in Rom auf einer Gipfelkonferenz der EU-Regierungen die Beratungen über die EU-Verfassung. Auf dem Tisch liegt ein Verfassungsentwurf, den der Konvent unter der Leitung des früheren französischen Staatspräsidenten Giscard D´Estaing in anderthalb Jahren erarbeitet und am Ende einmütig angenommen hatte. Dem Konvent gehörten Abgeordnete des Europaparlaments und der Parlamente der Mitgliedsstaaten an, außerdem Beauftragte der Regierungen. Das entscheidende Wort aber haben sich die Regierungschefs selbst vorbehalten. In Rom wird der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok dabei sein, der auch Mitglied des Konvents gewesen ist. Herr Brok, wenn man als Laie Regierungskonferenz hört, dann denkt man, ja gut, da kommen also die Regierungschefs zusammen, ein, zwei Tage, und dann endet das Ganze mit einem Ergebnis. So läuft das aber nicht ab. Wie läuft es denn?

    Brok: Nun, es ist eigentlich erst der Startschuss. Die Regierungskonferenz wird durch die Staats- und Regierungschefs eröffnet und dann gleich nach einem halben Tag in eine Außenministerkonferenz überführt, die das Geschäft dann in eine Serie von Treffen fortführt, die sich dann hinziehen werden bis zum zwölften Dezember, wenn die Staatschefs das wieder übernehmen werden, um den Abschluss zu machen.

    Spengler: Und das heißt, dann am Ende wird es auch ums Eingemachte gehen?

    Brok: Ja, das ist dann wie üblich bei europäischen Konferenzen, die wirkliche Entscheidung fällt dann immer in der letzten Nacht.

    Spengler: Fahren Sie denn eigentlich mit der Befürchtung nach Rom, dass die Regierungschefs noch versuchen, viele Änderungen an dem Verfassungsentwurf vorzunehmen, oder fahren Sie mit der Hoffnung, dass sie es im Wesentlichen beim Entwurf belassen?

    Brok: Ich glaube, am Anfang werden eine Reihe von Regierungschefs Änderungsvorschläge machen und zum Ausdruck bringen, dass an der und der Stelle sie doch Verbesserungen aus ihrer Sicht heraus haben möchten. Das werden möglicherweise so viele Vorschläge sein, dass im Laufe des Oktobers in der Konferenz der Außenminister dann eine Krise ausbrechen wird, weil man dieses nicht bewältigen kann. Daraus wiederum kann die Chance entstehen, dass man sagt, dann lassen wir es lieber so, wie es ist, denn eigentlich hat der Konvent schon eine Balance gefunden, die nicht wesentlich verbessert werden kann.

    Spengler: Also Sie würden am liebsten nicht am Entwurf rühren?

    Brok: Dieser Entwurf ist ein Kompromiss. Auch ich hätte eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen. Aber jeder hat sie und sie sind widerläufig. Und deswegen ist es sinnvoll, dass man es so lässt, wie es ist. Wenn man sich vor Augen hält, dass Parlamentarier aus so vielen Ländern zu einer gemeinsamen Position gekommen sind, dann zeigt dies, glaube ich, das dies nicht durch Diplomaten oder Außenminister verbessert werden kann.

    Spengler: Welche Verbesserungsvorschläge hätten Sie denn, wenn Sie sie vorbringen dürften?

    Brok: Nun, ich würde ein paar mehr Mehrheitsentscheidungen durchführen, wo man auch nicht den Mut im Konvent gehabt hat, etwa im Bereich der Außenpolitik, um ein höheres Maß an Handlungsfähigkeit zu Stande zu bringen. Oder beispielsweise als Christdemokrat hätte ich den Gottesbezug gern drin. Und so hat jeder ein Stückchen, wie beispielsweise eine andere Form für die Zusammensetzung der Kommission oder eine andere Formel für die Stimmgewichtung im Ministerrat.

    Spengler: An welchen Punkten wird es denn Streit geben?

    Brok: Der Hauptstreitpunkt wird sicherlich die Zusammensetzung der Kommission sein, wie auch von Polen und Spanien beispielsweise die Stimmgewichtung. Polen und Spanien meinen, beim Vertrag von Nizza besonders gut da weg gekommen zu sein. Wir werden auch sehen, wie weit Briten und andere bereit sind, die Fortschritte in der Sicherheits- und Außenpolitik zu gehen, das werden wahrscheinlich die Hauptkampffelder sein.

    Spengler: Wie sieht es aus mit der Anzahl der Kommissare? Da sagen ja viele kleine Länder, wir wollen auch künftig einen eigenen Kommissar in Brüssel haben.

    Brok: Bei der jetzigen Regelung ist es so, dass jeder einen hat, aber nicht immer zu jeder Zeit, denn nach einem Rotationsprinzip gibt es nur fünfzehn vollgültige Kommissare und der Rest der Länder hat so etwas wie parlamentarische Staatssekretäre. Wenn jetzt jeder dieser Kommissare Stimmrecht hat, dann wäre, glaube ich, das nicht ein Katastrophe, aber es muss klar sein, dass es eine Hierarchie geben muss. Man kann nicht in Zukunft dreißig Kommissare haben, wo jeder ein gleichwertiges Ressort hat, denn dies würde nicht zur Funktionsfähigkeit beitragen.

    Spengler: Und wenn man die Kommisaare einfach in ihren Aufgaben beschneiden würde, um so zusagend dann auf dreißig zu kommen, ginge das nicht?

    Brok: Das wäre nicht Sachgerecht. Man kann also nicht die Außenpolitik oder die Fragen der Rechts- und Innenpolitik oder des Binnenmarktes so aufdröseln, dass daraus gleichwertige Ressorts kommen, die Sache gibt es nicht her.

    Spengler: Sie haben ja eben schon Spanien und Polen angesprochen. Nun braucht man doch auch die Zustimmung von Spanien und Polen, will man diese Verfassung letzten Endes auf den Weg bringen?

    Brok: Das ist so: Es geht nur einstimmig, es muss von allen Ländern unterschrieben werden und alle Länder müssen ratifizieren. Aber hier hat der Konvent kluger Weise schon eine Lösung eingebaut, denn er schlägt vor, dass bevor dieses Stimmrecht ab 2009 in Kraft treten soll, bis 2009 die Zusammensetzung des europäischen Parlaments noch einmal auf der Grundlage der so genannten begrenzten Proportionalität überlegt wird. Und das würde bedeuten, dass entsprechende Bevölkerungszahl Polen und Spanien mehr Abgeordnete bekommen würden, um hier den Ausgleich zu finden.

    Spengler: Also sozusagen ein kleines Zuckerstückchen, was man ihnen anbieten könnte?

    Brok: Ja. Die Spanier haben in Nizza darauf verzichtet, ihre volle Zahl auszuschöpfen, um die Stimmgewichtung entsprechend hin zu bekommen, und das wäre dann eigentlich die Ausgleichszahlung.

    Spengler: Den Gottesbezug in der Präambel der Verfassung, den Sie selber sich wünschen würden, für wie wahrscheinlich halten Sie denn, dass so etwas möglicherweise noch erreicht wird?

    Brok: Das ist sehr schwer. Wir sehen, dass wir ja sehr unterschiedliche Traditionen in unseren Mitgliedsländern haben - etwa Frankreich die komplette Trennung von Kirche und Staat - und deswegen fällt es in solchen Ländern sehr schwer. Es ist aber gelungen, dass es einen besonderen Kirchenartikel, die Rollen der Kirchen aus deren Sicht zufriedenstellend geregelt ist und auch die Werte sind aus meiner Sicht vom christlichen Menschenbild geprägt, von der Würde des Menschen bis hin zum Verbot des reproduktiven Klonens, und der Rolle der Familie und vergleichbare Dinge. In den Inhalten ist es wirklich eine Wertegemeinschaft durch diese Verfassung geworden. Es wäre natürlich schön, wenn dann auch noch darüber stehen würde, welche Werte das sind.

    Spengler: Nicht ganz unumstritten ist die Wahl beziehungsweise die Ernennung eines Ratspräsidenten. Der soll ja so zusagend die wechselnden Präsidentschaften ablösen, die wir jedes halbe Jahr genießen dürfen. Was halten Sie davon und wird es dabei bleiben?

    Brok: Ich habe von dem ursprünglichen Vorschlag gar nichts gehalten, den die Spanier, die Deutschen, die Franzosen und andere gebracht haben, weil das die Gewichtung völlig verändert hätte hin zu einem Regierungseuropa. Nun ist die Rolle dieses Präsidenten des Europäischen Rates so zusammen geschnitten, dass er de facto nur die Leitung des Europäischen Rates und deren Vorbereitung hat und sonst in allen anderen Bereichen nichts zu sagen hat.

    Spengler: Das heißt, er wäre keine Konkurrenz zum EU-Kommissionspräsidenten?

    Brok: Nein, er wäre keine Konkurrenz mehr, zumal der EU-Kommissionspräsident demnächst Ergebnis der Europawahlen sein wird und deswegen die Legitimation von Wahlen durch die Bürger hat. Aber jetzt kommt es nicht mehr drauf an, man kann ihn, glaube ich, ersatzlos streichen, das würde nichts ausmachen. Auf der anderen Seite würde es auch keinen Schaden mehr anrichten und da in der Verfassung auch angelegt ist, dass der Präsident des Europäischen Rates eine andere europäische Position haben kann, könnte man auch zu einer Position kommen, dass der Kommissionspräsident auch dieses in Personalunion übernimmt. Dann könnte es sogar vielleicht wieder Sinn machen.

    Spengler: Wagen Sie zum Schluss eine Prognose: Wird es eine EU-Verfassung geben?

    Brok: Es wird ein Ergebnis dieser Konferenz geben und wir werden einen unterzeichneten Verfassungsentwurf haben. Der schwerste Weg wird dann die Ratifizierung in 25 Ländern sein.

    Spengler: Das war der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok, vielen Dank für das Gespräch.