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Brüchige Waffenruhe in Syrien
UNO fordert neue Initiative

20 Menschen sind laut Agenturberichten bei Luft- und Raketenangriffen in der syrischen Stadt Aleppo getötet worden. Der UNO-Sondergesandte befürchtet, dass die brüchige Waffenruhe "jederzeit kollabieren" könnte. Er fordert die USA und Russland zu einer neuen Initiative für Verhandlungen auf.

28.04.2016
    Ein Bild aus Aleppo vom 13. April 2016 zeigt die Zerstörung der Stadt
    Ein Bild aus Aleppo vom 13. April 2016 zeigt die Zerstörung der Stadt (dpa / picture-alliance / Mikhail Voskresenskiy)
    Gestern wurden nach Agenturberichten bei Luft- und Raketenangriffen in Aleppo etwa 20 Menschen getötet. Allein bei einem Angriff der Luftwaffe von Präsident Baschar al-Assad auf ein Krankenhaus und ein nahegelegenes Wohnhaus seien 14 Menschen getötet worden, berichtete laut der Agentur AFP eine als "Weißhelme" bekannte zivile Bürgerwehr. Die Luftwaffe habe demnach auch Fassbomben eingesetzt. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass die Attacke auf das Krankenhaus von einem "Flugzeug des Regimes" ausgeführt worden sei.
    Bei Raketenangriffen im Westteil der Stadt - der unter Kontrolle der Regierungstruppen steht - gab es nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Sana sieben Todesopfer und 35 Verletzte. Damaskus machte die islamistische Al-Nusra-Front und ihre Verbündeten dafür verantwortlich.
    Waffenstillstand in großer Gefahr
    Der UNO-Sondergesandte Staffan de Mistura Staffan de Mistura forderte die USA und Russland deshalb zu einer gemeinsamen Friedensinitiative "auf höchster Ebene" auf. Erst wenn die seit Tagen anhaltenden Angriffe in Aleppo und anderen Orten aufhörten, sehe er die Möglichkeit, einen Termin für die Fortsetzung der Genfer Gespräche anzusetzen, sagte de Mistura.
    Der im Februar maßgeblich von Washington und Moskau durchgesetzte Waffenstillstand sei "in großer Gefahr und kann jederzeit kollabieren", warnte de Mistura. Er beschrieb die Lage in Syrien als äußerst besorgniserregend. Durch die seit Tagen immer wieder aufflammenden Kämpfe sei "alle 25 Minuten ein Syrer getötet worden".
    "Erhebliche Differenzen" in den Gesprächen
    Zuvor hatte er per Video-Schalte den UNO-Sicherheitsrat in New York über den Verlauf der gestern beendeten dritten Runde der indirekten Genfer Gespräche zwischen Vertretern der syrischen Regierung und verschiedener Oppositionsgruppen informiert. Anschließend sollten erneut die Außenminister der Internationalen Syrien-Unterstützergruppe (ISSG) zusammenkommen. Zur ISSG gehören neben der Arabischen Liga, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen auch 17 Länder, darunter Russland, die USA, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Iran, die Türkei und Saudi-Arabien.
    De Mistura betonte, bei der dritten Gesprächsrunde seien zumindest einige gemeinsame Ansätze für einen politischen Übergangsprozess erkennbar gewesen. Es bestehe weitgehend Einigung darüber, dass für Syrien eine Übergangsregierung gebraucht werde, die eine neue Verfassung vorbereiten solle.
    Staffan de Mistura, UNO-Sondergesandter für Syrien, am 28. April 2016 in Genf
    Staffan de Mistura, UNO-Sondergesandter für Syrien, am 28. April 2016 in Genf (dpa / picture-alliance / Martial Trezzini)
    Allerdings gebe es dabei noch "erhebliche Differenzen", räumte der UNO-Vermittler ein. Während die wichtigsten Oppositionsgruppen den Abtritt Assads verlangten, hat die Abordnung des Regimes stets betont, die künftige Rolle Assads stehe in Genf nicht zur Diskussion. Seit 2012 sind bereits zwei Mal Versuche gescheitert, in Genf zu einer Verhandlungslösung für den Syrien-Konflikt zu kommen.
    Die wichtigste Oppositionsvertretung - das Hohe Verhandlungskomitee (HNC) - hatte in der zurückliegenden Woche ihre formelle Teilnahme an den Genfer Gesprächen ausgesetzt. Als Grund nannte sie Angriffe von Regierungstruppen, die ein Verstoß gegen die Waffenruhe seien. Zudem protestierte sie gegen erneute Behinderungen humanitärer Hilfe für Menschen in belagerten Gebieten.
    Der Bürgerkrieg dauert bereits seit rund fünf Jahren an. Weit mehr als 250.000 Menschen haben ihr Leben verloren. Mehr als 4,5 Millionen Syrer flohen ins Ausland - viele von ihnen bis nach Deutschland und in andere Länder Europas.
    (nch/kis)