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Brüssel
Günther Oettinger im Europaparlament "gegrillt"

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger musste gut eine Woche nach Übernahme des Haushaltsressorts dem Europaparlament Rede und Antwort stehen. Dabei präsentierte er sich gleichsam demütig wie kämpferisch.

Von Dimi Breuch |
    Günther Ottinger stellt sich als neuer EU-Kommissar für Haushalts- und Personalfragen einer Anhörung im Europaparlament. Er sitzt an einem Tisch vor einer Europaflagge. Zu sehen ist im Vordergrund sein Namensschild.
    Günther Ottinger stellt sich als neuer EU-Kommissar für Haushalts- und Personalfragen einer Anhörung im Europaparlament (afp / Emmanuel Dunand)
    Der CDU-Politiker hatte schon angenehmere Termine. Eigentlich sollte es bei der Anhörung durch die Ausschüsse für Haushalt, Haushaltskontrolle und Recht vor allem um die Budget- und Personalpläne der EU-Kommission für die kommenden Jahre gehen. Die Abgeordneten aber befragten den 63-Jährigen in Brüssel auch zu Äußerungen, die ihm in der Vergangenheit viel Kritik eingebracht hatten. Überraschungen blieben indes aus: Die Fragen waren bereits im Vorfeld bekannt.
    Bedauern, Zusagen und Dementi
    Oettinger zeigte zunächst Reue: "Es war und ist nicht meine Absicht, irgendjemanden mit Bemerkungen zu verletzen", er bedauere früher Gesagtes "ausdrücklich". Zudem wolle er dafür sorgen, dass Frauen in der Brüsseler EU-Kommission mehr Macht bekämen. Bis Ende 2019 sollten sie 40 Prozent der Management-Positionen besetzten. Zugleich verwies Oettinger darauf, er habe bereits in seinen bisherigen Ressorts "einiges für die Förderung weiblicher Mitarbeiter in leitenden Positionen getan". Vorwürfe, oft einseitig Wirtschaftsinteressen vertreten zu haben, wies er hingegen deutlich zurück. Es gebe "eine völlige Unabhängigkeit" seiner Position Lobbygruppen gegenüber. Auch besitze er "weder Aktien bei Energiegesellschaften noch bei Digitalunternehmen noch bei Autoherstellern". Darüber hinaus habe er nichts dagegen, wenn ihm vorgehalten werde, dass er Interessenvertreter treffe: "Niemand soll sagen, dass ich faul bin."
    Umstrittene Äußerungen und Reisen
    Erst im Oktober hatte Oettinger Chinesen in einer Rede als "Schlitzaugen" bezeichnet, von einer "Pflicht-Homoehe" gesprochen und zumindest missverständliche Äußerungen zur Frauenquote gemacht. Wenig später war zudem bekannt geworden, dass er im Mai vergangenen Jahres im Privatjet eines ehemaligen Daimler-Managers und russischen Honorarkonsuls zu einem Abendessen mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban geflogen war. Kritiker sahen einen Verstoß gegen die Regel, dass Mitglieder der Europäischen Kommission keine Geschenke im Wert von mehr als 150 Euro annehmen dürfen - eine Schwelle, die der Wert des Flugs überstiegen haben dürfte. Sie sehen den deutschen Christdemokrat deswegen als ungeeignet an, die Zuständigkeit für das Personalwesen zu übernehmen. Diese ist in der Brüsseler Behörde mit der Zuständigkeit für den Haushalt verbunden. Die Kommission hatte Oettinger das Vertrauen ausgesprochen und sah keinen Verstoß gegen die eigenen Ethikregeln. Vielmehr sei er auf Einladung und Kosten der ungarischen Regierung zu einer Konferenz geflogen, daher gebe es nichts zu beanstanden.
    Proteste schon im Vorfeld
    Nach der Befragung geben die Ausschüsse eine Empfehlung an das Parlamentspräsidium ab. Gezielt verhindern können die Abgeordneten Oettingers Ernennung nicht. Hierzu müssten sie nämlich gleich die gesamte Kommission durch einen Misstrauensantrag zu Fall bringen, was als sehr unwahrscheinlich gilt. Gleichwohl hatte es im Vorfeld der Befragung Proteste gegeben. Eine Gruppe von zehn Organisationen ließ in einem offenen Brief erklären, Oettinger sei für das Amt wegen rassistischer, sexistischer und homophober Bemerkungen nicht geeignet, Verantwortung für das Personalwesen zu tragen. Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von Transparency International und Homosexuellen-Netzwerken unterzeichnet. Hinzu komme, dass der Deutsche in der Vergangenheit mehrfach wegen Kontakten zu Lobbyisten in der Kritik gestanden habe.
    Bereits Ressort Nr. 3
    Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Oettinger kurz vor Weihnachten zum Kommissar für Haushalts- und Personalfragen ernannt. Er ersetzt seit dem 1. Januar auf dem Posten die Bulgarin Kristalina Georgiewa, welche zur Weltbank wechselte. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident ist seit 2009 EU-Kommissar. Zunächst war er für den Energiebereich zuständig. 2014 übernahm er dann das Ressort für digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Kritiker hielten ihm wiederholt vor, es habe ihm für diesen Bereich an Fachwissen und Kompetenz gemangelt. Der Wechsel in das neue Ressort gilt im Gefüge der Kommission als Beförderung.