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EU-Kommissar Oettinger
Markus Ferber (CSU): "Er wird ein sehr guter Haushalts-Kommissar"

Der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) hat dem neuen EU-Haushaltskommissar Oettinger den Rücken gestärkt. Der CDU-Politiker werde ein sehr guter Kommissar werden, sagte Ferber im DLF. Für seine umstrittenen Äußerungen habe sich Oettinger entschuldigt.

Markus Ferber im Gespräch mit Christiane Kaess | 09.01.2017
    Der CSU-Abgeordnete im Europäischen Parlament Markus Ferber spricht bei einer Pressekonferenz von CDU/CSU über den gemeinsamen Wahlaufruf zur Europawahl.
    Der CSU-Abgeordnete im Europäischen Parlament Markus Ferber (dpa)
    Oettinger muss sich heute kritischen Fragen im Europaparlament stellen, bei denen es auch um zwei Affären geht. So war bekannt geworden, dass Oettinger im Mai im Privatjet eines früheren Managers zu einem Termin mit dem ungarischen Regierungschef Orban geflogen war. In einer Rede im Oktober hatte er zudem Chinesen als "Schlitzaugen" bezeichnet und umstrittene Äußerungen zu den Themen gleichgeschlechtliche Ehe und Frauenquote von sich gegeben.
    Ferber sieht Oettinger dadurch nicht belastet. Dieser habe sich für seine Worte entschuldigt, die zudem bei einer nicht öffentlichen Veranstaltung gefallen seien. "Damit ist für mich die Sache ausgeräumt." Das Europaparlament habe bei der heutigen Anhörung zu prüfen, ob Oettinger für das neue Ressort geeignet sei. Seine Eignung als Kommissar sei nicht infrage gestellt, andernfallls hätte es einen Misstrauensantrag gegeben.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Der Termin heute Abend dürfte für Günther Oettinger zumindest unangenehm werden. Gerade eben ins Amt des EU-Kommissars für Haushalt und Personalwesen aufgestiegen, muss er vor den EU-Abgeordneten des Haushaltsausschusses Rede und Antwort stehen. Zumindest einige von ihnen werden ihn mit harten Fragen zu seiner sogenannten "Schlitzaugen-Rede" konfrontieren sowie mit Vorwürfen bezüglich seines Fluges in einem Privatjet zu einem Abendessen mit Ungarns Regierungschef Orbán.
    Mitgehört am Telefon hat Markus Ferber von der CSU, im Europäischen Parlament stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung. Guten Morgen!
    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Herr Ferber, bei der Aussprache heute Abend sind Sie nicht direkt dabei, weil Sie nicht Mitglied des Haushaltsausschusses sind. Aber vor dem Hintergrund, dass Sie der Schwesterpartei von Herrn Oettinger angehören, hätten Sie denn überhaupt eine kritische Frage?
    Ferber: Es gibt natürlich eine Reihe von kritischen Fragen, die ein Haushaltskommissar zu bestehen hat. Wir haben ja mit der Frau Georgiewa die Erfahrung gemacht, dass sie kein guter Anwalt der Interessensvertretung des Europäischen Parlaments bei den Verhandlungen mit dem Ministerrat war. Und wir stehen in den nächsten Jahren vor schwierigen haushaltspolitischen Entscheidungen. Die nächste finanzielle Vorausschau ab dem Jahr 2021, der mögliche Austritt der Briten und die Haushaltskonsequenzen daraus sind ja alles Fragestellungen, die jetzt in dieser Amtszeit von Günther Oettinger dann beantwortet werden müssen, und da gibt es eine Vielzahl von wirklich wichtigen Fragen, die heute Abend zu klären wären.
    Kaess: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, würden Sie sich rein an die Sachfragen halten?
    Ferber: Es geht ja auch im Wesentlichen darum, ist Herr Oettinger geeignet, dieses Dossier zu bearbeiten, weil das Parlament wird ihm ja nicht die Eignung absprechen können, Kommissar zu sein. Das ist er nämlich schon. Und die Prozedur dazu, das in Frage zu stellen, wäre ein Misstrauensantrag. Der ist aber von den Kritikern nie gestellt worden. Insofern geht es wirklich heute Abend darum, ist er für das Dossier geeignet.
    "Es war eine nichtöffentliche Veranstaltung, es war eine private Meinung"
    Kaess: Und geeignet ist auch jemand, der im Verdacht steht, rassistisch, sexistisch und homophob zu sein?
    Ferber: Ich glaube nicht, dass diese Formulierung, die Sie jetzt gewählt haben, die richtige ist. Er hat sich dafür entschuldigt. Es war eine nichtöffentliche Veranstaltung, es war eine private Meinung, von der er sich selber wieder distanziert hat. Es wäre was anderes, wenn es in einem offiziellen Dokument der Europäischen Kommission gestanden hätte. Das ist aber nicht der Fall. Er hat sich entschuldigt, er wird sich heute Abend sicherlich noch mal dafür entschuldigen und damit ist für mich die Sache ausgeräumt.
    Kaess: Aber diese Kritik gibt es nach wie vor und die Formulierung, die ich gewählt habe, die stammt aus einem Papier von zehn Nichtregierungsorganisationen, unter anderem dabei Transparency International oder Oxfam. Die sagen, Oettinger ist ungeeignet, das Ressort für Personalfragen zu leiten. Die beziehen sich in diesem Fall auf das Ressort. In der Vergangenheit habe er mehrfach rassistische, sexistische und homophobe Bemerkungen abgegeben und deshalb sei er ungeeignet.
    Ferber: In einem Rechtsstaat steht es diesen Nichtregierungsorganisationen, die mit Verlaub auch Lobby-Vertreter sind - ich sage das mal in aller Deutlichkeit, wo manchmal ich mir auch die Frage stelle, welche Interessen sie überhaupt vertreten, weil sie das intern nicht in demokratischen Prozessen abklären. Aber wie gesagt: In einem Rechtsstaat steht solchen Organisationen der Rechtsweg zur Verfügung. Sie könnten dagegen klagen. Da sind bisher keine Klagen eingegangen. Insofern bewerte ich es als das, was es ist, nämlich ein politischer Vorgang, der nicht meine Unterstützung findet.
    Kaess: Aber in diesem Fall stehen diese NGOs ja nicht für Interessen, sondern sie kritisieren die Haltung von Herrn Oettinger. Ich möchte noch einmal zitieren aus diesem Papier. Da heißt es: "Der für Personalfragen zuständige EU-Kommissar sollte beispielhaft sein." Ist Herr Oettinger beispielhaft?
    Ferber: Ich weiß nicht, auf welches Beispiel sich das bezieht. Er hat sich für diese Äußerungen entschuldigt, auf die sich wohl diese Aussage bezieht, und insofern sehe ich da keinen Anlass, von Seiten des Europäischen Parlaments diese Entschuldigung nicht zu akzeptieren, und ich bin mir sicher, dass Herr Oettinger aus diesem Fehler, den er gemacht hat, die richtigen Konsequenzen gezogen hat. Er wird das sicherlich nicht mehr wiederholen und er wird ein sehr, sehr guter Kommissar auch für Personalangelegenheiten.
    Kaess: Wie bewerten Sie denn seine Äußerungen?
    "Die Eignung als Kommissar ist nicht in Frage gestellt"
    Ferber: Noch mal: Es sind seine privaten Äußerungen gewesen, für die er sich entschuldigt hat. Ich akzeptiere diese Entschuldigung und darum habe ich hier keine weitere Bewertung vorzunehmen.
    Kaess: Dennoch würde mich die Interpretation von Ihrer Seite noch ein bisschen mehr interessieren. Diese Entschuldigung, die kam ja erst nach Rücktrittsforderungen und auch erst eine Woche später. Was sagt das denn über Herrn Oettinger? Sie kennen ihn ja. Hat er da keine Einsicht? Hat er kein Bewusstsein? Hat er kein Gespür für das, was man in der Öffentlichkeit sagt?
    Ferber: Zunächst einmal möchte ich doch dagegen sprechen, dass es in der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Wer sich dieses YouTube-Video angeschaut hat, der sieht, dass es durch eine Tür hindurch gemacht wurde und quasi eine Nichtöffentlichkeit öffentlich gemacht wurde. Das ist auch eine Frage des Veranstalters …
    Kaess: Es war eine Rede vor Unternehmern.
    Ferber: Ja noch mal: Es war eine nichtöffentliche Veranstaltung, die durch dieses YouTube-Video öffentlich gemacht wurde. Das entschuldigt nicht die Äußerungen. Dafür hat er sich entschuldigt. Aber ich wehre mich dagegen, dass er sie im öffentlichen Raum gemacht hat.
    Kaess: Aber, Herr Ferber, wir können trotzdem an dieser Stelle festhalten: Man muss sich als EU-Kommissar nicht politisch korrekt verhalten, selbst bei rassistischen Äußerungen hat man weiter beste Karrierechancen?
    Ferber: Frau Kaess, das ist Ihre Interpretation, der ich mich wirklich nicht anschließe. Wir haben heute zu prüfen, ob Herr Oettinger für das Dossier als Haushaltskommissar und als Personalkommissar geeignet ist. Das wird der Ausschuss mit allen notwendigen Fragen und allen notwendigen Diskussionspunkten leisten. Und dann haben wir eine Bewertung vorzunehmen. Die Eignung als Kommissar ist nicht in Frage gestellt, sonst hätte es einen Misstrauensantrag gegen Herrn Oettinger gegeben.
    Kaess: Dann schauen wir noch auf den umstrittenen Flug. Die EU-Kommission hat Oettinger hier das Vertrauen ausgesprochen und bescheinigt, er habe keine Ethikregel der Behörde verletzt. Welches Licht lässt das auf die EU-Kommission fallen?
    Ferber: … dass die EU-Kommission ihre Aufgabe erfüllt hat zu überprüfen, ob hier eine Verletzung der Regeln vorliegt oder nicht. Wir haben als Parlament diese Regeln festgelegt. Wir haben die Kommission beauftragt, auf die Einhaltung der Regeln zu achten. Dafür gibt es beim Präsidenten angesiedelt eine eigene Einheit, die das zu tun hat. Die hat den Fall geprüft und insofern weiß ich nicht, warum das Parlament, das selber die Regeln gesetzt hat, dann sagt, das gefällt mir aber nicht und jetzt erfinde ich neue Regeln. Das halte ich in einem Rechtssystem für keine geeignete Maßnahme. Man kann die Regeln gerne überprüfen und überarbeiten für die Zukunft, wenn einem das notwendig erscheint. Die Diskussionen finden ja permanent bei uns im Parlament statt, auch was Transparenzregeln an uns selber betrifft. Wir haben sie erst im Dezember verschärft mit der Änderung der Geschäftsordnung. Aber rückwirkend Regeln zu ändern, ist einem Rechtssystem eigentlich regelwidrig.
    "Herr Oettinger hat dem europäischen Steuerzahler Kosten erspart"
    Kaess: Es geht ja gar nicht um eine neue Regel. Die Regel ist ja klar. Die besagt, kein Geschenk über 150 Euro, und ein Flug in einem Privatjet dürfte wahrscheinlich darüber liegen.
    Ferber: Aber die Frage ist doch, ist das ein Geschenk im Sinne dessen, dass hier eine Einflussnahme stattfindet, oder war es eine Dienstleistung, die zur Verfügung gestellt wurde, dass Herr Oettinger einen Termin im Auftrag der Kommission als zuständiger Kommissar mit ungarischen Regierungsvertretern - er war ja nicht bei einer Lobby-Veranstaltung, er war bei einer Regierungsveranstaltung - wahrnehmen konnte. Mit den regulären Linienflügen hätte er es nicht leisten können und der Vorschlag kam ja nicht von ihm oder vom Unternehmer, sondern von der ungarischen Regierung. All das ist geprüft worden und darum wehre ich mich dagegen, da jetzt einen Fall zu konstruieren. Herr Oettinger war transparent in all diesen Fragen und insofern sind die Regeln eingehalten worden.
    Kaess: Aber, Herr Ferber, die Interpretationen sind ja ganz offenbar unterschiedlich und wir leben in Zeiten großer EU-Skepsis bei breiten Teilen der Bevölkerung. Tragen Vorfälle wie die um Oettinger zu dieser Skepsis bei?
    Ferber: Da müssen wir jetzt schon ein bisschen unterscheiden. Schauen Sie, jedes Regierungsmitglied der Bundesrepublik Deutschland hat Zugriff auf die Luftwaffen-Maschinen und kann unabhängig von Fluglinien und Flugplänen die Termine wahrnehmen. Die Europäische Kommission hat keine Flugbereitschaft, sondern ist auf Linienflüge angewiesen, soll aber in ganz Europa präsent sein, soll sich sehen lassen, soll mit den Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch sein, soll die Aufgabe wahrnehmen. Und dass es da manchmal zu Problemen kommt, das haben wir schon in vielen Jahren gehabt. Ich erinnere mich noch gut an einen Parlamentspräsidenten, der mit einem Charterflug geflogen ist, wo ich auch mal - ich war mal im Haushaltsausschuss - Nachfragen gestellt habe, und auch da hieß es, alles ist regelkonform. Wir müssen uns einfach mit der Frage beschäftigen: Wollen wir, dass die gesamte EU-Kommission nur in Brüssel sitzt, oder wollen wir, dass sie auch rausgeht, Termine wahrnimmt, Gespräche führt, mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt ist, mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten in Kontakt ist und dass sie das auch leisten kann. Und wer die zweite Frage mit Ja beantwortet, …
    Kaess: Das kann man ja normalerweise auch anders als im Privatjet.
    Ferber: Was gibt es denn noch für Alternativen, Frau Kaess? Da gibt es nicht mehr viel. Es gibt die Chartermöglichkeit, die kostet ein Vermögen im Verhältnis zu dem, und insofern hat Herr Oettinger dem europäischen Steuerzahler Kosten erspart.
    Kaess: Bleibt zum Schluss noch kurz die Frage: Fürchtet sich Kommissionschef Juncker so sehr vor der Anhörung im Parlament, dass er Oettinger schon vor der Anhörung - es ist ja eine Aussprache, muss man eigentlich sagen - befördert hat? Es gibt da die Kritik aus der SPD, Junckers Entscheidung grenze an einer Missachtung des Parlaments. Fühlen Sie sich als EU-Parlamentarier übergangen?
    Ferber: Den Ball spiele ich gerne an die Sozialdemokraten zurück. Wir wissen seit über zweieinhalb Monaten, dass die Position neu besetzt werden muss, und es waren die Sozialdemokraten, die sich bisher verweigert hatten, eine Prozedur zu entwickeln, wie Herr Oettinger anzuhören ist. Deswegen findet es erst jetzt statt und nicht wie ursprünglich vorgesehen im vergangenen Jahr. Und auch hier hat der Kommissionspräsident sich an die Regeln gehalten. Er muss das Portfolio besetzen. Eine Europäische Union ohne Haushaltskommissar geht nicht. Und insofern habe ich da wenig Verständnis für die Kritik aus der Sozialdemokratie, die selber eine Anhörung im letzten Jahr nicht befördert haben.
    Kaess: Markus Ferber von der CSU, im Europäischen Parlament stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
    Ferber: Gerne, Frau Kaess.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.