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Brunnhuber: Bei der GDL muss wieder Vernunft einkehren

Der CDU-Politiker Georg Brunnhuber, Mitglied des Aufsichtsrats Deutsche Bahn, hat an das Verantwortungsgefühl der Lokführergewerkschaft GDL appelliert. Die GDL gefährde mit ihrem Streik sehenden Auges den mühsam aufgebauten wirtschaftlichen Aufschwung vor allem in den neuen Bundesländern. Brunnhuber forderte die GDL auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Bahn habe genügend neue Angebote gemacht.

Moderation: Christian Schütte |
    Christian Schütte: Der Tarifstreit bei der Bahn steuert auf eine beispiellose Eskalation zu. Das waren vor einigen Tagen, also vor dem aktuellen Streik, die Worte von Georg Brunnhuber, Verkehrsexperte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und Mitglied im Aufsichtsrat der Bahn. Mit ihm sind wir nun verbunden. Guten Morgen Herr Brunnhuber!

    Georg Brunnhuber: Guten Morgen Herr Schütte.

    Schütte: Ist die beispiellose Eskalation zwischen Bahn und GDL jetzt da?

    Brunnhuber: Sie ist wahrscheinlich noch nicht einmal ganz da. Es war schon ziemlich heftig, was wir in diesen Stunden und Tagen erleben, aber ich befürchte, dass es nochmals heftiger werden könnte, sollte sich die GDL nicht am Wochenende zu Gesprächen bereit erklären.

    Schütte: Was heißt, es könnte noch heftiger werden?

    Brunnhuber: Was man heute und auch in den letzten Tagen schon gehört hat von den GDL-Spitzen, dass sie einen unbefristeten Streik planen. Dann wird es natürlich noch heftiger.

    Schütte: Die Bahn hat Klage eingereicht beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Die GDL soll fünf Millionen Euro Schadenersatz zahlen wegen des Warnstreiks im Juli. Führt der Weg über die Gerichte zu einer Annäherung beider Seiten?

    Brunnhuber: Hier geht es natürlich auch zusätzlich um ein gewisses Druckmittel, denn Warnstreiks dürfen eben nicht dazu führen, dass Züge ohne Vorwarnung plötzlich vor dem Bahnhof halten, die Leute aussteigen müssen auf freien Gleisen. Das ist eher eine Nebensache. Natürlich hat die Bahn damit auch im Hinterkopf sicherlich, der GDL nochmals aufzuzeigen, dass hier nicht die GDL einseitig dauernd Druck ausüben kann, sondern dass auch die Bahn das eine oder andere noch im Köcher hat, wobei das alles natürlich nicht zum Ergebnis führt. Ich bin überzeugt, würden wir nur übers Geld reden und über Arbeitsbedingungen, wären wir schon lange an einem guten Ende. Aber es geht den GDL-Funktionären eben nicht nur ums Geld, sondern es geht ihnen hauptsächlich um diesen eigenen eigenständigen Tarifvertrag. Und hier sagt die Bahn zurecht nein, unterstützt von der gesamten deutschen Wirtschaft und der gesamten deutschen Politik und aller deutschen Gewerkschaften. Weil wenn drei Prozent - und mehr vertritt die GDL nicht - der Gesamtbelegschaft bei der Bahn den ganzen deutschen Wirtschaftsraum lahmlegen kann, dann sieht man, dass das für unsere Wirtschaft nicht besonders gut wäre, wenn man da hier nachgibt.

    Schütte: Sie sagen auf der einen Seite verklagen und verhandeln, das geht eigentlich nicht richtig zusammen. Trotzdem sollte die Bahn hier ein bisschen Druck aufbauen. Trotzdem sind die Positionen ja festgefahren. Welche Alternativen sehen Sie, damit beide Parteien jetzt zu einer Lösung kommen?

    Brunnhuber: Viele Alternativen gibt es nicht. Ich könnte mir denken, dass man bei der Bahn im Vorstand nochmals überlegt, ob man nicht vielleicht noch ein Angebot über Geld und entsprechende Leistungen im Tagesablauf und in der Arbeitszeit macht. Das ist sicherlich für den einzelnen Lokomotivführer sehr viel attraktiver, denn dem könnte es ja eigentlich egal sein, über welchen Tarifvertrag er das bekommt. Aber ich befürchte, weil das auch heute im Fernsehen - ich habe das den ganzen Morgen verfolgt - bei den Funktionären der GDL plötzlich keine Rolle mehr spielt, mehr Geld, sondern nur noch der eigene Tarifvertrag. Ich hoffe, dass irgendwann die Lokomotivführer und ihre Familien sagen, das ist doch ein Quatsch, was ihr macht, wenn wir so viele gute Angebote bekommen, zehn Prozent, 2000 Euro sofort auf die Hand noch vor Weihnachten, bessere Arbeitsbedingungen, dass dann irgendwann auch die GDL-Funktionäre erkennen müssen: Die Tarifgemeinschaft im Unternehmen ist ein so hohes Gut, dass man die nicht aufgeben kann. Da stärken wir auch dem Bahnvorstand, die gesamte Politik, den Rücken. Das wäre eine fatale Fehlentwicklung der deutschen Wirtschaft.

    Schütte: Nun müssen die beiden aber erst mal ins Gespräch miteinander kommen und welche Möglichkeiten sehen Sie da? Könnte es jetzt ein neues Schlichtungsverfahren geben?

    Brunnhuber: Das ist etwas, was mich umtreibt. Ich habe da größere Hoffnungen. Wenn jetzt an diesem Wochenende wieder nichts passiert, wenn die GDL nicht bereit ist, einfach mal unter vier oder sechs oder acht Augen in einem besonderen Rahmen mal zu verhandeln und zu sagen, das und das passt uns an dem Angebot nicht, oder wenn ihr das und das noch zusätzlich macht, wären wir auch kompromissbereit, solange das nicht passiert, wird gar nichts passieren. Da bin ich der Meinung, vielleicht gibt es irgendwann einfach dann den Punkt, dass beide Seiten das Gesicht wahren können, dass man vielleicht einen objektiven Moderator einschaltet, ob das ein Schlichter ist oder nicht. Den gäbe es sicherlich in Deutschland. Es gibt Persönlichkeiten. Aber nicht zwei. Das hat es schon im Herbst gezeigt. Mit zwei unterschiedlichen Positionen liest jeder am Schluss aus dem Vertrag heraus, was ihm gerade gefällt. Es kann nur einer sein, und der schlägt es durch und sagt so, das ist es jetzt, das müsst ihr unterschreiben.

    Schütte: Margret Suckale aus dem Bahnvorstand hatte vor einiger Zeit eine weitere Mediation ausgeschlossen. Da müssen Sie vielleicht noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten.

    Brunnhuber: Ja. Man kann nur ein Schlichtungsgespräch oder auch andere Moderatoren oder Mediatoren einsetzen, wenn beide Partner bereit sind. Es hat momentan gar keinen Sinn, sich mit der GDL darüber zu unterhalten, weil die bei weitem noch nicht so weit sind. Aber ich würde jetzt auch aus der politischen Ecke heraus nicht ganz ausschließen wollen, dass am Schluss irgendwann diese Notwendigkeit im Hause steht. Weil wir müssen gucken, dass wir nicht die ganze Volkswirtschaft, vor allen Dingen nicht den wirtschaftlichen Aufschwung gefährden. In den neuen Bundesländern, im Osten haben wir ja schon die Situation, dass fast kein Rad sich mehr dreht. Ein bisschen mehr Verantwortungsgefühl haben auch die drei Herren in der Gewerkschaftsspitze bei der GDL auf den Tisch zu legen. Denn sehenden Auges alles kaputt zu machen, was wir jetzt gerade in zwei Jahren mühsam an Wirtschaftsaufschwung gewonnen haben, das ist in meinen Augen nicht gerechtfertigt. Wie gesagt nochmals der Hinweis: Drei Prozent der Bahnbeschäftigten sind nur bei der GDL. Ich finde, da muss auch schon einmal jetzt die Vernunft bei der GDL wieder einkehren und sagen jawohl, wir verhandeln weiter, und dann sieht man, wo man bleibt. Aber nicht einfach übers Fernsehen ständig mitteilen, wir kommen nicht an den Verhandlungstisch, Bahn, mach noch mal ein Angebot. Wir haben jetzt fünf Angebote gemacht. Irgendwo sind auch da beim Vorstand gewisse Grenzen erreicht.

    Schütte: Der Aufsichtsrat der Bahn, dem Sie angehören, hat sich gestern demonstrativ hinter den Konzernchef Hartmut Mehdorn gestellt. Das haben Sie gerade selbst noch erwähnt. Hat er dieses Signal gebraucht, um gestern seit langem wieder öffentlich Stellung zu beziehen?

    Brunnhuber: Nein, aber der Vorstand hat natürlich nur dann Handlungsvollmacht, wenn der Aufsichtsrat diese Grundsatzentscheidungen absegnet. Das haben wir vor ein paar Wochen gemacht, als der Bahnvorstand uns die Streikmaßnahmen der GDL schilderte, und da haben wir ihm den Auftrag gegeben. Klare Kante: auf keinen Fall einen eigenständigen Tarifvertrag. Gestern hat der Aufsichtsrat den Kurs der Bahn und des Bahnvorstandes schlichtweg einfach nochmals genehmigt und ihn unterstützt, weil wir der Meinung sind: Nachdem die Frau Suckale und der Herr Mehdorn die ganze Historie der verschiedenen Angebote dargestellt haben im Aufsichtsrat, da wundert man sich, dass die GDL noch nicht einmal bereit ist, sich an den Tisch zu setzen, denn man hat sehr viel erreicht auch von Seiten der GDL in den letzten Wochen. Ja man hat sogar erreicht, dass der eigenständige Vertrag möglich ist, wenn sie bereit sind, den ins Tarifgeflecht der Bahn insgesamt einbinden zu lassen. Aber auch das ist den Herren offensichtlich zu wenig gewesen, so dass sie noch nicht einmal mit Gesprächen am Tisch bereit waren, darüber zu reden. Ich habe volles Verständnis, wenn die Bahn und der Bahnvorstand jetzt nicht wieder ins Blaue hinein ein neues Angebot machen, das dann sozusagen mit einem Federstrich zehn Minuten später als unzumutbar zurückgewiesen wird. Ich glaube schon, dass jetzt einfach auch bei der GDL klar sein muss: es gibt nur überhaupt Fortschritte, wenn sie bereit sind, an den Verhandlungstisch zu kommen. Ja wo sind wir denn in diesem Land, dass man noch nicht einmal mehr bereit ist, von Seiten einer kleinen Gewerkschaft sich mit seinem Unternehmensvorstand zu unterhalten. Da kann man ja dann auch noch Dinge zurückweisen. Aber überhaupt nicht mehr bereit zum Gespräch zu sein, das halte ich nun wirklich für den allerschlechtesten Stil in einer Situation, wo wir Deutschland mit diesem Streik langsam in eine konjunkturelle Schwierigkeit führen. Ich glaube, auch da sind die Verantwortlichen bei der Lokführergewerkschaft einfach gefordert.

    Schütte: Georg Brunnhuber, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Verkehrsausschuss und Mitglied im Aufsichtsrat der Bahn. Ich danke für das Gespräch.

    Brunnhuber: Bitte schön!