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Bryan "Beau" Brummell
Die Lebensart zum Lebenssinn gemacht

George "Beau" Brummell war nicht der erste, den man anerkennend "Beau", Schönling, nannte. Aber er trieb das Berufsbild auf die Spitze. Das und seine posthume Adelung zum Repräsentanten eines erlöschenden Zeitalters, machten ihn legendär und seinen Namen sprichwörtlich. Er selbst starb im Elend, vor 175 Jahren.

Von Beatrix Novy | 30.03.2015
    Szenenbild aus dem Film "Beau Brummell" mit Elizabeth Taylor und Steward Granger.
    George "Beau" Brummell wurde als Dandy zur Legende, sein Leben lieferte den Stoff für Filme etwa mit Elizabeth Taylor und Steward Granger. (imago / EntertainmentPictures)
    "Am Montag, den 30. März 1840 wurde er tot, mit dem Gesicht zur Wand, in seinem Bett gefunden. Beim Begräbnis auf dem Friedhof Rue du Magasin à Poudre war außer den beiden Bestattern und dem englischen Pfarrer der Vizekonsul anwesend."
    In einer Heilanstalt im nordfranzösischen Städtchen Caen endete das Leben des George Bryan Brummell, genannt Beau Brummell. Und hätte es anders enden können? Im glanzvollen Leben der Kunstfigur, als die er sich erfunden hatte, in dieser perfekten Apotheose gut aussehender Nichtigkeit, die sich zum Maß aller Dinge macht, waren Alter oder Armut undenkbare Zustände. Schon die Banalität eines bescheiden-zufriedenen Lebensabends wäre der Todesstoß gewesen für das Image des Beau, des Schönlings. Des Dandys, dessen Lebenssinn die Lebensart ist.
    George Bryan Brummell, geboren 1778 in London, war der Mode ergeben, aber er folgte ihr nicht; er machte sie. Er sorgte dafür, dass lange Hosen mit Schlag sich durchsetzten, als Männer noch in den Kniebundhosen des 18. Jahrhunderts herumliefen. Seine Art, das Halstuch zu binden, beruhte auf langwierigen Experimenten. Seine mehrstündige Morgentoilette, mit einem damals ungewohnten Ausmaß an hygienischen Vorkehrungen, lief auf ein denkbar einfaches Ergebnis hinaus. "Gut gekleidet sein, heißt nicht auffallen."
    Aufstieg und Niedergang ein Faszinosum
    Wenn Brummell sich für den Tag fertigmachte, wohnten Freunde und Verehrer dem Ereignis bei, unter ihnen Lord Byron und der englische Thronfolger. Eine aristokratische Sitte. Nur: Brummell war gar kein Aristokrat. Es war der Enkel eines Kaufmanns, der die grotesk standesbewusste englische Oberklasse jahrelang in Schach hielt.
    "Von 1799 bis 1814 hat es in London keine Festlichkeit gegeben, wobei nicht die Anwesenheit des großen Dandys als ein Triumph, seine Abwesenheit als eine Katastrophe betrachtet worden wäre", schrieb der französische Schriftsteller Jules Barbey d’Aurevilly in seiner frühen Brummell-Biografie - einer von vielen. Denn Brummells Aufstieg und Niedergang war schon seinen Zeitgenossen ein Faszinosum. Sein Vater war der vermögende Privatsekretär eines Lords. Beide Eltern starben früh, Brummell bekam die beste Erziehung in Eton und Oxford, schlug halbherzig die Militärkarriere ein, die ihn trotz Pferd und Uniform nur mäßig interessierte, und warf sie wieder hin, als er ins öde Manchester versetzt werden sollte. Da hatte er bereits die Bekanntschaft des Thronfolgers gemacht. Der Beginn einer Freundschaft, die bis heute in Büchern, Filmen und Fernsehserien nachwirkt. "Mister Beau Brummell for the prince! Beau Brummell for the prince!"
    Antithese zur Herrschaft modernen Nutzdenkens
    Perfektes Benehmen und Eleganz kleidete der Emporkömmling in eine unerschütterlich coole Attitüde - und eine kompromisslose Frechheit, die fast alle traf; geradezu begierig schien die bessere Gesellschaft sich mit hochnäsigen Gesten und Sprüchen demütigen zu lassen. Wenn er die übertrieben sorgfältige Untersuchung des Mantels, auf den ein junger Adliger stolz war, mit den Worten beendete: "Das nennen Sie einen Mantel?" glaubten seine Zeitgenossen schon ein Bonmot gehört zu haben. In der Beziehung zum späteren König George IV. profitierte einer von des anderen Aura, aber zu Brummells Rolle gehörte es, selbst hier den Überlegenen zu geben.
    "Ich habe ihn zu dem gemacht, was er ist, ich kann ihn auch wieder absetzen", soll er gesagt haben. Die realen Machtverhältnisse lagen aber anders. Brummells Witze über Georges zunehmende Leibesfülle, seine Häme gegen dessen offizielle Geliebte blieben nicht ohne Folgen. Der Prinz ließ ihn fallen, die Aura wurde rissig. Noch verhängnisvoller: Brummell, hatte sich am Spieltisch der reichen Müßiggänger ruiniert, die Gläubiger waren hinter ihm her.
    Doch Brummell blieb Brummell. Auch, als er 1816 über Nacht flüchten musste und im
    französischen Calais hängenblieb. "Sagt nicht alle Welt, dass ein Gentleman seine Zeit sehr angenehm zwischen Paris und London zubringen kann?" Notdürftig unterstützt von alten Freunden, lebte Beau Brummell noch 24 Jahre. Baudelaire feierte ihn wenige Jahre nach seinem Tod als Heros der vergehenden aristokratischen Ära, die offensive Zwecklosigkeit der Dandy-Existenz erschien als Antithese zur Herrschaft modernen Nutzdenkens. Der Mythos Beau Brummell war geboren.

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