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Brysch: Bahr muss den Sumpf bei Organspenden trockenlegen

Eugen Brysch fordert Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf, zügig ein Konzept vorzulegen, wie künftig die Arbeit von Transplantationszentren kontrolliert werden könne. Der Chef der Deutschen Hospiz Stiftung befürwortet, externe Berater einzusetzen, um Unregelmäßigkeiten wie in Göttingen oder Regensburg zu vermeiden.

Eugen Brysch im Gespräch mit Christine Heuer | 02.08.2012
    Christine Heuer: Und im Regensburger Organspendeskandal ermittelt seit heute die Staatsanwaltschaft, das betroffene Klinikum hat Strafanzeige gegen einen Oberarzt gestellt. Ich möchte das Thema jetzt vertiefen im Gespräch mit Eugen Brysch, er ist der geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation deutsche Hospiz Stiftung. Guten Tag, Herr Brysch!

    Eugen Brysch: Guten Tag, liebe Frau Heuer!

    Heuer: Göttingen und Regensburg - an beiden Kliniken hat derselbe verdächtige Arzt gearbeitet. Können wir daraus schließen, es handelt sich weiterhin nur um Einzelfälle?

    Brysch: Es kann sich ja nicht um Einzelfälle handeln, weil jeder weiß mittlerweile, dass es nicht nur ein Arzt war, sondern dass es tatsächlich ein Prinzip gegeben haben muss, wo alle mitgemacht haben. Und wir fordern deshalb auch ganz konkret, wir müssen untersuchen in Deutschland, ob bei den anderen Transplantationszentren - davon haben wir 50 in Deutschland - auch solche Prinzipien gegolten haben. Und wir wollen auch wissen, wie viele Auslandskontakte hat es dort gegeben.

    Heuer: Lassen Sie uns kurz auf Deutschland schauen. Haben Sie Hinweise darauf, dass es auch in anderen Kliniken solche Fälle gegeben hat?

    Brysch: Wir wollen Aufklärung darüber und sagen, auch hier muss ermittelt werden, ob es Auffälligkeiten gibt, sowohl in Bezug auf die Manipulation der Krankendaten - das lässt sich relativ einfach feststellen, weil insgesamt wird nur der Leberwert übermittelt, der dann letztendlich auch einen besonderen Wert für die Transplantation anmacht, Harnstoffwerte nicht, die liegen oft noch zehn, zwölf Jahre in den Akten herum, und wir sagen, dort hineinschauen, um dann zu kontrollieren, gibt es Widersprüchlichkeiten.

    Heuer: Deutschland - Sie haben das angesprochen, Herr Brysch - ist ja bei Organspenden abhängig vom Ausland. Was bringt dann die beste Kontrolle im Inland?

    Brysch: Ich glaube, wir brauchen ein System, das im Großen und Ganzen vielen Dingen erhaben ist. Wir haben schon Schwierigkeiten, wenn wir erfahren, dass private Vermittlungsagenturen gegen Honorarabrechnung an deutsche Transplantationszentren ausländische potenzielle Organempfänger vermitteln. Wir fragen natürlich, was zahlen diese Menschen den Agenturen, wie hoch sind die Honorare, die unsere Transplantationszentren dann abfordern den privaten und ausländischen Hilfesuchenden.

    Heuer: Ja, aber wie kann man denn die Kontrolle aufs Ausland dann ausweiten? Die Fragen stellen sich viele.

    Brysch: Ich denke mal, all das, was wir fragen, stellt sich hier in Deutschland, und der Bundesgesundheitsminister Bahr ist gefordert, diesen Sumpf auch in Deutschland trocken zu legen. Wenn ich erfahre, dass in August wieder die gleichen Experten darüber nachdenken wollen, wie man das in Zukunft verhindern kann und verändern kann, dann weisen wir darauf hin, wir brauchen externe Berater, wir brauchen auch Kritiker des Organspendesystems, um für Transparenz zu sorgen. Was wir wollen, ist ja, dass die Menschen überzeugt sagen, ja, ich will Organspender werden. Ich vertraue dem System, und ich sage dem Bundesgesundheitsminister Bahr, wenn er wieder die gleichen Leute einlädt, man kann keinen Sumpf trockenlegen und Rücksicht auf die Frösche nehmen.

    Heuer: Den Sumpf trockenlegen will die Deutsche Hospiz Stiftung, wenn ich das richtig verstanden habe, auf die Art und Weise, das Organspenden insgesamt staatlich zu organisieren. Sind Staatsmitarbeiter nicht bestechlich, Herr Brysch?

    Brysch: Also liebe Frau Heuer, wir haben hier ein hohes verfassungsrechtliches und ethisches Prinzip. Und wem soll die Bevölkerung mehr vertrauen als staatlichen Organisationen? Der Staat ist dann zuständig, wenn sich Schwache selbst nicht organisieren können. Dies privat zu organisieren wäre doch in jeder Hinsicht etwas am Prinzip vorbei, und wir sagen, wenn diese drei privaten Organisationen das bisher getan haben, und das nicht so lief, wie es eigentlich laufen muss, wird es Zeit, dass der Staat die Verantwortung für die Schwachen übernimmt. Und deswegen muss Bahr ziemlich zügig auch ein Konzept vorlegen, wie es darum geht, über eine Behörde und damit auch kontrolliert durch den Bundestag, immerhin unser höchstes Gremium, das wir in Deutschland haben, solche ethischen Fragen weiterzuentwickeln, durch eine Behörde letztendlich dieses System, das Organspendesystem in Deutschland auf gute, tragfähige Füße zu stellen.

    Heuer: Das heißt dann in der Folge aber auch, dass Sie dafür sind, die Deutsche Stiftung Organspende aufzulösen.

    Brysch: Ich glaube, es wird nur so gehen. Es wird natürlich auch darüber hinaus mit den Mitarbeitern weiterhin zu arbeiten sein, aber ich glaube, wir brauchen einen direkten Zugriff, auch parlamentarischen Regierungszugriff auf dieses System. Herr Bahr fordert beispielsweise jetzt durchzugreifen. Er selber hat gar keine Möglichkeit, in diesem System durchzugreifen, weil diese privaten Organisationen das intern regeln. Es ist zwar schön zu fordern, man soll den Menschen, den Ärzten die Approbation entziehen, aber selbst dafür hat Herr Bahr keine Möglichkeiten, weil diese Verantwortung liegt bei den Bezirksregierungen.

    Heuer: Herr Brysch, zum Schluss - warum glauben Sie eigentlich, sind die deutschen Parteien, sind die deutschen Politiker so zögerlich darin, ihre Forderungen zumindest in der Diskussion ernsthaft aufzugreifen? Man hat ja doch den Eindruck, da wird immer eher abgewiegelt.

    Brysch: Ja, Frau Heuer, Sie haben recht. Das letzte Jahr stand unter dem Prinzip Augen zu und durch, wir wollen nichts hören. Sowohl Herr Kauder als auch der SPD-Fraktionsvorsitzende haben mit aller Gewalt jede Diskussion verhindert, weil es geht um ein Prinzip, wo es um Gerechtigkeitsfragen geht, und natürlich möchten ...

    Heuer: Aber warum verhindern die das, Herr Brysch?

    Brysch: Ja, ich kann Ihnen auch sagen, weil wenn diese Gerechtigkeitsfragen dann nicht privat delegiert, sondern im Parlament verantwortet werden müssen, dann muss das auch breit diskutiert werden. Da muss die Frage gestellt werden, ob Dringlichkeit und Erfolgsaussicht in jeder der Organentnahmen ein richtiges Prinzip ist, dann müssen die Parlamentarier dafür öffentlich Verantwortung übernehmen. Zurzeit brauchen sie das nicht, delegieren es weg, aber ich glaube, diese Deregulierung, diese private Organisation, führt nicht dazu, dass wir das, was wir brauchen, nämlich Vertrauen bei der Bevölkerung, tatsächlich erreichen.

    Heuer: Eugen Brysch, der geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung. Ich danke Ihnen für das Interview, Herr Brysch.

    Brysch: Alles Gute!

    Heuer: Ihnen auch!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.