Jochen Spengler: Am Telefon ist nun Frank Bsirske, der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Einen schönen guten Morgen, Herr Bsirske!
Frank Bsirske: Schönen guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Bsirske, wird die große Koalition die Gewerkschaften eher zum Gegner oder eher zum Unterstützer haben?
Bsirske: Das hängt ganz davon ab, wie sie sich politisch aufstellt. Im Moment können wir, glaube ich, einige positive Elemente verzeichnen. Ich denke daran, dass die Verbindlichkeit von Tarifverträgen politisch nicht angetastet wird. Ich sehe auch den Atomausstieg auf dieser Seite der Bewertung. Die Nachtschicht- und Feiertagszuschläge werden nicht besteuert. Und es gibt mindestens den Versuch im Bereich energetischer Sanierung der Mittelstandsförderung Wachstumsimpulse zu setzen. Das ist positiv. Und auf der anderen Seite gibt es gegenläufige Übereinkünfte, die darauf hinauslaufen das Einkaufen teurer zu machen, den Lohndruck zu steigern, Rentenverluste zu programmieren und sozial weiter zu entsichern und auch die öffentlichen Haushalt als Wachstumsimpulsgeber zu schwächen. Das ist problematisch. Und wie das zueinander im Verhältnis steht, das wird man dann, wenn die Koalitionsvereinbarung vorliegt letztlich zu bewerten haben.
Spengler: Wenn wir mal konkret werden und über den Kündigungsschutz sprechen, es soll bei Neueinstellungen künftig möglich sein, eine Probezeit von 24 Monaten zu vereinbaren. Das trifft auch auf Ihre Zustimmung?
Bsirske: Das trifft auf unsere Zustimmung unter keinen Umständen. Das läuft ja darauf hinaus, den Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch weiter zu erhöhen. Man kann praktisch zum Monatsende zwei Jahre lang gekündigt werden. Das ist soziale Entsicherung, ohne dass damit die Aussicht einhergeht, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Denn alle Untersuchungen, die es zu diesem Thema gibt haben gezeigt: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Beschäftigungsaufbau und Lockerung des Kündigungsschutzes.
Spengler: Nun kritisieren Konservative, dass eigentlich sich durch diese Regelung gar nicht viel ändere, weil auch jetzt schon für Arbeitgeber die Möglichkeit bestehe einen neuen Arbeitsvertrag befristet auf zwei Jahre abzuschließen. Da ist der Unterschied dann gar nicht mehr so groß, sagen die.
Bsirske: Das stimmt. Der Unterschied liegt im Grunde in den Kündbarkeiten. Mit einer auf zwei Jahre verlängerten Probezeit kann praktisch zum Monatsende jederzeit gekündigt werden. Mit einer Befristung hat man Kündigungsschutz über den Zeitraum der Befristung hinweg. Dann allerdings gibt es die Unsicherheit. Und das war bereits ein Stück Verunsicherung, diese Verunsicherung wird jetzt noch mal weiter gesteigert, indem praktisch die Kündigungsfristen monatlich zugelassen werden.
Spengler: Und Sie gehen nicht davon aus, Herr Bsirske, dass wenn die Arbeitgeber nun nicht mehr das Risiko haben einen ein mal Eingestellten, der vielleicht nicht so gut in ihr Konzept passt, der vielleicht auch nicht so gut ist, nicht wieder los zu werden, dass dann doch mehr Arbeitnehmer eingestellt werden?
Bsirske: Ich glaube, dass das eine Legende ist, dass schlecht Arbeitende oder Arbeitsunwillige sozusagen nicht gekündigt werden könnten. Das Gegenteil ist der Fall. Hier gibt es viele Mythen, hier gibt es viele Legenden. Und was es auf jeden Fall nicht gibt, ist ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen gelockerten Kündigungsschutz und Beschäftigungsaufbau. Alle Maßnahmen zur Lockerung des Kündigungsschutzes in den letzten Jahren haben nicht zu einem Mehr an Beschäftigung geführt und so wird das diesmal auch der Fall sein. Ich setze allerdings darauf, dass die Ankündigung von Franz Müntefering gestern Abend, hier dieses Thema noch mal zu problematisieren, dann nicht nur, dass sie ernst gemeint ist und dies noch mal Gegenstand der Beratung in der Koalition wird.
Spengler: Was halten Sie davon, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werden soll? Das heißt ja mehr Geld in der Tasche des Arbeitnehmers.
Bsirske: Ja, wobei man dann gucken muss, wie das zustande kommt. Wir haben ja eine geradezu skandalöse Entwicklung was die Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesagentur angeht. Die sind auf ein Drittel der Werte von vor drei Jahren gesunken. Und das in einer Situation, wo wir dringend auf Weiterbildung angewiesen sind, um Qualifikation zu erhalten, um Älteren zu ermöglichen, auch länger im Arbeitsleben bleiben zu können und das Thema Bildung und Weiterbildung im Beruf einen immer größeren Stellenwert erhält.
Spengler: Das heißt, Sie befürchten es gibt weniger Weiterbildung, wenn man den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung absenken würde?
Bsirske: Ja, da muss ja irgendwo gekürzt werden. Und die Gefahr ist sehr groß, dass bei Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung und aktiven Förderung von Arbeitslosen gekürzt wird. Und dann ist das Ganze eine Milchmädchenrechnung.
Spengler: Und wenn man die Mehrwertsteuer erhöhen würde dafür?
Bsirske: Das ist ja das, was im Wahlkampf angekündigt worden ist. Und zum Teil soll das ja wohl auch beabsichtigt sein. Nur zum jetzigen Zeitpunkt die Mehrwertsteuer zu erhöhen, zum jetzigen Zeitpunkt - zum jetzigen Zeitpunkt in einer Situation der Binnenmarktschwäche und der Konsumflaute das Einkaufen teurer zu machen, das halte ich nicht für angeraten. Das droht in Verbindung mit der forcierten Haushaltskonsolidierung, den verschärften Sparmaßnahmen in öffentlichen Haushalten, die Binnenkonjunktur zu drosseln. Und das ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen.
Spengler: Herr Bsirske, Änderungen soll es auch in Ihrem Bereich geben, im öffentlichen Dienst. Die Beamten sollen nämlich künftig nicht mehr bundeseinheitlich bezahlt werden, sondern jedes Bundesland soll selbst entscheiden, wie es seine Beamten entlohnt. Verstehen Sie das?
Bsirske: Ja, hier bricht sich ein Stück Eitelkeit und auch Prestige großer Ländern, Prestigestreben bei großen Ländern Bahn. Sinnvoll ist das nicht. Was wir kriegen werden, ist ein Besoldungswettlauf perspektivisch, der letztlich zu Lasten der ärmeren und der kleineren Länder ausgetragen zu werden droht. Und der zu einer sehr unterschiedlichen Entwicklung von Gehältern ja sogar von Versorgungsleistungen für die Beamten führen dürfte, je nachdem in der Kommune oder in der Landesverwaltung welchen Bundeslandes sie arbeiten. Das nützt der Fortentwicklung der Strukturen in diesem Bereich nicht und stellt in der Tat in Frage, was wir gemeinsam mit Otto Schily und den Kollegen vom Beamtenbund auf den Weg gebracht hatten. Nämlich eine wirklich ernsthafte Reform des Beamtenrechtes. Hier werden jetzt die Gewichte neu verteilt letztlich zu Lasten der Beschäftigten übrigens auch zu Lasten des Arbeitsmarktes, wenn das einhergeht mit Arbeitszeitverlängerung beim Bund. Auch das ist eine Entscheidung, die letztlich nicht der Sache dient, sondern dem Prestigestreben von verantwortlichen größeren Bundesländern. Das ist eine sehr fatale Entwicklung für den öffentlichen Dienst und seine Zukunft.
Frank Bsirske: Schönen guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Bsirske, wird die große Koalition die Gewerkschaften eher zum Gegner oder eher zum Unterstützer haben?
Bsirske: Das hängt ganz davon ab, wie sie sich politisch aufstellt. Im Moment können wir, glaube ich, einige positive Elemente verzeichnen. Ich denke daran, dass die Verbindlichkeit von Tarifverträgen politisch nicht angetastet wird. Ich sehe auch den Atomausstieg auf dieser Seite der Bewertung. Die Nachtschicht- und Feiertagszuschläge werden nicht besteuert. Und es gibt mindestens den Versuch im Bereich energetischer Sanierung der Mittelstandsförderung Wachstumsimpulse zu setzen. Das ist positiv. Und auf der anderen Seite gibt es gegenläufige Übereinkünfte, die darauf hinauslaufen das Einkaufen teurer zu machen, den Lohndruck zu steigern, Rentenverluste zu programmieren und sozial weiter zu entsichern und auch die öffentlichen Haushalt als Wachstumsimpulsgeber zu schwächen. Das ist problematisch. Und wie das zueinander im Verhältnis steht, das wird man dann, wenn die Koalitionsvereinbarung vorliegt letztlich zu bewerten haben.
Spengler: Wenn wir mal konkret werden und über den Kündigungsschutz sprechen, es soll bei Neueinstellungen künftig möglich sein, eine Probezeit von 24 Monaten zu vereinbaren. Das trifft auch auf Ihre Zustimmung?
Bsirske: Das trifft auf unsere Zustimmung unter keinen Umständen. Das läuft ja darauf hinaus, den Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch weiter zu erhöhen. Man kann praktisch zum Monatsende zwei Jahre lang gekündigt werden. Das ist soziale Entsicherung, ohne dass damit die Aussicht einhergeht, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Denn alle Untersuchungen, die es zu diesem Thema gibt haben gezeigt: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Beschäftigungsaufbau und Lockerung des Kündigungsschutzes.
Spengler: Nun kritisieren Konservative, dass eigentlich sich durch diese Regelung gar nicht viel ändere, weil auch jetzt schon für Arbeitgeber die Möglichkeit bestehe einen neuen Arbeitsvertrag befristet auf zwei Jahre abzuschließen. Da ist der Unterschied dann gar nicht mehr so groß, sagen die.
Bsirske: Das stimmt. Der Unterschied liegt im Grunde in den Kündbarkeiten. Mit einer auf zwei Jahre verlängerten Probezeit kann praktisch zum Monatsende jederzeit gekündigt werden. Mit einer Befristung hat man Kündigungsschutz über den Zeitraum der Befristung hinweg. Dann allerdings gibt es die Unsicherheit. Und das war bereits ein Stück Verunsicherung, diese Verunsicherung wird jetzt noch mal weiter gesteigert, indem praktisch die Kündigungsfristen monatlich zugelassen werden.
Spengler: Und Sie gehen nicht davon aus, Herr Bsirske, dass wenn die Arbeitgeber nun nicht mehr das Risiko haben einen ein mal Eingestellten, der vielleicht nicht so gut in ihr Konzept passt, der vielleicht auch nicht so gut ist, nicht wieder los zu werden, dass dann doch mehr Arbeitnehmer eingestellt werden?
Bsirske: Ich glaube, dass das eine Legende ist, dass schlecht Arbeitende oder Arbeitsunwillige sozusagen nicht gekündigt werden könnten. Das Gegenteil ist der Fall. Hier gibt es viele Mythen, hier gibt es viele Legenden. Und was es auf jeden Fall nicht gibt, ist ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen gelockerten Kündigungsschutz und Beschäftigungsaufbau. Alle Maßnahmen zur Lockerung des Kündigungsschutzes in den letzten Jahren haben nicht zu einem Mehr an Beschäftigung geführt und so wird das diesmal auch der Fall sein. Ich setze allerdings darauf, dass die Ankündigung von Franz Müntefering gestern Abend, hier dieses Thema noch mal zu problematisieren, dann nicht nur, dass sie ernst gemeint ist und dies noch mal Gegenstand der Beratung in der Koalition wird.
Spengler: Was halten Sie davon, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werden soll? Das heißt ja mehr Geld in der Tasche des Arbeitnehmers.
Bsirske: Ja, wobei man dann gucken muss, wie das zustande kommt. Wir haben ja eine geradezu skandalöse Entwicklung was die Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesagentur angeht. Die sind auf ein Drittel der Werte von vor drei Jahren gesunken. Und das in einer Situation, wo wir dringend auf Weiterbildung angewiesen sind, um Qualifikation zu erhalten, um Älteren zu ermöglichen, auch länger im Arbeitsleben bleiben zu können und das Thema Bildung und Weiterbildung im Beruf einen immer größeren Stellenwert erhält.
Spengler: Das heißt, Sie befürchten es gibt weniger Weiterbildung, wenn man den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung absenken würde?
Bsirske: Ja, da muss ja irgendwo gekürzt werden. Und die Gefahr ist sehr groß, dass bei Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung und aktiven Förderung von Arbeitslosen gekürzt wird. Und dann ist das Ganze eine Milchmädchenrechnung.
Spengler: Und wenn man die Mehrwertsteuer erhöhen würde dafür?
Bsirske: Das ist ja das, was im Wahlkampf angekündigt worden ist. Und zum Teil soll das ja wohl auch beabsichtigt sein. Nur zum jetzigen Zeitpunkt die Mehrwertsteuer zu erhöhen, zum jetzigen Zeitpunkt - zum jetzigen Zeitpunkt in einer Situation der Binnenmarktschwäche und der Konsumflaute das Einkaufen teurer zu machen, das halte ich nicht für angeraten. Das droht in Verbindung mit der forcierten Haushaltskonsolidierung, den verschärften Sparmaßnahmen in öffentlichen Haushalten, die Binnenkonjunktur zu drosseln. Und das ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen.
Spengler: Herr Bsirske, Änderungen soll es auch in Ihrem Bereich geben, im öffentlichen Dienst. Die Beamten sollen nämlich künftig nicht mehr bundeseinheitlich bezahlt werden, sondern jedes Bundesland soll selbst entscheiden, wie es seine Beamten entlohnt. Verstehen Sie das?
Bsirske: Ja, hier bricht sich ein Stück Eitelkeit und auch Prestige großer Ländern, Prestigestreben bei großen Ländern Bahn. Sinnvoll ist das nicht. Was wir kriegen werden, ist ein Besoldungswettlauf perspektivisch, der letztlich zu Lasten der ärmeren und der kleineren Länder ausgetragen zu werden droht. Und der zu einer sehr unterschiedlichen Entwicklung von Gehältern ja sogar von Versorgungsleistungen für die Beamten führen dürfte, je nachdem in der Kommune oder in der Landesverwaltung welchen Bundeslandes sie arbeiten. Das nützt der Fortentwicklung der Strukturen in diesem Bereich nicht und stellt in der Tat in Frage, was wir gemeinsam mit Otto Schily und den Kollegen vom Beamtenbund auf den Weg gebracht hatten. Nämlich eine wirklich ernsthafte Reform des Beamtenrechtes. Hier werden jetzt die Gewichte neu verteilt letztlich zu Lasten der Beschäftigten übrigens auch zu Lasten des Arbeitsmarktes, wenn das einhergeht mit Arbeitszeitverlängerung beim Bund. Auch das ist eine Entscheidung, die letztlich nicht der Sache dient, sondern dem Prestigestreben von verantwortlichen größeren Bundesländern. Das ist eine sehr fatale Entwicklung für den öffentlichen Dienst und seine Zukunft.