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Buch erscheint in Deutschland
Madeleine Albright warnt vor Faschismus

Die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright musste als Kind vor den Nazis und später vor den Kommunisten fliehen. In ihrem neue Buch "Faschismus. Eine Warnung" zieht die 81-Jährige Parallelen zwischen Gestern und Heute und schlägt eine Bogen von Europa über Japan bis hin zu den USA.

Von Thorsten Teichmann | 17.07.2018
    Madeleine Albright
    "Faschismus. Eine Warnung" von Madeleine Albright erscheint auf Deutsch (Dumont Verlag/imago/APress)
    Zur Veröffentlichung ihres Buches in den USA fuhr Madeleine Albright mit dem Zug von Washington nach New York. Die frühere US-Außenministerin war Gast bei Moderator Stephen Colbert. Sie erklärte, woran man faschistische Tendenzen erkennt. Und wie bei einer Check-Liste bestätigte Moderator Colbert hörbar jeden einzelnen Punkt:
    "Zu den Problemen mit faschistischen Tendenzen gehört, dass der politische Anführer glaubt, er stehe über dem Gesetz. Dass er erklärt, die Presse sei der Feind des Volkes. Es gibt viele vereinfachende Antworten. Bei Demonstrationen, werden Menschen zur Gewalt aufgefordert. Und grundsätzlich entsteht das Gefühl, dass die Demokratie den Menschen nicht dient und die Justiz unwichtig ist."
    Parallelen zu Trump scheinen unausweichlich
    Das ist natürlich sehr unterhaltsam. Und die Parallelen zum amtierenden US-Präsidenten scheinen unausweichlich. Aber in ihrem Buch "Faschismus – eine Warnung" kommt Albright erst im letzten Viertel ausführlich auf Trump zu sprechen. Denn ihr Ansatz ist umfassender.
    Die frühere US-Außenministerin beginnt in Europa. Ihre Familie musste 1939 aus der damaligen Tschechoslowakei vor dem Einmarsch der Nazis nach London fliehen. Albright war noch ein Kleinkind. Nach Ende des Nationalsozialismus kehrten sie nach Prag zurück. Aber mit dem Aufstieg der kommunistischen Partei unter Moskaus Führung verließ Familie Albright Europa für immer Richtung Amerika.
    Albright beschreibt Geschichte: Mussolinis' Marsch auf Rom und Hitlers Aufstieg in Deutschland. In beiden Fällen war es eine siechende, konservative Elite, die den Diktatoren und ihren paramilitärischen Schergen das Feld überließ. In Italien duldete König Victor die Machtübernahme, in Deutschland war es Hindenburg.
    Wenn Menschen Angst haben, seien sie bereit die eigene Freiheit aufzugeben beziehungsweise die Freiheit von anderen. Im Tausch für einen politischen Anführer, der vermeintlich den Weg weist.
    "Angst ist der wichtigste Faktor. Verschiedene Gruppen stehen sich entgegen und der politische Führer identifiziert sich nur mit einer Gruppe, und kümmert sich nicht um die individuellen Rechte der anderen."
    Angst vor Massenarbeitslosigkeit, Angst vor Einwanderungen, mangelnde Bildung, Vorurteile und Geltungswillen. Geht es um die aktuelle Zeit beschreibt Albright damit grundsätzlich, was in der Türkei, in Polen, Ungarn und auch in Deutschland passiert. Sie berichtet von ihren Besuch als Außenministerin in Nordkorea und ihrer Beobachtung, dass Diktator Kim Jong-il im Oktober 2000 ähnlich hohe Absätze an den Schuhen trägt wie sie.
    Albright beschreibt Nordkorea als faschistisches Regime
    Allein Nordkorea beschreibt die 81-jährige als faschistisches Regime. Trump sei dagegen Amerikas erster "anti-demokratischer Präsident" der modernen Zeit. Und sie entdeckt an sich Zweifel, ob die Institutionen der amerikanischen Demokratie stark genug sind, um dessen Exzesse einzudämmen.
    "Die Gemeinsamkeit ist, dass es eine Reihe von wirtschaftlichen Problemen gibt. Und Fragen, ob Menschen einen Job haben. Und wie sie die Spaltung der Gesellschaft empfinden. Und sie fragen, was man jetzt tun kann, denn die Demokratie kümmert sich nur langsam darum. Und dann kommt ein starker Mann und erklärt, er habe all die Antworten."
    Aber die Wahl von US-Präsident Trump folgt nicht nur dem Wunsch nach schnellen Antworten. Sondern sie zeigt die Schwäche der konservativen Kräfte, also der US-Republikaner. Der Politikwissenschaftler Daniel Ziblatt hat erforscht, dass Demokratie vor allem in Gefahr gerät, wenn konservative Parteien aus Angst um Wohlstand und Privilegien sich Veränderungen verweigern. Genau das ist in den USA passiert.
    Und Albright beschreibt zwar in ihrem Buch, welche Rolle Wirtschaft, Spender und Medien in den USA für den Aufstieg von Senator McCarthy und seiner Kommunistenhatz gespielt haben. Aber sie geht kaum darauf ein, welche Rolle die Wirtschaft heute übernimmt, die bis auf wenige Ausnahmen völlig uninteressiert ist, dem Präsidenten die Stirn zu bieten.
    Amerika hat sich von ganzen Bevölkerungsgruppen verabschieden
    Und wenn die frühere Außenministerin zur Veröffentlichung ihres Buches mit dem Zug nach New York fährt, kommt sie durch heruntergekommene Viertel von Baltimore und Philadelphia und sieht, dass sich Amerika von ganzen Bevölkerungsgruppen verabschiedet hat. Dass Demokratien diese Politik nicht überleben, ist eine weitere wichtige Warnung. Für ein europäisches Publikum wäre es deshalb interessant gewesen, den Anfang zu straffen und mehr darüber zu erfahren.
    Madeleine Albright: "Faschismus. Eine Warnung"
    Aus dem Englischen von Bernhard Jenricke und Thomas Wollermann
    Dumont Verlag, Köln 2018
    320 Seiten, Euro 24,00