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Buddhismus
"Blind für die eigenen Fehler"

Der Deutschlandfunk hat schon mehrmals über Machtmissbrauch durch buddhistische Meister wie Ole Nydahl und Sogyal Rinpoche berichtet. In Hamburg trafen sich am Sonntag erstmals deutsche Buddhisten, um über die Kritik zu diskutieren. Reporterin Mechthild Klein zieht eine gemischte Bilanz.

Mechthild Klein im Gespräch mit Gerald Beyrodt | 21.11.2017
    Seine Schülerinnen und Schüler werfen ihm inzwischen öffentlich gewalttätiges und missbrauchendes Verhalten vor: Sogyal Rinpoche hier bei der Eröffnung eines buddhistischen Zentrums in Brandenburg
    Seine Schülerinnen und Schüler werfen ihm inzwischen öffentlich gewalttätiges und missbrauchendes Verhalten vor: Sogyal Rinpoche hier bei der Eröffnung eines buddhistischen Zentrums in Brandenburg (picture-alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Gerald Beyrodt: In einem Feature hat unsere Autorin Mechthild Klein über sexuelle Beziehungen zwischen buddhistischen Meistern und ihren Schülerinnen berichtet. Wenn ein Meister mit seiner Schülerin Sex hat, ist das nicht verboten. Problematisch sind diese Beziehungen dennoch, denn schließlich besteht eine Abhängigkeit. Psychotherapeuten dürfen sich auch nicht mit ihren Patientinnen und Patienten einlassen. Die Bereitschaft über das Thema zu reden war bislang in buddhistischen Kreisen gering. Jetzt hat es in Hamburg eine öffentliche Diskussion zum Thema Machtmissbrauch im Buddhismus gegeben. Die erste Diskussion dieser Art in Deutschland. Mechthild Klein hat sie verfolgt. Frau Klein, wird jetzt nicht mehr weggesehen?
    Mechthild Klein: Schön wär's. Es ist überraschend, dass es überhaupt eine Verstaltung zu diesem Thema gab. Die Veranstaltung war sehr gut besucht, auf dem Podium waren acht Vertreter aller buddhistischen Richtungen von den Theravada-Anhängern bis zum tibetischen Buddhismus und dem Zen. Es fehlte allerdings eine Gruppe, die besonders in der Kritik steht: die Diamantweg-Buddhisten um den Guru Ole Nydahl. Die waren eingeladen, sind aber nicht gekommen. Zudem gab es eine Vorgabe des Moderators, nämlich: Keine Namen zu nennen, weder die der Gruppen, von denen Missbrauchsvorwürfe gegen Lehrer bekannt wurden, noch die Namen der Lehrer selbst. Das fand ich enttäuschend, aber vermutlich wären sonst einige Teilnehmer gar nicht gekommen.
    Beyrodt: Das heißt: Die Täter wurden nicht benannt. Eine merkwürdige Form von Täterschutz. Saßen denn Opfer von Machtmissbrauch auf dem Podium?
    Klein: Nein. Trotzdem gab es einige interessante Statements. Zum Beispiel sagte die buddhistische Nonne Carola Roloff, die im tibetischen Buddhismus zu Hause ist:
    Carola Roloff: "Und dabei sollten wir uns an unsere freiheitlich demokratische Grundordnung halten und nicht so rückständige Konzepte wie die, dass Frauen minderwertig sind, hier in unsere Tradition mit reingenommen werden. (…) Dass das hier Dogma wird und so hier übernommen wird, das halte ich für hochgefährlich. Da möchte ich gar nicht mehr zur Übertragung des Buddhismus in den Westen beitragen, wenn das so geschieht. Das finde ich gruselig."
    Beyrodt: Carola Roloff vermisst also ein eindeutiges Bekenntnis der Buddhisten zur Gleichberechtigung der Frau?
    Klein: Ja, das vermisst sie. Das ist eine Wahrnehmungsfrage. Man braucht buddhistische Kenntnisse und Kenntnisse über die asiatischen Kulturen. Man muss wissen: Es gibt einen sehr traditionellen Buddhismus, der Frauen als minderwertig erachtet. Da streikt die Nonne, das wurde deutlich. Sie kritisiert die Haltung in buddhistischen Kreisen, dass die kulturgeprägten Konzepte von Macht und Herrschaft im Westen einfach als Eigenheit der Religion übernommen werden.
    An der Podiumsdiskussionen über Machtmissbrauch in buddhistischen Gruppen haben Vertreter aller buddhistischen Richtungen teilgenommen
    An der Podiumsdiskussionen über Machtmissbrauch in buddhistischen Gruppen haben Vertreter aller buddhistischen Richtungen teilgenommen (Deutschlandradio / Mechthild Klein)
    Beyrodt: Es geht nicht "nur" um sexuellen Machtmissbrauch, es geht um Macht und Herrschaft. Wie kann es dazu kommen, dass so autoritäre Strukturen entstehen?
    Klein: Es ist ein vielschichtiges kulturelles Phänomen. Es beruht darauf, dass der buddhistische Lehrer gleichtgesetzt wird mit Buddha selbst. Es gibt im tibetischen Buddhismus eine Form der Guru-Verehrung im Tantra, die vom Schüler völligen Gehorsam verlangt. Der Schüler oder die Schülerin legt quasi ein Gelübde auf den Guru ab.
    Beyrodt: Jetzt haben wir gehört: Die Täter werden nicht benannt, die Opfer sitzen nicht auf dem Podium. Das klingt nicht so, als sei das Problem erkannt worden…
    Klein: Nicht ganz. Offenbar ist man sich in den buddhistischen Gruppen nicht einig darüber, dass was ein Machtmissbrauch ist und wie man dem begegnen kann. Die Institutionen sind blind für die eigenen Fehler. Gut fand ich den Hinweis der Chefredakteurin von "Buddhismus aktuell". Ursula Richard kritisierte, dass keine Vertreter der Opfer zur der Diskussion eingeladen sind:
    Ursula Richard, Chefredakteurin Buddhismus Aktuell: "Auch auf diesem Podium sitzt niemand, die sich als Betroffene outet oder als Betroffene eingeladen ist. Und die Opfer sexuellen Missbrauchs oder sexueller Übergriffe werden unheimlich schnell vergessen, dann stilisieren sich die Gruppen selbst oft als Opfer. Das finde ich ganz wichtig, dass es gesehen wird: Da sind Menschen, die gelitten haben, die traumatisiert sind."
    Beyrodt: Wie reagiert das Publikum, wenn es von traumatischen Erfahrungen hört?
    Klein: Die waren mucksmäuschenstill …
    Beyrodt: Es gäbe ja auch die Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Im Verhältnis zwischen Therapeut und Patientin sind sexuelle Beziehungen zu verbieten. Das könnte man im Buddhismus doch auch einführen?
    Klein: Ja, die buddhistische Nonne Carola Roloff hatte das angesprochen. Aber auch der buddhistischen Dachverband, die DBU. Felix Baritsch, ein Ratsmitglied der DBU, war auf dem Podium. Er ist selbst Heilpraktiker und idem tibetischen Buddhismus verbunden. Er meint, es genüge nicht an die Eigenverantwortlichkeit zu appellieren.
    Felix Baritsch, Ratsmitglied der Deutschen Buddhistischen Union (DBU): "Man kann einfach nicht sagen: Du hättest ja aussteigen können, du bist selbst verantwortlich, du weist doch, du hast selbst entschieden, dich auf einen Lehrer einzusetzen (meint einzulassen) – so leicht ist das leider nicht mit der Selbstverantwortung."
    Er sagte mir später, dass er ein Verbot sexueller Beziehungen zwischen Lehrern und Schülerinnen für unumgänglich halte. Mein Eindruck ist aber, dass man sich im buddhistischen Dachverband nicht einig ist. Man will auch den zukünftigen Status als Religionsgemeinschaft nicht riskieren.
    Beyrodt: Wie schätzen Sie die Bereitschaft ein, tatsächlich etwas zu ändern?
    Klein: Sehr zwiespältig. Besonders in der Kritik steht die buddhistsche Gruppe Rigpa , ihr Guru ist kürzlich zurückgetreten. Die Rigpa-Chefin saß auf dem Podium und stellte sich als Opfer dar. Man habe nicht mitbekommen, dass der Meister seine Macht missbraucht habe. Als ich das hörte, ist mir fast schlecht geworden. Die Vorwürfe waren bekannt und belegt. Die meisten Verantwortlichen sind nur am Erhalt ihrer Buddhistischen Gruppe interessiert.
    Wirklich Kritisches über Rigpa erfährt man nur in Internetblogs wie etwa "What now" oder auf der Facebook-Seite "Open buddhism". Die wenigen kritischen deutschen Websites machen Buddhisten wie der Mönch Tenzin Peljor und auch die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin bietet eine Einschätzung über Rigpa an.
    Beyrodt: Ihr Fazit nach der ersten öffentlichen buddhistische Diskussion über Machtmissbrauch?
    Klein: Ich ziehe trotzdem ein positives Fazit. Ich glaube, dass das ein erster richtiger Schritt war, aber es müssten auch konkrete Maßnahmen folgen. Ich finde: Wer nicht für Opfer und Verursacher von Machtmissbrauch in den eigenen Reihen Verantwortung übernehmen will, der sollte künftig aus dem Dachverband der Buddhisten ausgeschlossen werden.