"Zuerst sind wir dem Karmapa überall hin gefolgt. Wir sind die Berge rauf und runter gelaufen und waren immer schon dort, bevor er mit dem Hubschrauber kam. Es wurde eine Art Joke für sie, dass wir immer schon vor ihnen da waren..."
"Wir suchten psychedelische Erfahrung"
Die buddhistische Lehrerin Hannah Nydahl erzählt über ihre Begegnungen mit einem der höchsten tibetisch-buddhistischen Würdenträger, Ende der 60er-Jahre in Indien. Der Film "Hannah - Ein buddhistischer Weg zur Freiheit" will ein Dokumentarfilm sein. Die Dänin Hannah Nydahl und ihr Mann Ole gehörten zweifellos zu den Pionieren, die eine Schule des tibetischen Buddhismus im Westen verbreitet haben, aber sie waren nicht die einzigen.
In der Hippie-Zeit konsumierten sie Drogen und gingen wie viele andere Ende der 60er-Jahre nach Nepal und Indien, um spirituelle Erfahrungen zu suchen.
Hannah Nydahl erzählt im Film: "Es war die Zeit, als die Gurus überall auftauchten, sogar in Dänemark - Hindu-Gurus. Und viele unserer Freunde wurden Schüler dieser Gurus. Wir waren nicht so interessiert, gingen keinen religiösen Weg. Wir suchten mehr psychedelische Erfahrung, weil uns mehr der Geist interessiert."
Die ersten westlichen Schüler der Lamas
Der Film schildert den Werdegang von Ole Nydahl und seiner Frau Hannah in vielen Fotos und Filmschnipseln. Zitate der Weggefährten ergänzen die der Nydahls. Zufällig treffen die beiden die höchsten tibetischen Würdenträger und die im indischen Exil lebenden Vertreter des Buddhismus. Die Hippies Ole und Hannah waren von den Lamas so fasziniert, dass sie ihre ersten westlichen Schüler wurden. Am Ende ihrer Schulungen schickte sie der 16. Karmapa, das Oberhaupt der tibetischen Kagyü-Schule, zurück nach Europa - mit dem Auftrag zu missionieren. Alle Freunde von Hannah und Ole finden dafür nur höchstes Lob.
Eine Freundin erzählt: "...sie reisten nonstop, schliefen nicht, gaben jedem alles, hatten kein privates Leben. Wenn du keinen speziellen, entwickelten Geist hast, bist du nicht fähig, das zu verstehen. Und Hannah verkörperte selbst den lebendigen Buddhismus."
"Ein Werbefilm für den Diamantweg-Buddhismus"
In diesem Selbstverständnis gründeten Hannah und Ole Nydahl viele Gruppen und Zentren in der westlichen Welt. Sie prägten einen neuen Guru-Typus im Westen. Ihre Version der Geschichte fasst der Film zusammen. Hannah Nydahl war sicher eine charismatische Persönlichkeit, sagt der Theologe und evangelische Weltanschauungsbeauftragte Jürgen Schnare aus Hannover. Aber der Film habe durch seine völlig unkritische Machart die Chance verpasst, diesem Charisma so nachzuspüren, dass es auch für wache Zeitgenossen, die nicht Anhänger des Diamantweg-Buddhismus sind, erlebbar werde:
"Es handelt sich um eine bebilderte Heiligenlegende, einen Werbefilm, speziell für den Diamantweg-Buddhismus. Es wird darin der falsche Eindruck erweckt, als wäre es nur diese nicht unumstrittene Bewegung, die den tibetischen Buddhismus in den Westen gebracht hat und ihn hier hat missionarisch erfolgreich werden lassen."
Der Film ergreift Partei im Streit um den Karmapa
Auch die im Film dargestellte Nachfolge des 16. Karmapa sieht der Theologe ganz und gar einseitig dargestellt. Es gibt nämlich zwei Karmapa-Kandidaten. Eine Wiedergeburt hat der Dalai Lama anerkannt, die andere wird vom Diamantweg und seinen Anhängern unterstützt.
"Der Streit um den 17. Karmapa, bekommt in dem Film, der ja eigentlich von Hannah Nydahl handeln soll, ein Gewicht, dass nur dadurch zu erklären ist, dass hier Partei ergriffen werden soll für eine Richtung innerhalb des tibetischen Buddhismus."
Ähnlich bewertet es auch die Marburger Tibetologin Adelheid Herrmann-Pfandt. Auch sie sieht im Film eine einseitige Darstellung des Streits um die Karmapa-Nachfolge:
"Was aus meiner Sicht zumindest fragwürdig ist, dass der eine jetzt so als eine Marionette der Chinesen dargestellt wird. Und das ist ausgerechnet der, den der Dalai Lama schon anerkannt hatte, bevor der andere auftauchte."
Ein Film wie eine Hagiographie
Der Karmapa ist deshalb so wichtig, weil er nach dem Tod des Dalai Lama eine tragende Rolle für den tibetischen Buddhismus übernehmen würde. Auch andere Blickwinkel vermisst die Tibetologin im Kino-Film:
"Ich finde das immer ein bisschen schwierig, wenn ein Dokumentarfilm, ein eigentlich auf Information ausgerichteter Film, dann doch so stark Partei ergreift und außerdem auch so stark idealisiert. Das ist eigentlich eine Folge der Tibet-Mystifikation, die wir ja ungefähr seit 150 Jahren in westlichen Ländern haben, dass angenommen wird, dass Tibet ein Land ist, in dem lauter Erleuchtete leben. Und Westler, die unter diesen Einfluss geraten, sind dann eben auch erleuchtet. Also Hannah Nydahl wird als Erleuchtete dargestellt."
Die Tibetologin sieht den Film über Hannah Nydahl in einer Reihe mit tibetischen Hagiographien, mit Heiligengeschichtsschreibung. Die Diamantweg-Buddhisten stricken an dieser Legende fleißig weiter, das Strickmuster des Films dürfte sie erfreuen.
"Hannah - ein buddhistischer Weg zur Freiheit" ist vom 18.01. an im Kino zu sehen