Hundt: Guten Morgen, Herr Gerner.
Gerner: Herr Hundt, Klaus Zwickel hat angekündigt, die IG Metall werde am nächsten Termin Anfang Januar oder im Januar nicht teilnehmen. Ist das Bündnis damit geplatzt?
Hundt: Ich hoffe sehr, dass Herr Zwickel seine gestrige Aussage noch einmal überdenkt und doch bereit ist, mit den Arbeitgebern zusammen eine Kompromisslösung für die Tarifrunde 2000 zu suchen. Alles andere wäre außerordentlich schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und natürlich insbesondere auch für die Entwicklung des Arbeitsmarktes.
Gerner: Macht das Bündnis überhaupt noch Sinn, wenn der einflussreichste Gesprächspartner auf Gewerkschaftsseite fehlt?
Hundt: Es wäre sicherlich eine deutliche Erschwernis, wenn der wichtigste Partner auf der Gewerkschaftsseite fehlen würde, auf der anderen Seite natürlich der Partner, der derzeit einem Kompromiss ganz entscheidend im Wege steht.
Gerner: Geht es ohne ihn - oder nicht?
Hundt: Das wage ich nicht zu sagen, ob der Deutsche Gewerkschaftsbund als Dachorganisation stark genug ist, oder ob eine Einzelmeinung einer Einzelgewerkschaft, auch wenn es die größte ist, das Verhalten des Deutschen Gewerkschaftsbundes entscheidend beeinflusst.
Gerner: Nehmen wir mal an, das Bündnis geht im neuen Jahr weiter. Wie wollen Sie irgendeine Einigung dort erzielen, wenn der nächste Termin in die beginnende Tarifrunde in der Metallindustrie fällt? Die IG Metall hat kräftige Lohnforderungen angekündigt.
Hundt: Vom Zeitablauf halte ich eine Lösungsmöglichkeit unverändert auch im Januar des nächsten Jahres gegeben. Für uns wird wichtig sein, ob es gelingt, einen Kompromiss zu finden, der auf der einen Seite eine längerfristige, mehrjährige Entgeltentwicklung deutlich unterhalb der Produktivitätssteigerung enthält, und auf der anderen Seite auch Komponenten für eine Erleichterung des vorzeitigen Übergangs in den Ruhestand. Und dass es auch auf der Gewerkschaftsseite dafür diskussionsfähige Vorschläge und Modelle gibt, das zeigen die Veröffentlichungen der IG Bergbau, Chemie, Energie.
Gerner: Sie sagen ‚Kompromisse', und nun war auch gestern und ist heute in vielen Artikeln von einer Annäherung zwischen BDA und DGB in den letzten Tagen die Rede. Ihr Geschäftsführer, Herr Göder, hat aber das als glatte Falschmeldung erklärt. Macht man uns - machen Sie sich da nicht was vor?
Hundt: Wir haben uns in den letzten Tagen intensiv darum bemüht, eine Kompromisslösung zu finden. Wir sind nicht zusammengekommen. Ob eine derartige Lösung möglich ist, wird am Verhalten der Gewerkschaften gemessen werden müssen und insbesondere am bisher starren und sturen Verhalten der IG Metall.
Gerner: Ist nicht BDI-Chef Henkel der eigentliche Bündnisstörenfried? Schließlich hat er für die Verlegung plädiert und Gerhard Schröder ist darauf eingegangen.
Hundt: Dieses war nicht die Ursache. Herr Henkel hat möglicherweise vorgeschlagen, den Bündnistermin ausfallen zu lassen, wenn keine Lösung gefunden wird. Abgesagt oder verschoben hat der Kanzler das heutige Bündnisgespräch aber gestern, nachdem ich ihm Informationen über den aktuellen Stand der Bemühungen um eine Lösung gegeben habe.
Gerner: Wie soll es denn jetzt weitergehen? Soll man das Thema ‚Rente mit 60' ausklammern und sich auf beschäftigungsfördernde Tarifpolitik konzentrieren? Was meinen Sie?
Hundt: Eine Rente mit 60 und eine Finanzierung über Tariffonds wird es mit der deutschen Wirtschaft nicht geben. Was wir benötigen, ist eine Vereinbarung über eine längerfristige, moderate Tarifentwicklung, die beschäftigungsfördernd wirkt. Und wir sind auf der anderen Seite dafür bereit, Modelle mitzutragen, die eine Erleichterung des vorzeitigen Übergangs in den Ruhestand - im wesentlichen auf einer Ausweitung des Altersteilzeitgesetzes - beinhalten.
Gerner: Wenn man auch da keine Annäherung erzielen kann im Januar, ist dann das Bündnis geplatzt?
Hundt: Dann wäre mit Sicherheit ein entscheidendes Element der Bündnis-gespräche herausgebrochen. Ein Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbs-fähigkeit, das diesem anspruchsvollen Namen auch gerecht werden will, muss die wichtigste Komponente, nämlich die Tarifpolitik, mit enthalten. Die Tarifpolitik ist ganz entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Entwicklung des Arbeits-marktes.
Gerner: Herr Hundt, hat die Bundesregierung Fehler gemacht, dass man jetzt in dieser Sackgasse steckt?
Hundt: Ich will der Bundesregierung im derzeitigen Zustand keine Schuld zuschieben. Wir sind an der starren Haltung der IG Metall in den letzten Tagen gescheitert. Mit anderen Gewerkschaften und mit anderen Gewerkschaftsführern wäre eine Lösung machbar gewesen. Herr Zwickel hat jede Lösung blockiert.
Gerner: Sie reden sehr bedächtig. Ich habe den Eindruck, dass Sie am Bündnis ‚koste - was es wolle' festhalten wollen. Was ist so wichtig an dem Konsens für Sie?
Hundt: Ich sehe unter den Gegebenheiten, die wir in Deutschland derzeit haben, keine aussichtsreichere Alternative, als in diesem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit - zwischen den entscheidenden Partnern: Politik, Arbeitgebern und Gewerkschaften -, Lösungen in diesen für die wirtschaftliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt entscheidenden Fragen zu finden.
Gerner: Dieter Hundt, haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch. Das war der Arbeitgeberpräsident. Und auf einer anderen Leitung begrüße ich Herbert Mai, Chef der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, kurz ÖTV. Guten Morgen.
Mai: Einen schönen Guten Morgen.
Gerner: Herr Mai, sehen Sie eine Zukunft für das Bündnis für Arbeit?
Mai: Ich sehe durchaus eine Zukunft. Ich stimme Herrn Hundt zu: Es gibt keine Alternative. Das gemeinsame Bemühen von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Regierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit muss bleiben, auch wenn in der einen oder anderen Frage es keine Einigung geben sollte.
Gerner: Aber es ist das passiert jetzt, was BDI-Chef Henkel wollte. Haben Sie den Eindruck, dass Gerhard Schröder sich auf Seite der Arbeitgeber geschlagen hat?
Mai: Also den Eindruck habe ich nicht, wobei es aus meiner Sicht lohnend gewesen wäre, auch heute den Versuch zu machen, zu einer Einigung zu kommen. Und Schröder hat ja die Fähigkeit, dann auch widerstrebende Interessen und Positionen zusammenzuführen. Ich hatte gehofft, dass Schröder in dem Bündnisgespräch die Arbeitgeber bewegt, weil ich - anders als Herr Hundt - in der Tat sehr deutlich sehe: Die Arbeitgeber wollen nicht in dieser Frage einen Erfolg des Bündnisses, sie wollen keinen Kompromiss, und die klare Aussage ‚Es wird keine Rente mit 60 geben' von Herrn Hund zeigt das ja überdeutlich auf.
Gerner: Aber auch Gerhard Schröder hatte ja angedeutet, dass er einen gesetzlichen Rahmen für die Rente mit 60 nicht bereit sei, zu schaffen. Ist das der Grund für Zwickels Ausstieg?
Mai: Nein, das ist nicht richtig. Herr Schröder hatte am 12. Dezember in der Bündnisrunde erklärt, die Regierung will einen Entwurf eines Gesetzes parallel zu den Tarifbemühungen einbringen, so dass beide Partner - Arbeitgeber und Gewerkschaften - wissen, wie der gesetzliche Rahmen aussehen soll, damit wir in den Tarifverhandlungen diesen Weg für ein früheres Ausscheiden öffnen können. Die Bedingungen waren gesetzt, und die Einigung in einem Papier zwischen DGB und BDA - auch zum früheren Ausscheiden - war im Prinzip auch schon da, einen Tag vor dem heutigen Termin, der jetzt abgesagt wurde. Die Tatsache, dass die Arbeitgeber letztlich dann wieder davon Abstand genommen haben zeigt, dass auch innerhalb der Arbeitgeber wohl unterschiedliche Auffassungen bestehen und die Hardliner sich wohl durchgesetzt haben um Herrn Henkel.
Gerner: Es bleibt trotzdem die Frage: Warum ist es Gerhard Schröder nicht gelungen, Klaus Zwickel zur Räson zu bringen? Andere Gewerkschaften geben sich ja deutlich moderater als die IG Metall.
Mai: Nein, nein. Es wird den Arbeitgebern und auch anderen nicht gelingen, die Gewerkschaften auseinander zu dividieren. Ich sehe keine Alternative bei der hohen Arbeitslosigkeit, als einen Baustein einzufügen, dass Ältere gehen können, um Jüngeren Platz zu machen. Das ist ja die Grundidee der Gewerkschaften. Die IG Metall wollte das im Tarifbereich als erster angehen. Warum Schröder jetzt diesen Termin hat abgesagt, hängt wohl damit zusammen, dass er noch Hoffnungen hat, dann in aller Ruhe bis Mitte Januar eine Einigung herbeizuführen. Ich hoffe das immer noch, obwohl die Chancen in der Tat dramatisch gesunken sind.
Gerner: Aber die Gewerkschaften sind doch jetzt angesichts des Verhaltens der IG Metall in einer ähnlichen Situation, wie Rot-Grün monatelang gegenüber den Atombetreibern - wenn ich diesen Vergleich mal ziehen darf. Es geht sozusagen darum, die Einheit wiederzufinden. Oder glauben Sie, dass sich das Bündnis ohne die IG Metall fortführen lässt?
Mai: Also wenn es eine Einigung gibt, dann wird die IG Metall ja auch weiter mitmachen am Bündnis . . .
Gerner: . . . wer sagt Ihnen das? . . .
Mai: . . . da bin ich schon aufgrund der internen Diskussionen, die wir geführt haben in Vorbereitung des heutigen Termins, ganz sicher. Wenn die Arbeitgeber allerdings bei der harten Haltung bleiben, die Herr Hundt eben noch einmal dargestellt hat, dass es keine Regelungen gibt mit ihnen, die ein früheres Ausscheiden ermöglichen, dann ist es in der Tat so, dass eine Eiszeit im Bündnis anbricht und wir gemeinsam überlegen müssen innerhalb der Gewerkschaften, wie es weitergehen kann. Ich bin dafür, dass es weitergeht, weil wir wichtige Fragen haben, die auch nur gemeinsam gelöst werden können - etwa die Ausbildungsfrage.
Gerner: Sie können ja dafür sein, Herr Mai. Die Frage ist nur - und die möchte ich Ihnen auch stellen: Wie kann es weitergehen, wenn die IG Metall - wie angekündigt - kräftige Lohnforderungen mit Beginn der Tarifrunde Anfang Januar stellen will?
Mai: Es ist doch so - insofern wundert mich auch die Aussage von Herrn
Hundt: Die Gewerkschaft IG Metall hat sich dramatisch bewegt. Sie war bereit, längerfristige Tarifverträge abzuschließen innerhalb des Produktivitätswachstums - und davon noch einen Teil zu verwenden für Beschäftigungssicherung und für die Rente mit 60. Wenn darauf die Arbeitgeber nicht eingehen, dann ist das für mich vollkommen unverständlich, und von einer harten Haltung der IG Metall kann überhaupt keine Rede sein. Nur: Wenn es jetzt keine Regelung gibt für ein früheres Ausscheiden, sind alle Gewerkschaften quasi dazu gezwungen, sich nur auf Lohn und Gehalt zu konzentrieren. Das ist ganz klar und ganz eindeutig.
Gerner: Soll man das Thema ‚Rente mit 60' ab sofort von der Tagesordnung in den Bündnisgesprächen streichen?
Mai: Wenn die Arbeitgeber bei der Haltung bleiben: Ja. Ich hoffe trotzdem, dass sich noch etwas bewegt. Herr Hundt war da sehr kompromissbereit in den letzten Gesprächen und Runden. Wenn er sich drängen lässt von anderen Fraktionen innerhalb der Arbeitgeber, kann ich es auch nicht ändern. Aber dann ist in der Tat das Thema endgültig vom Tisch.
Gerner: Wie berechtigt wäre überhaupt eine kräftige Lohnrunde vor dem Hintergrund der Arbeitnehmerentlastung ‚Steuerpaket der Bundesregierung'?
Mai: Wir haben uns nie abhängig gemacht von Entscheidungen in der Steuerpolitik, weil das ja umgedreht dann hieße, dass wir bei Steuererhöhungen, die es ja auch gegeben hat - denken Sie an Ökosteuer -, unsere Gehaltsforderungen höher stellen wollen. Das wollen wir nicht. Wir wollen Anteil haben am Wirtschaftswachstum - um mehr geht es nicht - und Ausgleich der Inflationsrate. Die Tatsache, dass wir so eine stabile Wirtschaftsentwicklung haben, hat ja auch mit der Nachfrage zu tun. Das ist eindeutig und das sagen auch die Wirtschaftsforschungsinstitute. Insofern wäre eine Lohnforderung ‚Inflation plus Wachstum' durchaus berechtigt.
Gerner: Herbert Mai war das, der ÖTV-Chef. Herr Mai, danke und Frohe Weihnachten.
Mai: Danke und ebenso!
Link: (Dieter Philipp: "Moderate Tarifpolitik für Erfolge beim Bündnis für Arbeit nötig" (22.12.99)==>/cgi-bin/es/neu-interview/497.html)
Gerner: Herr Hundt, Klaus Zwickel hat angekündigt, die IG Metall werde am nächsten Termin Anfang Januar oder im Januar nicht teilnehmen. Ist das Bündnis damit geplatzt?
Hundt: Ich hoffe sehr, dass Herr Zwickel seine gestrige Aussage noch einmal überdenkt und doch bereit ist, mit den Arbeitgebern zusammen eine Kompromisslösung für die Tarifrunde 2000 zu suchen. Alles andere wäre außerordentlich schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und natürlich insbesondere auch für die Entwicklung des Arbeitsmarktes.
Gerner: Macht das Bündnis überhaupt noch Sinn, wenn der einflussreichste Gesprächspartner auf Gewerkschaftsseite fehlt?
Hundt: Es wäre sicherlich eine deutliche Erschwernis, wenn der wichtigste Partner auf der Gewerkschaftsseite fehlen würde, auf der anderen Seite natürlich der Partner, der derzeit einem Kompromiss ganz entscheidend im Wege steht.
Gerner: Geht es ohne ihn - oder nicht?
Hundt: Das wage ich nicht zu sagen, ob der Deutsche Gewerkschaftsbund als Dachorganisation stark genug ist, oder ob eine Einzelmeinung einer Einzelgewerkschaft, auch wenn es die größte ist, das Verhalten des Deutschen Gewerkschaftsbundes entscheidend beeinflusst.
Gerner: Nehmen wir mal an, das Bündnis geht im neuen Jahr weiter. Wie wollen Sie irgendeine Einigung dort erzielen, wenn der nächste Termin in die beginnende Tarifrunde in der Metallindustrie fällt? Die IG Metall hat kräftige Lohnforderungen angekündigt.
Hundt: Vom Zeitablauf halte ich eine Lösungsmöglichkeit unverändert auch im Januar des nächsten Jahres gegeben. Für uns wird wichtig sein, ob es gelingt, einen Kompromiss zu finden, der auf der einen Seite eine längerfristige, mehrjährige Entgeltentwicklung deutlich unterhalb der Produktivitätssteigerung enthält, und auf der anderen Seite auch Komponenten für eine Erleichterung des vorzeitigen Übergangs in den Ruhestand. Und dass es auch auf der Gewerkschaftsseite dafür diskussionsfähige Vorschläge und Modelle gibt, das zeigen die Veröffentlichungen der IG Bergbau, Chemie, Energie.
Gerner: Sie sagen ‚Kompromisse', und nun war auch gestern und ist heute in vielen Artikeln von einer Annäherung zwischen BDA und DGB in den letzten Tagen die Rede. Ihr Geschäftsführer, Herr Göder, hat aber das als glatte Falschmeldung erklärt. Macht man uns - machen Sie sich da nicht was vor?
Hundt: Wir haben uns in den letzten Tagen intensiv darum bemüht, eine Kompromisslösung zu finden. Wir sind nicht zusammengekommen. Ob eine derartige Lösung möglich ist, wird am Verhalten der Gewerkschaften gemessen werden müssen und insbesondere am bisher starren und sturen Verhalten der IG Metall.
Gerner: Ist nicht BDI-Chef Henkel der eigentliche Bündnisstörenfried? Schließlich hat er für die Verlegung plädiert und Gerhard Schröder ist darauf eingegangen.
Hundt: Dieses war nicht die Ursache. Herr Henkel hat möglicherweise vorgeschlagen, den Bündnistermin ausfallen zu lassen, wenn keine Lösung gefunden wird. Abgesagt oder verschoben hat der Kanzler das heutige Bündnisgespräch aber gestern, nachdem ich ihm Informationen über den aktuellen Stand der Bemühungen um eine Lösung gegeben habe.
Gerner: Wie soll es denn jetzt weitergehen? Soll man das Thema ‚Rente mit 60' ausklammern und sich auf beschäftigungsfördernde Tarifpolitik konzentrieren? Was meinen Sie?
Hundt: Eine Rente mit 60 und eine Finanzierung über Tariffonds wird es mit der deutschen Wirtschaft nicht geben. Was wir benötigen, ist eine Vereinbarung über eine längerfristige, moderate Tarifentwicklung, die beschäftigungsfördernd wirkt. Und wir sind auf der anderen Seite dafür bereit, Modelle mitzutragen, die eine Erleichterung des vorzeitigen Übergangs in den Ruhestand - im wesentlichen auf einer Ausweitung des Altersteilzeitgesetzes - beinhalten.
Gerner: Wenn man auch da keine Annäherung erzielen kann im Januar, ist dann das Bündnis geplatzt?
Hundt: Dann wäre mit Sicherheit ein entscheidendes Element der Bündnis-gespräche herausgebrochen. Ein Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbs-fähigkeit, das diesem anspruchsvollen Namen auch gerecht werden will, muss die wichtigste Komponente, nämlich die Tarifpolitik, mit enthalten. Die Tarifpolitik ist ganz entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Entwicklung des Arbeits-marktes.
Gerner: Herr Hundt, hat die Bundesregierung Fehler gemacht, dass man jetzt in dieser Sackgasse steckt?
Hundt: Ich will der Bundesregierung im derzeitigen Zustand keine Schuld zuschieben. Wir sind an der starren Haltung der IG Metall in den letzten Tagen gescheitert. Mit anderen Gewerkschaften und mit anderen Gewerkschaftsführern wäre eine Lösung machbar gewesen. Herr Zwickel hat jede Lösung blockiert.
Gerner: Sie reden sehr bedächtig. Ich habe den Eindruck, dass Sie am Bündnis ‚koste - was es wolle' festhalten wollen. Was ist so wichtig an dem Konsens für Sie?
Hundt: Ich sehe unter den Gegebenheiten, die wir in Deutschland derzeit haben, keine aussichtsreichere Alternative, als in diesem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit - zwischen den entscheidenden Partnern: Politik, Arbeitgebern und Gewerkschaften -, Lösungen in diesen für die wirtschaftliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt entscheidenden Fragen zu finden.
Gerner: Dieter Hundt, haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch. Das war der Arbeitgeberpräsident. Und auf einer anderen Leitung begrüße ich Herbert Mai, Chef der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, kurz ÖTV. Guten Morgen.
Mai: Einen schönen Guten Morgen.
Gerner: Herr Mai, sehen Sie eine Zukunft für das Bündnis für Arbeit?
Mai: Ich sehe durchaus eine Zukunft. Ich stimme Herrn Hundt zu: Es gibt keine Alternative. Das gemeinsame Bemühen von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Regierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit muss bleiben, auch wenn in der einen oder anderen Frage es keine Einigung geben sollte.
Gerner: Aber es ist das passiert jetzt, was BDI-Chef Henkel wollte. Haben Sie den Eindruck, dass Gerhard Schröder sich auf Seite der Arbeitgeber geschlagen hat?
Mai: Also den Eindruck habe ich nicht, wobei es aus meiner Sicht lohnend gewesen wäre, auch heute den Versuch zu machen, zu einer Einigung zu kommen. Und Schröder hat ja die Fähigkeit, dann auch widerstrebende Interessen und Positionen zusammenzuführen. Ich hatte gehofft, dass Schröder in dem Bündnisgespräch die Arbeitgeber bewegt, weil ich - anders als Herr Hundt - in der Tat sehr deutlich sehe: Die Arbeitgeber wollen nicht in dieser Frage einen Erfolg des Bündnisses, sie wollen keinen Kompromiss, und die klare Aussage ‚Es wird keine Rente mit 60 geben' von Herrn Hund zeigt das ja überdeutlich auf.
Gerner: Aber auch Gerhard Schröder hatte ja angedeutet, dass er einen gesetzlichen Rahmen für die Rente mit 60 nicht bereit sei, zu schaffen. Ist das der Grund für Zwickels Ausstieg?
Mai: Nein, das ist nicht richtig. Herr Schröder hatte am 12. Dezember in der Bündnisrunde erklärt, die Regierung will einen Entwurf eines Gesetzes parallel zu den Tarifbemühungen einbringen, so dass beide Partner - Arbeitgeber und Gewerkschaften - wissen, wie der gesetzliche Rahmen aussehen soll, damit wir in den Tarifverhandlungen diesen Weg für ein früheres Ausscheiden öffnen können. Die Bedingungen waren gesetzt, und die Einigung in einem Papier zwischen DGB und BDA - auch zum früheren Ausscheiden - war im Prinzip auch schon da, einen Tag vor dem heutigen Termin, der jetzt abgesagt wurde. Die Tatsache, dass die Arbeitgeber letztlich dann wieder davon Abstand genommen haben zeigt, dass auch innerhalb der Arbeitgeber wohl unterschiedliche Auffassungen bestehen und die Hardliner sich wohl durchgesetzt haben um Herrn Henkel.
Gerner: Es bleibt trotzdem die Frage: Warum ist es Gerhard Schröder nicht gelungen, Klaus Zwickel zur Räson zu bringen? Andere Gewerkschaften geben sich ja deutlich moderater als die IG Metall.
Mai: Nein, nein. Es wird den Arbeitgebern und auch anderen nicht gelingen, die Gewerkschaften auseinander zu dividieren. Ich sehe keine Alternative bei der hohen Arbeitslosigkeit, als einen Baustein einzufügen, dass Ältere gehen können, um Jüngeren Platz zu machen. Das ist ja die Grundidee der Gewerkschaften. Die IG Metall wollte das im Tarifbereich als erster angehen. Warum Schröder jetzt diesen Termin hat abgesagt, hängt wohl damit zusammen, dass er noch Hoffnungen hat, dann in aller Ruhe bis Mitte Januar eine Einigung herbeizuführen. Ich hoffe das immer noch, obwohl die Chancen in der Tat dramatisch gesunken sind.
Gerner: Aber die Gewerkschaften sind doch jetzt angesichts des Verhaltens der IG Metall in einer ähnlichen Situation, wie Rot-Grün monatelang gegenüber den Atombetreibern - wenn ich diesen Vergleich mal ziehen darf. Es geht sozusagen darum, die Einheit wiederzufinden. Oder glauben Sie, dass sich das Bündnis ohne die IG Metall fortführen lässt?
Mai: Also wenn es eine Einigung gibt, dann wird die IG Metall ja auch weiter mitmachen am Bündnis . . .
Gerner: . . . wer sagt Ihnen das? . . .
Mai: . . . da bin ich schon aufgrund der internen Diskussionen, die wir geführt haben in Vorbereitung des heutigen Termins, ganz sicher. Wenn die Arbeitgeber allerdings bei der harten Haltung bleiben, die Herr Hundt eben noch einmal dargestellt hat, dass es keine Regelungen gibt mit ihnen, die ein früheres Ausscheiden ermöglichen, dann ist es in der Tat so, dass eine Eiszeit im Bündnis anbricht und wir gemeinsam überlegen müssen innerhalb der Gewerkschaften, wie es weitergehen kann. Ich bin dafür, dass es weitergeht, weil wir wichtige Fragen haben, die auch nur gemeinsam gelöst werden können - etwa die Ausbildungsfrage.
Gerner: Sie können ja dafür sein, Herr Mai. Die Frage ist nur - und die möchte ich Ihnen auch stellen: Wie kann es weitergehen, wenn die IG Metall - wie angekündigt - kräftige Lohnforderungen mit Beginn der Tarifrunde Anfang Januar stellen will?
Mai: Es ist doch so - insofern wundert mich auch die Aussage von Herrn
Hundt: Die Gewerkschaft IG Metall hat sich dramatisch bewegt. Sie war bereit, längerfristige Tarifverträge abzuschließen innerhalb des Produktivitätswachstums - und davon noch einen Teil zu verwenden für Beschäftigungssicherung und für die Rente mit 60. Wenn darauf die Arbeitgeber nicht eingehen, dann ist das für mich vollkommen unverständlich, und von einer harten Haltung der IG Metall kann überhaupt keine Rede sein. Nur: Wenn es jetzt keine Regelung gibt für ein früheres Ausscheiden, sind alle Gewerkschaften quasi dazu gezwungen, sich nur auf Lohn und Gehalt zu konzentrieren. Das ist ganz klar und ganz eindeutig.
Gerner: Soll man das Thema ‚Rente mit 60' ab sofort von der Tagesordnung in den Bündnisgesprächen streichen?
Mai: Wenn die Arbeitgeber bei der Haltung bleiben: Ja. Ich hoffe trotzdem, dass sich noch etwas bewegt. Herr Hundt war da sehr kompromissbereit in den letzten Gesprächen und Runden. Wenn er sich drängen lässt von anderen Fraktionen innerhalb der Arbeitgeber, kann ich es auch nicht ändern. Aber dann ist in der Tat das Thema endgültig vom Tisch.
Gerner: Wie berechtigt wäre überhaupt eine kräftige Lohnrunde vor dem Hintergrund der Arbeitnehmerentlastung ‚Steuerpaket der Bundesregierung'?
Mai: Wir haben uns nie abhängig gemacht von Entscheidungen in der Steuerpolitik, weil das ja umgedreht dann hieße, dass wir bei Steuererhöhungen, die es ja auch gegeben hat - denken Sie an Ökosteuer -, unsere Gehaltsforderungen höher stellen wollen. Das wollen wir nicht. Wir wollen Anteil haben am Wirtschaftswachstum - um mehr geht es nicht - und Ausgleich der Inflationsrate. Die Tatsache, dass wir so eine stabile Wirtschaftsentwicklung haben, hat ja auch mit der Nachfrage zu tun. Das ist eindeutig und das sagen auch die Wirtschaftsforschungsinstitute. Insofern wäre eine Lohnforderung ‚Inflation plus Wachstum' durchaus berechtigt.
Gerner: Herbert Mai war das, der ÖTV-Chef. Herr Mai, danke und Frohe Weihnachten.
Mai: Danke und ebenso!
Link: (Dieter Philipp: "Moderate Tarifpolitik für Erfolge beim Bündnis für Arbeit nötig" (22.12.99)==>/cgi-bin/es/neu-interview/497.html)