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Bündnis gegen Rechtsschwenk in der CSU
"Union der Mitte" gewinnt immer mehr Unterstützer

Die neu gegründete "Union der Mitte", eine Vereinigung von CDU- und CSU-Mitgliedern, will dem Rechtsschwenk in der CSU entgegenwirken. Dafür hat sie auch schon prominente Unterstützer gefunden, wie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Von einer Massenbewegung kann allerdings noch keine Rede sein.

Von Michael Watzke | 18.07.2018
    Das Logo der CSU ist am 05.12.2016 in München (Bayern) vor einer CSU-Vorstandssitzung an der Parteizentrale zu sehen.
    Anfang 2018 hat der bayerische Jungpolitiker Stephan Bloch die "Union der Mitte" gegründet, weil er den Verlust der absoluten Mehrheit seiner Partei bei den Landtagswahlen befürchtet (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    "Ich heiße euch herzlich willkommen zur heutigen Rechtskunde- Unterrichtsstunde."
    Unterricht in einer Flüchtlings-Klasse der Berufsschule Erding. An der Tafel Vize-Schulleiter Günther Mittermaier. Vor ihm 14 junge Asylbewerber aus Afghanistan. Dazwischen nicht ein, sondern gleich zwei CSU-Minister.
    "Zum einen der Justizminister Winfried Bausback, zum anderen der Kultusminister Bernd Sibler."
    Kameras surren, Fotoapparate klicken. Die beiden bayerischen Staatsminister verkünden ihre Botschaft: Bayern sei bei der Integration von Flüchtlingen Vorbild und Vorreiter. Etwa durch Rechtskunde-Unterricht in allen Berufsschulen.
    "Wir waren mit die Ersten, die das angeboten haben. Und wir haben durchaus Anfragen aus den anderen Bundesländern gehabt, die unsere Materialien angefragt haben. Die sich letztlich am bayerischen Beispiel orientiert haben."
    Kein Bundesland gebe mehr Geld für Flüchtlings-Integration aus, sagt Justizminister Bausback. Er wünscht sich mehr Gelassenheit in der Asyl-Debatte.
    "Das politische Klima ist insgesamt sehr aufgeheizt momentan. Ich glaube, wir täten alle gut daran, wenn wir einen sachlichen, aber deutlichen Stil pflegen."
    In drei Monaten wählt Bayern einen neuen Landtag. Aber damit, so der Justizminister, habe sein Termin gar nichts zu tun.
    "Also wissen Sie, der Wahlkampf ist ja jetzt noch ein bisschen weg."
    Mahnende Worte an die CSU-Spitze
    Wenn das Markus Söder wüsste. Der bayerische Ministerpräsident ist derzeit im Maximal-Wahlkampf-Modus. Von früh bis spät, kreuz und quer durch den Freistaat. Kein Bierzelt ist vor Söder und seiner Botschaft sicher:
    "Die CSU steht geschlossen!"
    Wirklich? Morgen kommt Söder nach Hebertshausen bei Dachau. Zum 115. Geburtstag der hiesigen Burschenschaft. Dort trifft Söder auf einen interessanten CSUler: den Bürgermeister von Hebertshausen, Richard Reischl. Der hat gerade erst einen öffentlichen Brandbrief an die CSU-Spitze geschrieben. Darin mahnt Reischl Söder und CSU-Chef Seehofer:
    "Dass es in unserem Namen ein C gibt. Für 'christlich'. Und sozial. Deshalb finde ich es nicht richtig, dass man immer alle über einen Kamm schert. Sondern man müsste ein bissel mehr auf die Basis hören. A bissel mehr Anstand zeigen. Und vielleicht auch wieder Dinge bewegen, die uns hier in der Gemeinde, in ganz Bayern, zum Vorteil sind und uns helfen."
    Die Asyl-Politik zählt Bürgermeister Reischl eher nicht dazu. Nicht mehr.
    "Diese Themen, die da behandelt werden, auch in diesem Masterplan, die hätte ich 2015 benötigt und nicht 2018. Das kommt viel zu spät. Ich glaube, das Thema Asyl ist heute schon lang kein Thema mehr."
    Nicht alle in der CSU sehen das so. Beim Bezirksparteitag in Amberg in der Oberpfalz unterstützen neulich die meisten Befragten Seehofers Masterplan und die sogenannte "Asylwende".
    Keine Beruhigung bei der CSU in Sicht
    Ruhe tritt allerdings nicht ein in der CSU. Dafür sorgen Partei-Veteranen wie Erwin Huber, der frühere CSU-Vorsitzende und Intimfeind Horst Seehofers, der den Rücktritt des Bundesinnenministers fordert. Dafür sorgt aber auch ein junger CSU-Politiker: Stephan Bloch, Gründer der "Union der Mitte", einer Vereinigung von CDU- und CSU-Mitgliedern. Bloch, 29 Jahre alt, Mitglied im Vorstand des CSU-Ortsverbands München-Laim, gibt derzeit ein Interview nach dem anderen und treibt die CSU-Landesleitung zur Weißglut mit Sätzen wie diesem:
    "Wir haben uns ja wirklich einer starken Parolen-Politik bedient."
    Blochs "Union der Mitte" gibt es seit Anfang des Jahres. Auf Facebook hat sie 2.000 Unterstützer, darunter hochkarätige CDU-Politiker wie Armin Laschet, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten. [*]
    In der CSU dagegen hat Bloch bisher nur vergleichsweise unbekannte Unterstützer gefunden. Eine Massenbewegung ist noch nicht entstanden. Auch wenn viele an der CSU-Basis Blochs Befürchtung teilen, der Rechtsschwenk der Christsozialen gefährde die absolute Mehrheit.
    "Ich habe Angst, dass das bis zur Wahl überschwappt und insgesamt aus der Mitte mehr Stimmen kostet, als es am rechten Rand gewinnen kann."
    Vom Lautsprecher zum Leisetreter
    Die aktuellen Umfragen scheinen Bloch recht zu geben. Die CSU liegt derzeit bei nur noch 39 Prozent - ein Allzeit-Tief. Das seien "Berliner Zahlen", sagt Söder und distanziert sich von Bundesinnenminister und CSU-Chef Seehofer. Söder erfindet sich gerade neu – vom Lautsprecher zum Leisetreter.
    "Wir sollten alle auf die Wortwahl achten, die wir verwenden. Das gilt für mich, das gilt für uns. Genauso wie für alle anderen im politischen Diskurs. Ich habe entschieden, dass, wenn sich jemand durch ein Wort verletzt fühlt - sagen wir 'Asyltourismus' – dann verwende ich das Wort nicht mehr."
    Söders Wahlkampfteam hatte eigentlich geplant, die Wähler in Bayern mit einem Geschenk in die Sommerferien zu schicken: Vor ein paar Tagen fanden Millionen Eltern ein Schreiben des Ministerpräsidenten in der Post. Darin kündigt Söder das neue "Familiengeld" an. Eltern erhalten ab September bis zu 7.200 Euro pro Kind. Anders als beim bisherigen Betreuungsgeld ist es nun egal, ob das Kind zuhause ist oder in eine Kinderkrippe geht. Doch der Asylstreit der Union und Seehofers Ausrutscher in Berlin überlagern den Wahlkampf-Effekt des Familiengeldes. Und die Diskussion um Wortwahl und Stilfragen in der Asyldebatte ist noch längst nicht ausgestanden, findet Hebertshausens CSU-Bürgermeister Richard Reischl.
    Morgen Abend wird Reischl genau hinhören, wenn Markus Söder im Hebertshauser Bierzelt spricht. Die Plakate im Dorf kündigen den Ministerpräsidenten seit Wochen an: Es werde der größte Stammtisch, den Hebertshausen je erlebt habe.

    [*] Anmerkung der Redaktion: In der Ursprungversion dieses Manuskripts hatten wir CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer als Unterstützerin der "Union der Mitte" geführt. Das Büro von Frau Kramp-Karrenbauer teilt dazu mit: "Die Loyalität der Generalsekretärin gilt der CDU als Ganzes. Aufgabe des Konrad-Adenauer-Hauses ist es, unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Volkspartei CDU zusammenzubringen."