Meurer: Wie genau hilft Ihre Organisation den Flüchtlingen im Kongo?
Feldmann: Wir helfen ihnen, indem wir ihnen Unterschlupf bieten, wir verteilen Decken, die als Zelte benutzt werden können, wir verteilen Kochgeschirr und stellen Wasser bereit.
Meurer: Nun sind Sie ja im Moment noch in Goma, dort sind die Flüchtlinge nicht, Sie fliegen gleich in die Region Beni. Wie viele Flüchtlinge sind dort und wie weit ist Beni entfernt von der Provinz Ituri?
Feldmann: Es grenzt südlich an Ituri an, Beni-Stadt ist etwa 150 bis 170 Kilometer von Bunia entfernt und ist über eine Straße, die nahezu unbefahrbar ist und teilweise durch Regenwald geht, zu erreichen. Die Flüchtlinge sind zum Teil zehn Tage zu Fuß unterwegs, in Zickzacklinien, um Militär- und Milizposten von anderen Ethnien zu umgehen. In dieser Zeit haben sie nichts zu essen und zu trinken. Sie kommen völlig ausgebrannt und erschöpft an und sind froh, wenn sie sich erstmal überhaupt hinsetzen können und nicht mehr weiterlaufen müssen, weil sie jetzt dort sind, wo sie sich sicher wähnen.
Meurer: Was erzählen Ihnen, Herr Feldmann, die Flüchtlinge über das, was sie zur Flucht veranlasst hat?
Feldmann: Die Leute haben die Kämpfe gesehen oder gehört und mussten alles stehen und liegen lassen und loslaufen. Sie kommen an in Kleidern, die sie nicht angezogen haben, um zehn Tage durch den Regenwald zu laufen, sie kommen in normaler Straßenkleidung, zerfetzt und verdreckt. Man sieht, dass sie nicht ausgerüstet waren, jetzt einfach loszulaufen. Die Plötzlichkeit, mit der sie die Flucht ergriffen haben zeigt, dass es heftige Kämpfe gegeben hat und keinen Ausweg, keine Idee mehr, etwas retten zu wollen, geben hat.
Meurer: Sie haben ja nun für World Vision in den letzten Tagen oder Wochen vom Auswärtigen Amt, wenn ich das richtig sehe, 400.000 Euro bekommen. Reicht das Geld für Sie, um zu helfen?
Feldmann: Die 400.000 Euro vom Auswärtigen Amt sind ein ganz wesentlicher Teil unserer Hilfsaktion. Mit diesem Geld finanzieren wir diese Hilfsgüter und wir schaffen damit auch Latrinen mit einer Betondecke, so dass diese nicht nach einem Jahr wieder hinüber sind, sondern auch drei Jahre benutzt werden können. Wir nutzen dieses Geld auch, um Hilfsgüter dahin zu transportieren, wo noch Flüchtlinge sind, die nicht nach Beni kommen können. Das ist auch in Ituri der Fall, wo es eine Straßensperre der Regierung in Kisangani gibt, die verhindern will, dass zu viele Flüchtlinge nach Beni durchkommen. Der Hintergrund ist wohl, dass der Konflikt von Ituri nach Beni überschwappen soll. Ob das gelingt, sei mal dahingestellt, aber andersherum gesagt gibt es sehr viele Flüchtlinge, die gar nicht nach Beni durchkommen, die sich weiterhin in Ituri aufhalten, vielleicht auch in den Gegenden, wohin der Konflikt noch nicht so weit vorgedrungen ist, was nicht heißt, das es konfliktfreie Gegenden sind. Es gibt sehr viele marodierende bewaffnete Gruppen, zum Beispiel die Maimari, eine legendäre Kampfvereinigung, die dem Glauben unterliegt, wenn sie bestimmte Flüssigkeiten trinkt, seien sie unverwundbar. Schon vor 40 Jahren haben die von sich reden gemacht und die irren herum und versorgen sich von dem, was sie in den Dörfern finden und nicht selten fallen Flüchtlinge ihnen oder anderen kleinen Gruppen zum Opfer. Das ganze ist sehr undurchschaubar, es gibt keine gesicherte Versorgung mit Medikamenten, nicht, weil es nicht genügend gäbe, sondern weil die Hilfsorganisationen nicht dorthin kommen, wo sie die Leute versorgen könne und wir haben uns zum Ziel gesetzt, diese Leute zu erreichen, die im Busch sind und aus eigener Kraft nicht schaffen, dorthin zu kommen, wo sie versorgt werden können. Wir versuchen also dort hinzugehen, wo es eigentlich unmöglich ist, hinzukommen.
Meurer: Über die Lage im Ostkongo habe ich mich unterhalten mit Jürgen Feldmann, Projektleiter von World Vision, zur Zeit in Goma im Ostkongo. Alles Gute, Herr Feldmann, auf Wiederhören.
Feldmann: Dankeschön. Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio