Heuer: Der Bürgerkrieg im Süden des Sudan lodert ja immer noch, wer kämpft denn im Westen des Landes nun gegen wen?
Tetzlaff: Da sind drei Parteien involviert, drei kämpfende Parteien. Das ist erst mal natürlich die Regierung und die lokale Bevölkerung aus dem Volk der Fur. Darfur, wie die Region heißt, heißt das "Land der Fur", das waren Leute, die mal unabhängig waren, sie sind in den letzten Jahrzehnten von der Regierung in Khartum sehr stark diskriminiert worden. Es ist keine Infrastruktur entwickelt worden, sie haben sich jetzt gewehrt gegen die Regierung, die da mit Truppen gegenwärtig ist und dann ist da eine dritte Partei entstanden, das sind diese ethnischen Milizen, die von der Regierung ausgerüstet werden mit Waffen und die drangsalieren die Bevölkerung sehr stark, das ist auch im Süden so ein Prinzip gewesen, dass nicht die Regierung direkt immer mit ihren Truppen präsent ist sondern eben auch diese ethnischen Milizen, die Leute in Fur nennen diese Milizen, das sind die Reiter oder die Leute auf den Pferden, die vorbeikommen, Dörfer anzünden, plündern und weglaufen. Jetzt haben die Leute sich vor Ort in Darfur dagegen gewehrt, haben selber auch über Waffenimporte aus den benachbarten Staaten sich, als eine Heimwehr gewissermaßen, gegen diese Übergriffe dieser Milizen und der Soldaten gewehrt.
Heuer: Wieso Herr Tetzlaff unterstützt die Regierung denn die Milizen?
Tetzlaff: Das macht die Regierung insofern ganz gerne, als sie sich selber da eigene Truppen spart und sozusagen diese jungen Leute, die keine Beschäftigung haben mit Waffen ausrüstet, ein wenig Geld und die die Drecksarbeit machen lässt sozusagen. Das ist seit gut zehn Jahren im Sudan so ein Muster geworden, dass diese lokale Milizen, - das sind Araber, zum Teil auch arabisierte afrikanische Ethnien -, Stämme vor Ort sind und nicht etwa in Garnisonen leben wie die Soldaten. Die kooperieren eben mit der Regierung und der Zentralarmee aus dem Norden. Der eigentliche Hintergrund? Sie fragen, warum das eigentlich geschieht? Sehr, sehr häufig sind das im Grunde Konflikte um Land und Weideflächen, das sind Nomaden, die dann die sesshaften Bauern überfallen und es geht dann um Weideland für Rinderherden, es geht um Zugang zu Wasser, bebaubarem Land. Also dieser Ressourcenkonflikt, der im Sudan eine große Rolle spielt wie auch sonst in vielen Teilen Afrikas, wir kennen es aus Westafrika, wir kennen es aus Ruanda, steckt eigentlich dahinter. Das sind nicht Menschen, die einfach nur aufgestachelt sind, weil sie andere hassen, so etwas hat immer sehr materielle Gründe, wenn dann diese ethnische Karte gespielt wird, dass die Bagara zum Beispiel, diese arabisierten Stämme gegen die sesshaften Leute von Süd-Sudan oder West-Sudan angehen, das hat so einen materiellen Hintergrund.
Heuer: Die Rede ist, Herr Tetzlaff, von ethnischen Säuberungen, von Krieg, sogar von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur. Wissen Sie, was genau im Westen des Sudan vor sich geht?
Tetzlaff: Nein, so ganz genau weiß das niemand, aber ich habe die Gegend selbst vor ein paar Jahren bereist, das braute sich damals schon zusammen, das ist seit langem bekannt, dass da genozidähnliche Aktionen in Vorbereitung sind, ganz ähnlich, wie das auch schon im Süd-Sudan seit vielen Jahren der Fall ist. Da spricht man von etwa drei Millionen getöteten Menschen seit 1983, als die zweite Phase dieses Bürgerkrieges da ausbrach. So ganz genau weiß man das nicht, aber das Muster ist schon bekannt. Man muss sich vorstellen, wenn da fast eine Million Menschen auf der Flucht sind, was da an Druck von Seiten bewaffneter Männer passiert, das ist ungeheuerlich, wie die Leute da vertrieben werden und viele sterben natürlich auf der Flucht in den Tschad in die benachbarten Gegenden.
Heuer: Die Regierung in Khartum behindert trotzdem die Arbeit von Hilfsorganisationen, sie verweigert außerdem UN-Experten die Einreise nach Darfur. Kann man die sudanesische Regierung zur Kooperation zwingen? Und wer könnte das dann tun?
Tetzlaff: Ja, ich bin prinzipiell der Meinung, wir sollten erst mal alles auf diplomatischem Wege versuchen, diese Regierung wirklich zur Kooperation zu zwingen. Wir haben nämlich im Westen, das heißt vor allem natürlich die UNO und aber auch die Amerikaner, die da einen großen Einfluss haben, wir haben einen Hebel und das ist nämlich das Interesse der Regierung in Khartum, die Erdölfelder weiter ausbeuten zu können, das hat gerade einmal so begonnen, da sind große Felder in den letzten Jahren gefunden worden, entdeckt worden, dieses Öl soll exportiert werden, das ist klar, auf die Weltmärkte. Das können die Sudanesen nicht alleine, sie brauchen die Kooperation internationaler Firmen und den Good Will der Regierung, sie wissen, Sudan gilt bei den USA als Schurkenstaat. Aber, die Regierung ist in den letzten Jahren nach dem 11. September sehr bemüht gewesen, von diesem schlechten Image wegzukommen. Das ist ein wechselseitiges Interesse an der Erdölförderung und in diesem Zusammenhang übrigens sind da auch ganz große Menschenrechtsverbrechen passiert an der örtlichen Bevölkerung, die in der Nähe der Erdölfelder wohnt. Da sind ganze Dörfer mit Flugzeugen von oben plattgemacht worden, angezündet worden, Menschen vertrieben worden, getötet worden, wer sich wehrte, um eben diese Ölpipeline zu bauen.
Heuer: Und trotzdem, Herr Tetzlaff, ist Sudan gerade wieder Mitglied in der UN-Menschenrechtskommission geworden. Ist das purer Zynismus der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen?
Tetzlaff: Man kann das so deuten, dass das Zynismus ist. Aber das ist eben dieses alte Festhalten an der staatlichen Souveränität und Afrikaner sind da höchst empfindlich, also die Diplomaten, wenn von außen da Druck gemacht wird. Aber davon sollten wir uns nicht abhalten lassen, Menschenrechtsnormen, die auch afrikanische Diplomaten unterschrieben haben, einzuklagen. Es ist eine verrückte Idee, ausgerechnet die Sudanesen dorthin zu schicken und ich fand es sehr gut, dass die Amerikaner und westliche Staaten dagegen protestieren, das ist die Sache auf den Kopf zu stellen. Allerdings muss ich eins einschränkend sagen: Wir im Westen haben wegen der Menschenrechtsverletzungen in Palästina, was wir nicht verhindern können, die dort geschehen, eben auch durch die Politik Israels zur Zeit, natürlich jede Glaubwürdigkeit verloren und der Antiamerikanismus und die antiwestliche Stimmung in diesen Staaten im Nahen und Mittleren Osten steigt enorm. Wir sind selber in einer Glaubwürdigkeitslücke oder –krise da und wir haben nicht gerade eine sehr reine Weste dabei. Aber trotzdem, vom Prinzip her muss man sagen, so geht das nicht, wenn wir das Menschenrechtsunrecht im Nahen Osten kritisieren, dann müssen wir das selbstverständlich auch in diesem Falle im Sudan kritisieren und alles drangeben. Ich meine, wir sollten die wirtschaftlichen Sanktionen überlegen.
Heuer: Rainer Tetzlaff war das, Politologe und Sudanexperte an der Uni Hamburg. Herr Tetzlaff, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Tetzlaff: Bitte schön.