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Bürgermeister zu US-Truppenabzug
"Das wäre jammerschade, auch für die Völkerverständigung"

Der angekündigte Truppenabzug amerikanischer Soldaten träfe den Ort Grafenwöhr in der Oberpfalz nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen hart. Auch für die zwischenmenschlichen Beziehungen wäre es ein Verlust, sagte Bürgermeister Egdar Knobloch im Dlf. Die Bürger hätten sehr gute Beziehungen zu den Amerikanern aufgebaut.

Edgar Knobloch im Gespräch mit Sandra Schulz |
Das Wappen der U.S. Army Garrison Grafenwöhr
"Es sagt jeder, es ist strategisch nicht zu begründen, warum diese Maßnahmen getroffen werden" - Edgar Knobloch im Dlf (dpa/David Ebener)
Weil sich Deutschland nach Ansicht von US-Präsident Donald Trump finanziell zu wenig in der NATO-Partnerschaft angagiert, fordert er schon seit längerer Zeit den Teilabzug US-amerikanischer Truppen von deutschen Standorten. Anfang Juni hatte Trump die Größenordnung von knapp 10.000 Kräften genannt und jetzt weiter konkretisiert: Fast 12.000 US-Soldatinnen und Soldaten sollen Deutschland verlassen, teilweise in andere europäische Staaten, teilweise zurück in die USA.
Seit Mitte der Woche ist klar, dass vor allem drei Standorte in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz von den US-Plänen betroffen sind oder sein werden. Grafenwöhr als europaweit größter Standort mit dem modernsten Übungsplatz weltweit würde dazu zählen. Aus der bayerischen Oberpfalz sollen 4.500 Kräfte abgezogen werden. Für den ersten Bürgermeister von Grafenwöhr, CSU-Politiker Edgar Knobloch, ginge nicht nur ein großer Wirtschaftsfaktor verloren, mindestens genauso schwer wiegt für ihn, dass das gute Zusammenleben von Deutschen und Amerikanern zunichte gemacht würde.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, spricht beim 70. FDP-Bundesparteitag bei der frauenpolitische Debatte.
"Trump hat keine Ahnung, was er da tut"
Der geplante Abzug von 12.000 US-Soldaten aus Deutschland sei nicht klug, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) im Dlf. Es sei ein Schlag gegen die NATO. Es gebe nur einen Sieger, "das ist Wladimir Putin."
Sandra Schulz: Wie tief sitzt der Schreck?
Edgar Knobloch: Zunächst einmal: Ich habe die Pressekonferenz des US-Verteidigungsministers live mit ansehen und anhören können. Es gibt auch eine positive Nachricht und die ist, dass der Truppenübungsplatz Grafenwöhr bestehen bleibt. Wir sind nicht von einer Schließung betroffen und das ist insofern wichtig, weil hier zirka 3000 deutsche Zivilbeschäftigte direkt bei den Amerikanern beschäftigt sind, und das bedeutet, dass diese Arbeitskräfte und Arbeitsplätze auch nicht von diesen Planungen betroffen sind.
Es ist natürlich kein schönes Signal, wenn 4900 Soldaten aus Vilseck abgezogen werden sollen, aber auch das sehe ich jetzt noch nicht ganz so dramatisch. Der Verteidigungsminister Esper hat von einem Konzept gesprochen, das jetzt in eine Planung übergehen soll, und er hat auch gesagt, es wird Verbände geben oder Einheiten, die innerhalb der nächsten Monate vielleicht schon wegverlegt werden, nicht aus Grafenwöhr, nicht aus der Oberpfalz, sondern andere, und da meint er wohl die Stryker Brigade in Vilseck. Da wird es Monate und Jahre dauern, das zu planen, und es wird noch länger dauern, diesen Plan umzusetzen. Insofern haben wir schon ein bisschen die Hoffnung, in diesem Zeitraum, der sicher zwischen sieben und zehn Jahre dauern wird, wird viel passieren auf der Welt, und wer weiß, was es dann für Entscheidungen gibt, ob diese Entscheidung zurückgenommen wird oder nicht, oder ob vielleicht andere Einheiten hierher verlegt werden. Wir haben das in Grafenwöhr immer wieder erlebt, dass wir zwar Einheiten verloren haben, aber im Gegenzug dann wieder andere Einheiten hier herkommen.
660 Millionen Euro geben die Amerikaner jährlich aus
Schulz: Das kann ich nachvollziehen, dass Ihre Hoffnungen jetzt darauf gehen, dass es vielleicht alles gar nicht so schlimm wird. Aber wenn da tatsächlich knapp 5000 Kräfte gehen, das ist ja ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor bei Ihnen in der Region. Was heißt das dann für Grafenwöhr?
Knobloch: Ja, das ist sicher ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das sagen zum einen die 3000 Arbeitsplätze aus. Zum anderen wissen wir, dass jedes Jahr zirka 660 Millionen Euro von den Amerikanern hier ausgegeben werden. Ich denke, diese beiden Zahlen alleine sagen schon viel aus, was das bedeuten würde.
Schulz: Jetzt sind ja die Spannungen zwischen Berlin und Washington schon länger da. Haben Sie sich möglicherweise zu lange darauf verlassen, dass das schon immer so weitergeht?
Knobloch: Was heißt darauf verlassen? Wir hier vor Ort, wir haben schon immer sehr gute und freundschaftliche Beziehungen zu den Amerikanern hier vor Ort, zu den kommandierenden Generälen und Kommandeuren. Insofern sind wir schon dran am Thema, waren wir auch immer, und bisher waren die Amerikaner auch ein verlässlicher Partner, was das angeht. Auch die Stimmung hier vor Ort ist nicht eingetrübt. Gott sei Dank ist das Verhältnis nach wie vor ausgezeichnet und auch die Kommunikation läuft hervorragend.
Es gibt natürlich Sachen, die können wir hier vor Ort nicht entscheiden, selbst die Kommandeure und Generäle nicht. Das wird in Washington entschieden. Das heißt, ausgeruht haben wir uns sicher nicht. Man kann das den Amerikanern ja auch sagen. Ich sage immer, wir treten nicht nur als Bittsteller auf, sondern wir können auch mit unseren Vorteilen, die wir hier für die Amerikaner bieten, punkten – sei es die Loyalität gegenüber den Amerikanern oder auch die Akzeptanz ihrer Anwesenheit. Man muss ja sehen: Wir haben hier mehr Amerikaner als Bevölkerung. Es ist einiges an Schießlärm zu ertragen in der Bevölkerung und das wird immer akzeptiert. Das wurde akzeptiert. Aber es muss auch die Balance stimmen. Darauf weise ich immer hin.
"Dann würde auch die Stimmung in der Bevölkerung kippen"
Schulz: Sie meinen, das könnte ins Wanken kommen?
Knobloch: Das könnte ins Wanken kommen, wenn es so käme. Wenn so viele Truppen abgebaut werden, dass der wirtschaftliche Aspekt wegfällt, dann würde diese Balance ins Wanken kommen und dann würde auch die Stimmung in der Bevölkerung kippen. Davon bin ich überzeugt.
Schulz: Jetzt haben Sie die Größenordnung ja schon angesprochen. 3000 Einheimische sind beschäftigt. Insgesamt hat Grafenwöhr ja nur 6500 Einwohner. Man kann schon damit rechnen, dass da ein wirklich großer Arbeitgeber möglicherweise wegfällt. Was sollen die Leute arbeiten?
Knobloch: Die Arbeitsplätze fallen nicht weg. Das habe ich ja anfangs gesagt. Das ist die gute Nachricht, weil die Arbeitsplätze ausschließlich bei der Garrison Bavaria sind. Das ist praktisch eine große Säule, die für die Kasernen in Bayern zuständig ist. Der andere Teil ist bei 7th ATC. Das ist das Ausbildungskommando der 7. Armee, und auch die bleibt ja hier. Der Übungsbetrieb soll ja weiter stattfinden und um diesen Übungsbetrieb aufrecht zu erhalten, werden diese deutschen Zivilbeschäftigten benötigt.
Wenn diese Brigade verlegt wird, hat das zunächst einmal keinen direkten Einfluss auf die Arbeitskräfte, weil diese Brigaden sind rein militärisch. Die haben keine Zivilbeschäftigten, jedenfalls keine deutschen.
Schulz: Jetzt begründet US-Präsident Trump den Abzug ja damit, dass Deutschland seine Zusagen nicht erfüllt habe. Sind Sie auch sauer darüber, dass Berlin nicht mehr reingesteckt hat in die Verteidigungspolitik?
Knobloch: Was heißt sauer? Das ist ein Punkt, da muss man ihm sicher recht geben. Die Kritik kommt ja nicht nur von Trump; die ist ja schon öfter geäußert worden. Und da muss man schon sagen, da hat die Bundesregierung lange gespart und zugesehen. Das geht ja auch bei der eigenen Bundeswehr los. Das sieht man ja, wie die Bundeswehr momentan dasteht. Auch der Verteidigungshaushalt an sich wurde sicher etwas vernachlässigt. Ob das alleine der Grund ist, weiß ich nicht, aber diesen Kritikpunkt muss man gelten lassen. Andererseits darf man nicht vergessen, dass Gelder ausgegeben werden für den Militärhaushalt, auch für die US Army. Zum Beispiel alles was hier gebaut wird an Einrichtungen, an Schulen, die Planungsleistungen und die Durchführung und Überwachung, das wird alles von deutschen Dienststellen geleistet, auch mit deutschen Geldern, und das sollte man vielleicht in die zwei Prozent mit einrechnen. Dann käme man eher an die Grenze.
Das andere ist das, was ich vorhin schon gesagt habe. Man kann vielleicht nicht alles in Geld bewerten. Die große Akzeptanz und auch die Unterstützung, die die Amerikaner hier erfahren, auch mit ihren Familien – es ist so, dass wir hier immer darauf bedacht sind, die Amerikaner wirklich zu integrieren, und das ist bisher auch immer sehr gut gelungen. Man kann schon sagen, dass das Sicherheitsgefühl, das die Amerikaner hier haben, und auch das Zwischenmenschliche, das werden sie wahrscheinlich auf der ganzen Welt in dieser Art und Weise nicht vorfinden. Auch das sollte natürlich eine Rolle spielen bei den Erwägungen, wo man Truppen hinsetzt.
Beste Bedingungen in Grafenwöhr
Schulz: Wenn das so ist, dass Sie da auch ganz enge Drähte haben, wie wird das denn kommentiert aus der Truppe von denen, die jetzt möglicherweise betroffen sind?
Knobloch: Das wird natürlich zurückhaltend kommentiert, aus verständlichen Gründen.
Schulz: Sie müssen ja jetzt auch keine Namen nennen.
Knobloch: Das kann man offen sagen. Die Militärs, nicht nur die in Deutschland, die halten das für einen Fehler. Das hört und sieht man an den Kommentaren. Es sagt jeder, es ist strategisch nicht zu begründen, warum diese Maßnahmen getroffen werden. Sie sagen auch, sie finden hier in Deutschland, speziell in Grafenwöhr auf dem Übungsplatz, der der modernste weltweit ist, die besten Bedingungen vor. Es war ja auch in der Vergangenheit so, dass deswegen der Übungsplatz immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, auch für NATO-Partner. Wir haben im letzten Jahr eine Übung mit 27 verschiedenen Nationen in Grafenwöhr gehabt, die weltweit vernetzt war, und das ist hier nur in Grafenwöhr möglich, und das wissen die auch. Und die schätzen natürlich auch die bayerische Lebensart, leben gern hier, und ich kenne keinen Amerikaner, der nicht schon immer versucht hätte, wieder nach Grafenwöhr zu kommen. Es gibt ja auch viele Beispiele, die nach ihrem Retirement, wenn sie in Pension gehen, hier bei uns bleiben.
Schulz: Was bedeuten diese Pläne jetzt für die deutsch-amerikanische Partnerschaft, die ja mal lange eine deutsch-amerikanische Freundschaft war?
Knobloch: Hier vor Ort wie gesagt wird sich nichts ändern. Das merke ich am täglichen Miteinander. Wir leben jetzt seit 75 Jahren eng zusammen mit den Amerikanern hier in Grafenwöhr. Das heißt, wir haben sehr vertrauliche, freundschaftliche Beziehungen aufgebaut, die jetzt auch nicht auseinanderbrechen aufgrund dieser Entscheidung. Es wäre natürlich fatal, wenn es dazu käme, dass hier Truppen in einer Größenordnung abgebaut werden, die dieses Zusammenleben mehr oder weniger zunichtemachen. Das wäre jammerschade auch für die Völkerverständigung. Ich sage immer, man müsste einfach näher an die Kongressabgeordneten herankommen können und ihnen das mal zeigen, wie die Art und Weise des Zusammenlebens ist, der kulturelle Austausch, die Feste, die zusammen gefeiert werden, die deutschen wie die amerikanischen. Wir feiern unsere Traditionen mit ihnen und umgekehrt feiern wir mit ihnen Thanksgiving oder den 4. Juli. Alles sind wunderschöne Beispiele, wie man zusammenleben kann, zwei verschiedene Nationen, und es ist leider so, dass das in Amerika vielleicht nicht gesehen wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.