Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Bürgerrechtler Malcolm X
Der schwarze Robin Hood von New York

Malcolm Little alias Malcolm X war Dieb, radikaler schwarzer Muslim und Bürgerrechtler. Als einer der charismatischsten Köpfe der Bewegung kämpfte er in verschiedenen Rollen für die volle gesellschaftliche Teilhabe der afroamerikanischen Minderheit in den USA. Am 21. Februar 1965 wurde Malcolm X während einer Rede im Audubon Theatre in New York City erschossen.

Von Thomas Jaedicke | 21.02.2015
    "Willie Bradley, der in der ersten Reihe saß, stand auf und ging sehr schnell Richtung Podium. Als er bis auf fünf Meter herangekommen war, hob er eine abgesägte Schrotflinte, die er unter seinem Mantel versteckt hatte, zielte sorgfältig und schoss."
    Der Schuss war tödlich. Bradley, ein Mitglied der Nation of Islam, jener militanten Organisation schwarzer Muslime in den USA, deren gefeierter Prediger Malcolm X vor Kurzem noch gewesen war, hatte den Schuss abgefeuert. Malcolm X, die große Hoffnung vieler Afroamerikaner auf gesellschaftlichen Fortschritt, der schwarze Robin Hood, war tot. Ermordet von einem Mann aus den eigenen Reihen!?
    1925 wird Malcolm als viertes von sieben Kindern in die Familie des Gelegenheitsarbeiters Earl Little, eines glühenden Anhängers der Separatistenbewegung von Marcus Garvey, hineingeboren. Als Vierjähriger muss Malcolm mitansehen, wie das Haus seiner Familie in Lansing, Michigan, mitten in der Nacht vom Ku-Klux-Klan niedergebrannt wird. Nur knapp entkommen sie dem Tod.
    Zuhälter und Drogendealer
    Zwei Jahre später stirbt sein Vater bei einem mysteriösen Straßenbahnunfall. Ereignisse, die Malcolm bis an sein Lebensende verstören. Er bricht die Schule ab, schlägt sich als Zuhälter und Drogendealer durch. Wegen einer Einbruchserie wird er als 21-Jähriger zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im Zuchthaus liest er viel, entdeckt Elijah Muhammads 1930 gegründete Sekte Nation of Islam, die in jedem Weißen einen Teufel sieht, den es zu töten gilt.
    "Der Feldsklave wurde geschlagen, von morgens bis abends. Er lebte in einem Schuppen mit Lumpen am Leib. Er hasste seinen Herrn. Er war intelligent."
    Noch im Gefängnis hatte Malcolm Little mit Briefen Kontakt zu Elijah Muhammad aufgenommen, der den charismatischen Redner nach seiner Haft schnell zum Prediger Nummer Eins der religiösen Sekte ernennt. Bald ersetzt "X" als Symbol einer gestohlenen Identität den Nachnamen Little. Wie viele andere Afroamerikaner hatten auch Malcolms Vorfahren den Familiennamen der Weißen übernehmen müssen, denen sie als Sklaven dienten.
    "Der Haussklave liebte seinen Herrn, der Feldsklave hasste ihn. Wenn der Master krank wurde, hat der Feldsklave dafür gebetet, dass er stirbt. Wenn jemand ihm sagte: ´Komm, wir hauen ab!´, hat er nicht lange gezögert und gesagt: ´Überall ist es besser als hier!"
    Wie ein Wanderprediger zieht Malcolm X in den 50er-Jahren unermüdlich durchs Land. In Moscheen, Universitäten, im Radio und Fernsehen oder bei Straßendemonstrationen versucht er, seine schwarzen Landsleute in mitreißenden Reden aufzurütteln.
    Ein Mann der Straße
    Anders als der hochgebildete Dr. Martin Luther King, der mit gewaltfreien Mitteln gegen die Rassentrennung kämpft, ist Malcolm X ein Mann der Straße. Er predigt Gewalt statt Versöhnung.
    "King brachte Schwarze nie gegen Weiße in Stellung oder benutzte die Gräueltaten weißer Extremisten als eine Rechtfertigung zur Verurteilung aller Weißen."
    Schreibt der Pulitzer-Preisträger Manning Marable in seiner Biografie "Malcolm X – A Life of Reinvention".
    "Im Gegensatz dazu versuchte Malcolm, die Weißen in ihrer Beziehung zu den Schwarzen in eine defensive Position zu bringen. Er gab Millionen junger Afroamerikaner neues Selbstbewusstsein."
    Während Malcolm X die Sprache der kleinen Leute spricht und immer beliebter wird, stagniert die Nation of Islam. Auf die immer drängender werdenden Fragen der Bürgerrechtler findet die dogmatische Sekte, die 1961 in den USA rund 75.000 Mitglieder zählt, immer noch keine andere Antwort, als weiter ganz auf ihr streng religiöses Programm zu setzen. Da Malcolms Agenda zugleich immer politischer wird, nehmen die Spannungen zwischen ihm und den frommen Muslims weiter zu.
    Dogmatische Sekte
    Als Malcolm X nach einer langen Afrikareise seine militanten Überzeugungen fast ganz aufgibt, um sich der Bürgerrechtsbewegung weiter anzunähern, kommt es zum Bruch. Die Nation of Islam schließt ihren Star aus. Als Reaktion macht Malcolm X öffentlich, dass Sektengründer und Moralapostel Elijah Mohammed sechs uneheliche Kinder hat. Ein paar Tage später geht Malcolms Haus in Flammen auf. Und am 21. Februar 1965 zieht sein schwarzer Muslimbruder Willie Bradley, der als Informant dem FBI zugearbeitet haben soll, in New York seine Schrotflinte und drückt ab.