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BUND-Gewässer-Report
92 Prozent der Flüsse und Seen in schlechtem Zustand

Zuviel Nitrat, zu wenige Arten, zu stark begradigt: Nur acht Prozent der deutschen Gewässer erfüllen noch die Vorgaben der EU. Die Elbe gilt noch am ehesten als naturnah, große Sorgen bereiten Naturschützern die Oder und die Werra. Der BUND befürchtet zudem, dass die EU Standards absenken will.

Von Anja Nehls | 16.05.2018
    Die Werra fließtnahe dem Kali-Abraumberg "Monte Kali" am Werk "Werra" Standort Wintershall im osthessischen Heringen vorbei. I
    Die Werra fließt nahe dem Kali-Abraumberg "Monte Kali" am Werk "Werra" der K+S-Gruppe im osthessischen Heringen vorbei - das Wasser ist versalzen, kritisiert der BUND (picture alliance / Uwe Zucchi)
    Nur acht Prozent der Gewässer in Deutschland erfüllen die Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, in der es um die Schadstoffbelastung und den ökologischen Zustand von Flüssen und Seen geht. Das heißt, nur acht Prozent sind in einem guten Zustand, 92 Prozent in einem schlechten, sagt Laura von Vittorelli, Gewässerexpertin beim BUND:
    "Zu viele Flüsse haben gerade zu wenig Raum, zu viele Schadstoffe aus der Landwirtschaft, ganz besonders schlimm ist zu viel Nitrat, was man dann an der Küsten sieht mit Eutrophierung oder vielleicht im lokalen Badesee sehr oft. Zu wenig Durchgängigkeit, also man hat sie einmal begradigt und man sagt alle zwei Kilometer ist ein Querbauwerk, da kommen dann oft die Fische nicht drüber, das heißt, Fische, die wandern, die nach oben kommen wollen in einem Flusslauf um sich fortzupflanzen, die schaffen das nicht und dann fehlt diese Fischart halt ganz."
    Klare Flüsse nicht unbedingt artenreich
    Und wenn ein Fluss oder See einigermaßen klar aussieht, hieße das noch lange nicht, dass er auch artenreich ist, erklärt Hubert Weiger vom BUND. Gerade die Vielfalt von Tieren und Pflanzen in den Gewässern sei aber verantwortlich für die Wasserqualität:
    "Und dass das Wasser, das nach unten fließt, bzw. ins Grundwasser gelangt und damit eines Tages von uns als Trinkwasser genutzt wird, dass das möglichst wenig belastet ist, das ist die Leistung von vielen Organismen. Je mehr Arten, je mehr Organismen, desto höher diese Leistung. Und je mehr Arten leben in einem Gewässer je naturnaher es ist."
    Langfristig weniger Pestizide und Dünger nötig
    Einen möglichst naturnahen Zustand müsse man deshalb mit großen Investitionen möglichst schnell wieder herstellen. Erste Schritte seien sogar relativ unkompliziert möglich:
    "Gewässerrandstreifen bundesweit einführen, verpflichtend und zweitens wir sagen, am besten weniger Pestizide, weniger Dünger, das muss langfristig erfolgen, aber eine Pufferzone schaffen, dass das nicht alles auf einmal reinläuft, das wäre so ein erster einfacher Schritt."
    Versalzene Werra durch Einleitungen des Konzerns K+S
    Der Fluss, der in Deutschland als noch am ehesten naturnah gilt, ist die Elbe, weil sie auf 400 Kilometern Länge frei fließen kann. Die größten Sorgen machen den Experten die Oder, die durch weiteren Ausbau für die Schifffahrt bedroht ist, und vor allem die Werra, sagt Hubert Weiger:
    "Die Werra ist versalzen durch die Einleitung von Kalisalzabwässern aus dem Bergbau in Hessen. Da muss allerdings Kali und Salz, eines der großen deutschen Unternehmen hier erheblich investieren, damit es künftig der Werra besser geht, als es bisher der Fall ist."
    Umschichtung hin zu Wiedergutmachungsprogrammen
    Zwei Drittel der anderen europäischen Länder betreiben bereits wesentlich wirksameren Gewässerschutz als Deutschland. Seit 2000 gilt nämlich die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die besagt, dass alle europäischen Gewässer bis 2015 in einem guten Zustand sein sollen.
    Maximal verlängerbar ist diese Frist bis 2027. Von diesen Vorgaben sind wir aber weit entfernt. Auf europäischer Ebene soll deshalb jetzt einfach die Richtlinie verändert werden, indem Standards gesenkt und Fristen noch mal verlängert werden. Darauf dürfe sich Deutschland nicht einlassen, im Gegenteil:
    "Die europäische Wasserrahmenrichtlinie muss in ihrem Bestand erhalten bleiben und wir müssen endlich Personal und Geld bereitstellen, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, nämlich ein guter Gewässergütezustand im ganzen Land zu sichern und das heißt, wir müssen umschichten von Ausbaumaßnahmen zu Wiedergutmachungsprogrammen, damit tatsächlich unsere Flüsse wieder lebendige Organismen in der Landschaft sind."
    Renaturierung gegen Überschwemmungen
    Konkret könnte zum Beispiel die Bundeswasserstraßenverwaltung künftig nicht nur die Schifffahrt ermöglichen, sondern auch die Wasserrahmenrichtlinie umsetzen. Damit wäre es möglich, mehr Geld für die Entsteinung von Ufern oder den Rückbau von Buhnen und Wehren zu investieren.
    Wegen des Klimawandels erwartet der BUND heftigere Niederschläge und längere Trockenzeiten. Die Renaturierung von Flüssen sei deshalb auch die wirksamste Maßnahme gegen Hochwasserkatastrophen und Überschwemmungen.