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BUND-Studie
Massentierhaltung fördert antibiotikaresistente Keime

Das meiste in Deutschland verkaufte Putenfleisch ist mit antibiotika-resistenten Keimen verseucht. Das hat eine BUND-Untersuchung ergeben. Betroffen ist fast ausschließlich Discounter-Fleisch. Für Menschen können die Folgen der Massentierhaltung zum Problem werden.

Von Anja Nehls | 12.01.2015
    Mit Plakaten gegen Massentierhaltung und Tierquälerei demonstrieren Vertreter mehrerer Bürgerinitiativen am Freitag (25.11.2011) in Hannover am niedersächsischen Landwirtschaftsministerium.
    In Deutschland werden zu oft und unnötig Antiobiotika verabreicht. (dpa / picture-alliance / Philipp von Ditfurth)
    Gefunden wurden ESBL- und MRSA-Keime. MRSA-Keime können zum, Beispiel direkt schwere Infektionen auslösen, wenn sie durch kleinste Hautritze direkt aufgenommen werden. Sie können leicht zum Beispiel durch ein Messer vom Fleisch auf andere Lebensmittel übertragen werden.
    ESBL-Keime siedeln sich im Darm an und machen erst mal gar nichts gar nicht, aber wer mal Antibiotika benötigt zum Beispiel wegen einer Lungenentzündung, der kann das Pech haben, dass diese Antibiotika nicht anschlagen, weil die Darmbakterien ESBL produzieren.
    Auf 88 % der insgesamt 57 Putenfleischproben von Discountern in ganz Deutschland, Aldi, Lidl, Netto, Real und Penny hat der BUND antibiotikaresistente Keime gefunden.
    Ausbreitung der Keime
    Dann wurden vier Testkäufe aus Hofschlachtungen ausgewertet, also Fleisch aus alternativen Haltungen und Einzeltierschlachtung – und das Ergebnis war: Es gab keine solchen Keime. Die riesigen Massenschlachthöfe tragen also zur Ausbreitung dieser Keime bei, sagt Reinhild Benning vom BUND:
    "Auf dem Schlachthof ist es oft feucht, es ist an vielen Stellen sehr warm in der Schlachtung. Das sind optimale Bedingungen für die Vermehrung von Keimen und so auch antibiotikaresistenzen produzierenden Keimen. Daher ist der Schlachthof wie eine Streudose. Das heißt, wenn ich vorne eine unbelastete Biopute in einen Mega Schlachthof gebe, kann es durchaus sein, dass sie am Ende belastet mit antibiotikaresistenten Keimen wieder herauskommt."
    Ursprünglich verantwortlich für die Entstehung dieser Keime ist der hohe Antibiotikaeinsatz in der industriellen Landwirtschaft. Und in der Massentierhaltung.
    Für besonders problematisch hält man beim BUND, dass dabei auch sogenannte Reserveantibiotika bei den Puten eingesetzt werden, sagt Reinhild Benning, die Wirksamkeit dieser Antibiotika sei nämlich für den Menschen besonders wichtig:
    "Weil sie zum Einsatz kommen, wenn oft schon andere Antibiotika nicht mehr wirken. Diese Reserveantibiotika müssen sofort in der Tierhaltung verboten werden, denn sie sollen Leben retten und nicht in der Massentierhaltung abgestumpft werden."
    Antibiotikaanwendung beim Geflügel
    Das könnte aber ein Problem werden, meint Hans-Joachim Götz vom Bundesverband praktizierender Tierärzte, weil gerade im Geflügelbereich sehr wenige Antibiotika überhaupt zugelassen sind, werden dort Reserveantibiotika eingesetzt:
    "Das liegt einfach daran, dass die Antibiotikaanwendung beim Geflügel in der Regel über das Trinkwasser erfolgt. Also wir sind da ein bisschen in der Zwickmühle. Aber dennoch ist jeder Einsatz von deshalb Reserveantibiotika zu viel. Ein pauschales Verbot lehnen wir als Tierärzte ab, wir müssen auch im Notfall Tiere behandeln können."
    Insgesamt seien aber nur 1% aller eingesetzten Antibiotika Reserveantibiotika, sagen die Tierärzte.
    Landwirte sollten nachbessern
    Laut einer vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie hat Deutschland im europäischen Vergleich den vierthöchsten Verbrauch von Antibiotika pro kg Lebendgewicht. Der BUND fordert also die Haltungsbedingungen der Tiere so zu verbessern, dass gar nicht mehr so viele Medikamente nötig sind. Maria Flachbarth vom Bundeslandwirtschaftministerium sieht das ähnlich:
    "Diese Tiere werden ja nicht einfach so krank, es muss ja einen Grund geben, warum die Tiere krank werden, also wie ist die Fütterung, wie ist die Lüftung, wie ist die Wasserzufuhr, wie ist die Struktur der Fußböden."
    Und all das müssen verpflichtend die Landwirte verbessern, die zu viele Antibiotika verbrauchen, da muss das ganz genau dokumentiert werden. Seit Mitte des Jahres gilt dieses Gesetz. Dadurch soll der Antibiotikaverbrauch insgesamt sinken, hofft man im Landwirtschaftsministerium.
    Der BUND fordert darüber hinaus auch die Abschaffung eines Rabattsystems für die Tierärzte. Momentan bekommen die Tierärzte, die am meisten Antibiotika verschreiben auch die besten Konditionen von den Herstellern.