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Bundes-SPD gegen Bruch der Koalition in Düsseldorf

Probst: Nun haben wir ihn doch noch erreicht in Berlin: Hans-Peter Kemper, SPD-Bundestagsabgeordneter und im Bundestag Vorsitzender der NRW-Landesgruppe. Guten Tag, Herr Kemper.

    Kemper: Guten Tag.

    Probst: Einige Ihrer Kollegen aus dem NRW-Landesverband warnen eindringlich davor, die rot-grüne Koalition in Düsseldorf platzen zu lassen. Würden Sie sich dieser Einschätzung anschließen?

    Kemper: Die Kollegen, die dort warnen, tun das sicherlich aus berechtigter Sorge, denn sie sind nicht nur Bundestagsabgeordnete sondern auch Politiker des Landes Nordrhein-Westfalen und machen sich dort natürlich Sorgen.

    Probst: Was ist Ihre Sicht?

    Kemper: Ich wäre allerdings sehr dafür, die Probleme dort zu lassen, wo sie entstanden sind und wo sie auch gelöst werden müssen, nämlich in Düsseldorf. Es ist nicht in erster Linie ein Berliner Problem, sondern eher ein Düsseldorfer Problem. Ich würde es begrüßen, wenn die Koalition weitergeführt würde, aber auch nicht um jeden Preis. Ich glaube, der Ministerpräsident muss entscheiden: Finden wir einen Weg, wo wir die nächsten zwei Jahre bis zu den nächsten Wahlen ohne Schwierigkeiten und ohne parteiinterne Streitigkeiten hinter uns bringen, oder finden wir diesen Weg nicht? Ich glaube, daran wird er das festmachen und auch festmachen müssen.

    Probst: Wenn Sie sagen, das muss primär in Düsseldorf geregelt werden, heißt das auch, man sollte aus Ihrer Sicht die eventuelle bundespolitische Signalwirkung außer acht lassen?

    Kemper: Das ist sicherlich ein Punkt, der uns hier Sorgen macht: die bundespolitische Signalwirkung. Sie kennen aber die Meinung des Ministerpräsidenten. So völlig abwegig ist das nicht, dass er sagt, er hat nicht nur Verantwortung für die Bundespolitik und für die Signalwirkung, sondern auch dafür, dass er die Landesregierung handlungsfähig hält und dass die Landesregierung in Düsseldorf auch nach dem Jahre 2005 SPD-geführt sein wird.

    Probst: Es hat ja letzte Woche, Herr Kemper, ein Treffen zwischen Steinbrück und der NRW-Landesgruppe gegeben. Hatten Sie da den Eindruck, dass Steinbrück noch Chancen sieht für eine Fortsetzung?

    Kemper: Er hat die Situation sehr kritisch beurteilt und das auch mit Beispielen unterlegt. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass die Entscheidung so oder so gefallen ist. Ich denke, es gibt Chancen für die Fortführung der rot-grünen Regierung. Es lohnt sich auch, um den Fortbestand dieser Regierung zu kämpfen, denn sie haben acht Jahre lang eine recht gute Politik gemacht. Es ist wie in einer Ehe: Bei alten Ehepartnern gibt es Verschleißerscheinungen, und dann hat man sich plötzlich irgendwann nichts mehr zu sagen. Dann muss man sich aussprechen und muss gucken: Geht es weiter, oder geht es nicht weiter? Oft geht es ja dann weiter. Man spricht sich aus, und dann geht es weiter. Das hoffe ich auch für Nordrhein-Westfalen.

    Probst: Was Sie als recht erfolgreiche Politik ansehen, sehen andere als "Gewürge", um Friedhelm Farthmann zu zitieren, oder als einen sehr mühsamen Prozess bei der Kompromisssuche. Braucht das Land nicht auch etwas mehr einen Aufbruch, für den der Kanzler ja auch auf Bundesebene plädiert?

    Kemper: Das ist ohne Zweifel der Fall, wobei Kompromisse und Koalitionsentscheidungen oftmals sehr mühsam sind. Die Frage ist einfach: Mit wem ist dieser Aufbruch besser hinzukriegen? Wenn man sich die Alternativen da anguckt, ist das so doll nicht bestellt in Nordrhein-Westfalen, und von daher...

    Probst: Mit der FDP nicht?

    Kemper: ... und von daher glaube ich, dass man durchaus nicht sofort die Flinte ins Korn werfen und die Chancen nutzen sollte.

    Probst: Wenn wir aber beispielsweise die Verkehrspolitik oder die Energiepolitik nehmen: Da gibt es doch eine viel größere Schnittmenge zwischen SPD und FDP als mit den Grünen, nicht wahr?

    Kemper: Das ist ohne Frage so. Aber dafür ist auf anderen Politikfeldern die Schnittmenge zwischen SPD und Grünen ungleich größer. Keiner soll glauben, es gäbe mit der FDP dann keine Reibungsverluste und keine Probleme.

    Probst: Noch einmal das Stichwort Düsseldorf und die Prioritäten: Macht dann dieses geplante Treffen am Donnerstag mit zwar schwerwiegend SPD-Politikern aus NRW aber doch auf Bundesebene Sinn, oder könnte das eher produktiv sein?

    Kemper: Ich glaube schon, dass es Sinn macht, denn auch dem Kanzler ist daran gelegen, dass der größte Landesverband ruhig geführt wird, dass im größten Land auch eine handlungsfähige Regierung da ist. Ich denke, dieses Gespräch ist in jedem Fall gut. Genauso wie die Gespräche mit der Landesgruppe pausenlos laufen und in der nächsten oder übernächsten Woche wieder stattfinden werden.

    Probst: Ruhige Führung des Landesverbandes und der Landesregierung, Herr

    Kemper: Wenn ich die Schlagzeilen eben noch einmal zitieren darf: Steinbrück stellt sich gegen Schröder oder fordert Schröder heraus. Diesen tiefgreifenden grundlegenden Dissens würden Sie in dieser Frage nicht sehen?

    Kemper: Ich sehe, dass es im Augenblick eine unterschiedliche Interessenslage gibt. Steinbrück sieht in erster Linie die Interessen der NRW-Landesregierung, der Kanzler sieht das große Ganze. Von daher kann es da durchaus unterschiedliche Meinungen geben. Ich halte sie aber nicht für so tiefgreifend, dass es hier zu schweren Verwerfungen kommt.

    Probst: "Katastrophale Entwicklungen", von denen der Fraktionsvize Müller mit Blick auf den Bundesrat gesprochen hat- so weit würden Sie nicht gehen?

    Kemper: Nein, so weit würde ich nicht gehen. Ich teile viele Punkte, die Michael Müller angeführt hat, aber ich würde die Katastrophe im Augenblick noch nicht ausrufen wollen.

    Probst: Dass eine sozialliberale Koalition ein Signal wäre, die sich dann perspektivisch auch wieder für den Bund abzeichnen könnte?

    Kemper: Das sehe ich im Augenblick noch nicht.

    Probst: Hans-Peter Kemper war das, SPD-Bundestagsabgeordneter aus NRW. Danke Ihnen.

    Kemper: Bitte sehr. Tschüss.