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Bundesfreiwilligendienst
Mal Sprungbrett, mal Rettungsanker

Seit drei Jahren gibt es in Deutschland den Bundesfreiwilligendienst. Er soll vor allem junge Menschen ansprechen, sich sozial zu engagieren. Zunehmend gibt es Bedenken, dass Menschen durch existenzielle Nöte gezwungen werden könnten, sich am "Bufdi" zu beteiligen.

Von Anke Petermann und Henry Bernhard | 19.06.2014
    Blick in einen Krankenhausflur.
    Ob Altenpflege, Hausmeister oder Klinikradio: Der Bundesfreiwillgendienst bietet viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. (Jens Kalaene, dpa picture-alliance)
    Vor drei Jahren wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Als Ersatz für den Zivildienst wurde damals der Bundesfreiwilligendienst ins Leben gerufen. Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland rund 50.000 Bundesfreiwillige, sogenannte Bufdis. Sie werden mit dem Satz "Zeit, das Richtige zu tun" angelockt.
    "Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Angebot an Frauen und Männer jeden Alters, sich außerhalb von Beruf und Schule für das Allgemeinwohl zu engagieren",
    heißt es in der Beschreibung des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Jeder darf also mitmachen. Aber zunehmend gibt es Bedenken, dass Menschen durch existenzielle Nöte gezwungen werden könnten, sich am Bundesfreiwilligendienst zu beteiligen. So sind es im Osten zumeist ältere Arbeitslose, die sich für diesen Dienst bewerben. Im Westen hingegen sind es zum größten Teil junge Leute unter 27, die den Freiwilligendienst als Sprungbrett für ihre Zukunft wahrnehmen.
    Üben für den Arbeitsalltag
    Moritz Biba ist 20 Jahre alt - Abiturient und seit fast einem Jahr Bufdi, also Bundesfreiwilliger in Hessen. In Jeans und T-Shirt, mit Lockenkopf und wachen Augen wirkt er jungenhaft. Ihm gegenüber am Computer sitzt Tanja Becker, 23, Studentin und Praktikantin. In zwanzig Minuten moderieren die beiden live den zweistündigen "Stadtreport" im Wiesbadener "Radio Klinikfunk". Schnell noch die letzten Moderationstexte schreiben. Kurzer Austausch über die Bildschirme hinweg.
    "Was fehlt n jetzt noch?" - "Wetter." - "Dann hast du alles?" - "Ja. Gut, ne?!" - "Was sind wir denn so in der Zeit heute! Was ist 'n da los?"
    Dass die Sendung mit Wetter, Fußball-Interview, Reisetipp und Promi-Klatsch ganz ohne Hektik schon eine Viertelstunde vor Beginn steht – eher die Ausnahme im ehrenamtlich betriebenen Radio Klinikfunk. Schließlich sind der Freiwillige und die Praktikantin nicht nur für Redaktion, Moderation und die technische Sendevorbereitung zuständig. Der Bufdi fährt außerdem die Sendung aus dem voll digitalisierten Container-Studio auf dem Klinik-Dach selbst. Für die heutige Ausgabe hört er noch eben die ersten Musiktitel vor.
    "Ja, da kann natürlich immer sein, dass die Technik nicht geht. Neulich war so 'ne Sendung, da ging fast gar nichts. Das ist natürlich nicht so einfach."
    Zumal Moritz Biba das Radiomachen beim Klinikfunk im Schnelldurchgang lernte.
    "Also, er wurde bei uns, als er den Bufdi angefangen hat, in die Technik eingewiesen und hat das Studio erklärt bekommen, und so das Rüstzeug, was man zum Fahren einer Radiosendung braucht, wurde ihm vermittelt, und jetzt macht er täglich oder dreimal in der Woche selbstständig eine Sendung, die er betreut und auch redaktionell füllt",
    erklärt der Bufdi-Beauftragte Kai Simon und Klinikfunk-Sprecher Christopher Schenk ergänzt:
    "Wie fahre ich das Studio hoch, was ist zu beachten, was ist zu tun, wenn auf einmal der Bildschirm schwarz wird. Also, da gibt's auf jeden Fall Nachschlagewerke, wo man nachschauen kann, wenn wirklich auf einmal was ausfallen sollte oder wenn Fragen zur Technik sind."
    Für den Bufdi sind Simon und Schenk im Notfall per E-Mail und Handy erreichbar. Beide moderieren auch beim Klinikfunk – ehrenamtlich neben einem Vollzeit-Job. Gesendet und gehört wird das Wohlfühl- und Genesungsprogramm auf Kanal 1 in den Zimmern der Horst Schmidt Klinik, einem Krankenhaus in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Früher war ein Zivildienstleistender der einzige Festangestellte des Unterhaltungsprogramms für Patienten, heute ist das der Bufdi. Der Freiwillige ist damit zu den üblichen Bürozeiten auch Ansprechpartner für Fragen zum Programm und zu dem Verein, der es betreibt.
    "Er hat da auch 'ne hohe eigenständige Kompetenz, die er da wahrnehmen darf",
    sagt Kai Simon über Moritz Biba, der schnell noch einen Song von Deep Purple vorhört und dabei erklärt, wie das Patienten-Radio organisiert ist.
    "Also, die Klinik hat mit uns eigentlich auch nicht so viel zu tun. Die dulden uns hier nur sozusagen und zahlen uns Strom und Wasser sozusagen."
    Im Container-Büro auf dem Klinik-Dach ist es heiß. Der 20-Jährige setzt ein Plastikfläschchen Mineralwasser an den Mund. Im angrenzenden Sendestudio macht Biba die Klima-Anlage an. Noch ein Schluck krankenhausfinanziertes Wasser,
    "Ansonsten ist das halt alles von uns. Also, die Technik usw., die ganze Einrichtung ist von uns",
    also vom Verein Radio Klinikfunk. Hochmoderne Rundfunktechnik in einem 20 Jahre alten Container-Komplex. Die Studiotür quietscht, vergilbter Noppenschaumstoff an Wänden und Decke dämpft den Schall. Aber die Mikrofone sind vom Feinsten.
    "Das ist halt alles von Mitgliedsbeiträgen oder halt Spenden finanziert. Also, da stehen wir komplett auf eigenen Füßen. Ohne die ganzen Mitglieder, ohne den Verein gäb's das nicht."
    Und ohne Sponsoren und Preisgelder könnte der Radiosender das Taschengeld und den Verpflegungszuschuss von monatlich je 200 Euro für den Bundesfreiwilligendienst nicht aufbringen. Die Kosten für die tägliche Autofahrt nach Wiesbaden muss der junge Darmstädter allerdings selbst zahlen, das gibt die Vereinskasse nicht her:
    "Das sind am Tag halt 130 Kilometer, und den Sprit gibt's ja leider nicht umsonst. Deswegen frisst das eigentlich mein gesamtes Taschengeld auf, sodass am Ende eigentlich nichts mehr übrig bleibt, weil der Sprit halt einfach so teuer ist."
    Moritz Biba zuckt die Schultern: Eine nötige Investition in die Zukunft, findet er. Zehn-Stunden-Tage gegen ein Taschengeld - für seinen Traum-Job nimmt er das in Kauf.
    "Wenn ich jetzt irgendwie ins Radio oder ins Fernsehen will – da muss man halt Opfer bringen, ne. Und dann lohnt es sich halt auch, keine Ahnung, andere Interessen mal zurückzustellen und dann halt Einsatz zu bringen, damit man halt im Leben weiterkommt. Man kriegt ja nichts geschenkt."
    Der 20-jährige Moritz Biba hat sein Leben, seine ganze berufliche Zukunft noch vor sich. Der Bundesfreiwilligendienst hilft ihm, sich ehrenamtlich zu engagieren und beruflich zu orientieren. In den alten Bundesländern lag der Anteil der unter 27-jährigen Freiwilligen im vergangenen Jahr bei 81 Prozent.
    In Ostdeutschland gibt es – bezogen auf die Bevölkerungszahl – doppelt so viele Bundesfreiwillige wie im Westen und die Wartelisten sind voll. Doch nur jeder Fünfte ist jünger als 27.
    Alternative zum Ein-Euro-Job
    An die Stelle von Wehr- und Zivildienst tritt der Bundesfreiwilligendienst
    An die Stelle von Wehr- und Zivildienst tritt der Bundesfreiwilligendienst (picture alliance / dpa)
    In Thüringen ist es gar nur jeder Neunte. Es sind vor allem ältere Menschen, die demnächst das Rentenalter erreichen werden oder Menschen, die seit vielen Jahren Arbeit suchen. Ist der Freiwilligendienst im Osten also auf dem Weg, ein weiterer Arbeitsmarktsektor zu werden? Zu einem Rettungsanker für Langzeitarbeitslose? Ralf Reichelt aus Thüringen hat die die längste Zeit seines Arbeitslebens bereits hinter sich. Eine berufliche Orientierung braucht er nicht mehr. Aber auch er ist ein Bufdi.
    "So, dann gehen wir mal runter gleich in den Keller."
    Ralf Reichelt ist 50 Jahre alt. Ein kleiner, drahtiger Mann mit Glatzkopf, Ohrringen und einem offenen Lächeln.
    "So, das ist eben jetzt hier der Keller unten, also unser Bereich. Wenn jetzt was anliegt, oder irgendetwas, das teilen wir dann hier aus. Was eben die Pflegekräfte jetzt brauchen, oben jetzt ne. Da können wir gleich ein bisschen was mitnehmen."
    Seit einem halben Jahr arbeitet er im St. Elisabeth Altenpflegeheim der Caritas in Erfurt. Als zweiter Hausmeister.
    "Da hatten wir dann die Blumen alles gepflanzt, Rasen mähen."
    Die Windeln entsorgen, Müll runterbringen, Bilder anbringen, Zimmer renovieren.
    "Ich hatte erst vorher einen Ein-Euro-Job gehabt, das war auch eine offene Begegnungsstätte. Und da hat's mir ja eigentlich gefallen; aber das Arbeitsamt hat danach wieder gesagt, nein, Sie hätten schon zwei Mal. Da haben sie dann gesagt, "Ja, Bundesfreiwilligendienst können Sie machen!" Und da habe ich gesagt, "Na dann mache ich das!" Und man freut sich dann selber, wenn die alten Leutchen sich dann freuen und sagen, "Ach, schön gemacht!"
    Reichelt steigt aus dem Fahrstuhl, ein Körbchen mit Glühbirnen in der Hand. Er kontrolliert die Lampen auf allen vier Etagen, tauscht kaputte aus, grüßt nach links, nach rechts, scherzt mit den Bewohnern. Auch mit denen, die stumm am Tisch sitzen und vor sich hin starren.
    "Und das sind jetzt praktisch so unsere Bewohnerchens, unsere alten Damen! Na, ihr drei! Alles fit da hinten? Du erkennst mich ... – ich hab 'ne neue Brille auf! –, du erkennst mich gar nicht!"
    Ralf Reichelt ist einer von 50.000 Bundesfreiwilligen in ganz Deutschland, einer von 3.000 in Thüringen. Was als Ersatz für den Zivildienst gedacht war, als Orientierungshilfe für junge Menschen, als Chance für ehrenamtliches Arbeiten, hat sich zumindest im Osten stark verändert. So sieht es auch Michael Panse, Generationenbeauftragter der Thüringer Landesregierung und zuständig für die Bundesfreiwilligen.
    "Also ich glaube im Wissen um die Sozialstruktur, die wir bei uns in Thüringen haben und auch bei den rund 3.000 Bundesfreiwilligen, die wir derzeit haben, glaube ich, dass etwa zwei Drittel aus arbeitsmarktpolitischen Gründen kommen, weil sie zu dem Zeitpunkt keine Beschäftigung haben, teilweise lange auch schon arbeitslos waren und für sie das sozusagen eine Perspektive, auch eine jobartige Perspektive ist. Und rund ein Drittel hingegen aus dem rein freiwilligen Gedanken heraus sagen, 'Ich möchte mich ehrenamtlich engagieren'!"
    Ralf Reichelt ist so gesehen ein typischer Fall, sagt die Leiterin des Erfurter Altenheims, Sabine Blask. In der Pflege gebe es kaum noch Freiwillige.
    "Die können das machen beim Bundesfreiwilligendienst, aber da ist oftmals keine Bereitschaft mehr. Das geht dann mehr in die anderen Bereiche. Also, an der Pflege ist jetzt keiner mehr so nah dran wie die Zivildienstleistenden. Das heißt für unsere Bewohner, dass unsere Pflegekräfte mehr Aufgaben übernehmen müssen, die sonst über den Zivildienst abgedeckt werden konnten, dass wiederum für die Bewohner oftmals sehr wenig Zeit bleibt noch für zusätzliche Betreuung."
    Hinzu kommt, dass in Thüringen und überhaupt im Osten neun von zehn Freiwilligen älter als 27 sind. Viele der Bufdis sind sogar 50 bis 60 Jahre alt.
    "Und wenn man gleichzeitig die Arbeitsmarktstatistiken bei uns kennt, weiß man: Das sind diejenigen, die teilweise seit 5 Jahren, seit 10 Jahren keine Chance mehr auf dem normalen Arbeitsmarkt haben. Es sei denn, man baut ihnen eine Brücke und schafft sie sozusagen nah an Träger ran, dass sie bei den Trägern sich auch wieder beweisen können und dass dann auch die einzelne Einrichtung sagt, "Oh, der kann was! Der hat sich bei uns engagiert ein Jahr ehrenamtlich im Bundesfreiwilligendienst, hat dafür ein Taschengeld bekommen, aber der wäre auch jemand, um zumindest halbtags wieder in Beschäftigung zurückzubringen. Diese Brücke gibt es bei uns."
    Leben zwischen Hartz IV und Ein-Euro-Job
    Ralf Reichelt tauscht eine defekte Leuchtstofflampe aus. Sechs Stunden arbeitet er am Tag, 30 in der Woche. Dafür bekommt er ein Taschengeld von 225 Euro. Davon werden ihm 25 abgezogen, 200 darf er zusätzlich zum Hartz IV-Satz behalten. Er kommt klar damit, arbeitet auch sehr gern hier im Altersheim, aber eigentlich will er eine richtige, bezahlte Arbeit.
    "Gelernt habe ich Instandhaltungsmechaniker zu DDR-Zeiten; das gab's ja dann nicht mehr. Also, es wurden ja keine Maschinen mehr repariert. So, dann hatte ich noch mal umgeschult auf Trockenbauer. Das war dann auch vorbei. Und dann war ich alleinerziehender Vater, und dadurch war's dann mit arbeiten auch schlecht."
    Seit 16 Jahren hat Reichelt keine reguläre Arbeit. Auch wenn viele wie der 50-Jährige fit sind und arbeiten wollen, gelten Menschen wie er bei der Agentur für Arbeit als kaum noch vermittelbar. Ein Leben zwischen Hartz IV, Umschulungen, Bewerbungstrainings, Ein-Euro-Jobs, "Maßnahmen" der Agentur für Arbeit.
    "Ich versuche eben irgendwie, dass da, dass du Arbeit kriegst. Und wenn es erst einmal ein Minijob. Ich sage: Hier würde ich sofort bleiben jetzt, ne!"
    Das Positive am Bundesfreiwilligendienst ist sein Image: Es ist deutlich besser als das von "Maßnahmen" der Arbeitsagenturen und von Ein-Euro-Jobs. Dadurch fühlen sich die Freiwilligen wertgeschätzt und gut aufgehoben. Wichtig ist jedoch, dass die zwölf oder 18 Monate für die Bufdis keine Sackgasse bleiben, meint Michael Panse, der Generationenbeauftragte Thüringens.
    "Ich frage, wenn ich bei den Seminaren bin mit den Bundesfreiwilligen. Wenn sozusagen die Abschiedsrunde ist nach zwölf Monaten: "Für wen von ihnen gibt es jetzt eine Perspektive?" Da sagt mir ein großer Teil der Bundesfreiwilligen, "Es wäre schön, wenn ich jetzt gleich ein zweites Jahr dranhängen könnte; es hat mir Spaß gemacht, ich will's weiter machen! Ich brauch's auch eigentlich, dass ich was Verbindliches hab."
    Es sagen mir inzwischen auch mehr und mehr, "Ich habe ein Übernahmeangebot von meinem Träger gekriegt, der gesagt hat, bleib doch bei mir, mach einen Halbtagsjob, mach einen 450Euro-Job!", oder in wenigen Fällen auch "Mach einen festen Job!" Das gibt's inzwischen zunehmend."
    Auch Ralf Reichelt will nicht vom Altersheim weg. Er will auf jeden Fall die 18 Monate Bundesfreiwilligendienst in Gänze absolvieren. Ihm gefällt die Arbeit:
    "Deswegen hatte ich mich ja auch mal beworben dann, wenn das jetzt hier vorbei sein sollte. Und ich wollte dann eigentlich als Pfleger . Und auf dem Arbeitsamt hat man mir gesagt, ich wäre zu alt. Da habe ich gesagt: "Also mit 50 zu alt? Ich muss bis 67 noch los! Und das lohnt sich ja!"
    Immerhin wird sein Fall nun beim Jobcenter "50 Plus" bearbeitet. Noch ist unklar, ob seine Ausbildung zum Pfleger finanziert würde. Solche Fälle, die in einer Ausbildung münden, sind aber relativ selten, so Panse:
    "Also, ich glaube, wir werden in Thüringen, auch in den neuen Bundesländern insgesamt, auch für die nächsten vielen Jahre eine große Nachfrage auch von älteren Menschen im Bundesfreiwilligendienst haben. Wir müssen auch akzeptieren, dass wir in Thüringen auch in ein paar Jahren oder auch jetzt schon zunehmend, uns mit dem Thema Altersarmut beschäftigen. Es gibt 'ne ganze Menge Menschen, die auch 65 und älter sind und immer noch nach einer Perspektive suchen, wo sie etwas verbindlich machen können und auch ein Stückchen was an Geld dafür bekommen. "
    Bufdi gegen Altersarmut
    Das wiederum wirft die Frage auf, ob der Bundesfreiwilligendienst die richtige Antwort auf Langzeitarbeitslosigkeit und Altersarmut ist. Gedacht war er jedenfalls nicht so. Kritiker bemängeln, dass mit dem Freiwilligendienst ein Niedriglohnsektor durch die Hintertür eingeführt wurde. So sieht es auch Ina Leukefeld von den LINKEN im Thüringer Landtag.
    "Es ist ein Ersatzprogramm für Arbeit! Das wiederum auf ehrenamtlicher Basis halte ich nicht besonders für gut. Aber es ist schon eine wichtige Sache, denn Arbeit ist da. Und die Tatsache, dass Menschen arbeiten wollen, zeigt ja, dass man hier Schlange steht im Osten!"
    Leukefeld plädiert für eine öffentlich geförderte, angemessen bezahlte Beschäftigung. So lange es die nicht gibt, wird der Bundesfreiwilligendienst zumindest im Osten Auffangbecken für die sein, die schon lange keine Chance mehr auf eine reguläre Arbeit haben.
    Eine Chance auf eine reguläre Arbeit erhofft sich auch der junge Moritz Biba vom Klinikfunk in Wiesbaden. Sein Freiwilligendienst endet im August. Danach will er Politikwissenschaften studieren und sich um ein Volontariat beim Rundfunk bewerben. Er hatte geahnt, dass ihm das Moderieren liegen würde. Deshalb schlug er im Spätsommer vergangenen Jahres Angebote von Kindergärten und Tafeln rund um seinen Wohnort Darmstadt aus und entschied sich für den stressigen Radio-Job in Wiesbaden. Jetzt, fast ein Jahr später, hat er die Gewissheit: Das ist sein Ding, das soll sein Beruf werden. - Es ist kurz nach 15 Uhr. Der Nachwuchsmoderator setzt den Kopfhörer auf, zieht den Mikrofonregler am Mischpult hoch, sagt den Stadtreport für Kranke und Genesende an.
    "Wir sind Ihre Gute-Laune-Garantie und versorgen Sie in den kommenden zwei Stunden mit spannenden Themen und natürlich wieder mit guter Musik. Fahren Sie denn gerne ans Meer?"
    Ein Reisebeitrag kommt als Nächstes. Gerade angespielt, klingelt draußen das Telefon. Ko-Moderatorin Tanja Becker nimmt ab. Der Karlsruher Sänger Sebastian Niklaus ist dran. Er bietet an, nach einem Auftritt im Südwestrundfunk auch beim Wiesbadener Klinikfunk zu gastieren. Darüber kann die Praktikantin nicht entscheiden.
    "Moment mal, ich gebe Sie gerade mal an den Chef weiter."
    Moritz Biba gibt in diesem Fall auch den Programmchef. Und entscheidet: Der Sänger bekommt die Gelegenheit, sich im Patientenradio vorzustellen.
    Gut gemacht, meint im Nachhinein Klinikfunk-Sprecher Christopher Schenk.
    "Wir haben da großes Vertrauen in unseren Bufdi und er ist dann doch schon so selbstständig, dass er das entscheiden kann. Und wir sagen, wenn so was kommt, entscheide das ruhig, du kannst uns bei Fragen jederzeit erreichen. Aber klar, wenn ein Studiogast sich ankündigt, und es ist auch noch ein Musiker aus der Gegend, ist natürlich interessant für die Hörerinnen und Hörer, da sagen wir: Klar, warum nicht."
    Moderator, Redakteur, zeitweiliger Programm- und Praktikanten-Chef - Moritz Biba hätte Anlass, sich überfordert zu fühlen. Stattdessen ist er dankbar, dass er für den Klinikfunk ausgewählt wurde.
    "Es haben sich so viele Leute hier beworben - so viele, die es unbedingt machen wollten. Und wenn man dann unter so vielen genommen wird, dann will man's ja auch schlecht ausschlagen, dieses Angebot, weil es ziemlich einmalig ist, dass man Radio machen kann."
    In größtmöglicher Eigenverantwortung, weil die anderen ehrenamtlichen Moderatoren alle voll berufstätig sind und den Freiwilligen nur punktuell coachen können. Praktikantin Tanja Becker hat von ihrem Bufdi-"Chef" viel gelernt. Im Freiwilligendienst einfach ins kalte Wasser geworfen zu werden, findet die 23-jährige Studentin nicht abschreckend. Im Gegenteil.
    "Also besser, man wird hier ins Wasser geworfen als dann irgendwo in 'nem richtigen Job, wo man dann im Endeffekt noch was falsch machen kann und dann vielleicht noch gefeuert wird. Also es ist eigentlich hier 'ne ganz gute Umgebung. Klar, es war auf jeden Fall direkt der zweite Tag: Geh raus auf die Straße, hol' mal 'n paar O-Töne. Und ich so: OK., Oh Gott, das ganz alleine, mit dem Mikro bewaffnet, keine Ahnung, wie irgendwas funktioniert. Aber im Prinzip lernt man es so wahrscheinlich sogar ein bisschen besser, wenn man selber alles direkt machen muss."
    Und deshalb würde die Nachwuchs-Filmwissenschaftlerin nach dem Studium die Zeit bis zum Berufseinstieg durchaus mit einem Freiwilligenjahr überbrücken. Moritz Biba hofft, dass ihm nach dem Politik-Studium ein glänzendes Bufdi-Zeugnis den Weg ins erhoffte Rundfunk-Volontariat ebnet. Da will er vertiefen, was er jetzt ausprobiert hat.
    "Es soll ja weitergehen. Es wäre ja schade, wenn die Radiokarriere nach einem Jahr schon beendet wäre."
    Bei Radio Klinikfunk ging die Bewerber-Auswahl für die Bufdi-Stelle soeben zu Ende. "Wir haben uns entschieden", sagt Christopher Schenk.
    "Und dann geht es ab September quasi nahtlos über oder nahtlos weiter mit einem neuen Bufdi, und wir sind da sehr guter Dinge, dass das wieder so erfolgreich wird wie im vergangenen Jahr."