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Bundesfreiwilligendienst
Nur wenige Flüchtlinge arbeiten als Bufdi

Seit Dezember letzten Jahres können auch Flüchtlinge den Bundesfreiwilligendienst absolvieren. 10.000 zusätzliche Plätze wurden dafür geschaffen. Doch nicht nur sind davon bisher lediglich 2.000 Plätze besetzt - auch hat nur jeder vierte Teilnehmer des Programms einen Fluchthintergrund. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Von Swantje Unterberg | 19.04.2016
    Eine Bundesfreiwillige arbeitet in einer Kindertagesstätte mit einem Kind
    Eine Bundesfreiwillige in einer Kindertagesstätte (dpa/picture alliance/Robert B. Fishman)
    Drei Schüler kickern mit der neuen Betreuerin im Schülercafé der Erich-Kästner-Grund- und Stadtteilschule. Ein Achtklässler kommt hinzu und begrüßt sie herzlich.
    Safaa Qashmar hat erst Anfang April ihren neuen Job im Bundesfreiwilligendienst angefangen. Und wird von ihren Schützlingen schon voll akzeptiert.
    "Es ist etwas seltsam für sie, weil ich ihre Sprache nicht so gut spreche. Ich bin Flüchtling, und viele Schüler hier sind auch Flüchtlinge. Die sind erstaunt und fragen mich, was machst du hier? Aber dann gefällt ihnen die Idee. Die Deutschen kommen zu mir und wollen mir helfen, die Sprache zu lernen. Und die Flüchtlinge sehen mich als Vorbild. Sie sehen, auch sie können in Deutschland einen Job haben, wenn sie groß sind. Sie werden nicht für immer Flüchtling bleiben."
    An der Akzeptanz vor Ort scheint es also nicht zu liegen, dass bis dato relativ wenige Geflüchtete an dem Sonderprogramm teilnehmen. Und doch hat auch die 26 Jahre alte Syrerin mit den rotbraunen Locken lange gezögert:
    "Ich hatte Angst, ob ich diese Arbeit wirklich machen kann. Ich lebe in einem Lager und es ist hart mit der weiten Anfahrt, und es gibt viele Pflichttermine beim Jobcenter, beim Sozialarbeiter."
    Dienst wird nicht in Vollzeit absolviert
    Safaa Qashmar ist erst vor einem halben Jahr nach Deutschland gekommen. In Syrien war sie bereits Mathelehrerin, hier in Hamburg muss sie noch einmal von vorne anfangen. Ein zweites Lehramtsfach studieren, die Sprache perfekt lernen. Jetzt macht sie ihre ersten Schritte: Vormittags Deutschunterricht, dann 75 Minuten Fahrt von der Notunterkunft zur Schule oder zu ihrem zweiten Einsatzort in einem Café für geflüchtete Frauen. Abends wieder über eine Stunde zurück. Nach Hause in einen Container, den sie sich mit vier anderen teilt.
    "Man schläft dort halt nicht so regelmäßig, wie man das möchte, man kann auch nicht so essen, wie man das gerne möchte, und man muss auch täglich zu bestimmten Zeiten seine Post abholen. Das macht das Leben manchmal auch sehr, sehr anstrengend. Diese Ruhephasen, wie wir sie brauchen, wenn wir den ganzen Tag arbeiten, sind einfach nicht gegeben."
    Deswegen muss der Freiwilligendienst, wie sonst für unter 27-Jährige üblich, nicht in Vollzeit gemacht werden, erklärt Tanja Heuer. Sie ist Safaa Qashmars Ansprechpartnerin beim Dachverband Stadtkultur Hamburg. Die junge Syrerin ist ihr erster Bufdi im Sonderprogramm. Bis zu 30 sollen es einmal werden.
    "Aus unserer Sicht ist es einfach so, dass es ein bisschen Zeit braucht, sich darauf vorzubereiten," sagt Geschäftsführerin Corinne Eichner. Der Träger musste erst neue Seminare planen und Geld einwerben, um die Flüchtlinge intensiver zu betreuen: Beim Antrag auf Arbeitserlaubnis oder bei Schwierigkeiten mit der Ausländerbehörde. Auch überlegt der Verband Stadtkultur gemeinsam mit anderen Trägern noch, wie man den Bufdi trotz fehlender gemeinsamer Sprache bekannter machen kann. Oder den Geflüchteten das Misstrauen gegenüber den vielen Verträgen und Formalitäten nimmt:
    "Es ist für uns im Moment schwierig, die Freiwilligen davon zu überzeugen, dass es das Richtige ist, und da eine Unterstützung auch von öffentlichen Stellen, das wäre wirklich wichtig für uns."
    Nicht alle können das komplette Gehalt behalten
    Zurzeit gebe es etwa beim Jobcenter wenig Wissen über das Programm, sagt Tanja Heuer:
    "Es kursieren auch Gerüchte, dass man das Geld nicht behalten kann oder nur einen anderen Betrag, und da entstehen wieder Ängste."
    Anerkannte Flüchtlinge können genauso wie andere Hartz-IV-Empfänger als Bufdi 200 Euro monatlich dazuverdienen. Aber diejenigen, die noch auf ihren Asylbescheid warten, dürfen laut Ausländerbehörde nur 25 Prozent davon behalten. Das sind knapp 50 Euro bei einer halben Stelle, 100 bei einer ganzen.
    Beim zuständigen Bundesamt verspricht man, die Jobcenter künftig besser zu informieren. Und auch die neuen Freiwilligen sollen dazu beitragen, das Programm bekannter zu machen. Safaa Qashmar zumindest sagt, sie empfehle die Arbeit weiter.