Austermann: Guten Morgen!
Müller: Auf der anderen Leitung hört uns ebenfalls zu Hans-Georg Wagner, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in Bonn.
Wagner: Ja, so ist es. Guten Morgen!
Müller: Herr Austermann, an Sie die erste Frage: Sie haben gestern noch in Bonn von Trickserei gesprochen. Heißt das, der neue Haushalt ist nicht solide finanziert und durchgerechnet?
Austermann: Das ist genau unser Vorwurf, und zwar deshalb, weil wir sagen, ein großer Teil von den Vorhaben, auf denen die Einnahmesituation beruht, die ja über 30 Milliarden Mehreinnahmen in die Staatskassen spielen sollen, sei noch völlig unklar. Das gilt einmal für das sogenannte Steuerentlastungsprogramm, das gilt für die Ökosteuer, also die Energiezusatzsteuer, und das gilt für die Frage, wie ich auch die Ausfälle bei den Steuern auf der anderen Seite bei den Ländern finanziere. Da sage ich, die Gegenfinanzierung ist noch nicht klar. Der Haushalt hat also mehr Fragezeichen, als daß er konkrete Aussagen enthält, zumindest was die Einnahme- und Ausgabesituation betrifft.
Müller: War es denn in den vergangenen Jahren bei den Waigel-Haushalten nicht auch immer so, daß über die Einnahmesituation ohnehin spekuliert werden mußte?
Austermann: Nein, es geht hier darum, daß wir während des Haushaltsverfahrens noch zwei Gesetzesvorhaben beraten, die nicht abgeschlossen sind und die völlig in den Sternen hinsichtlich des Ergebnisses stehen. Der Finanzausschuß hat Anfang der Woche sowohl die sogenannte Ökosteuer diskutiert, also eine Zusatzsteuer auf die Energie, wie auch das Steuerentlastungspaket, das auch eine Mehrbelastung der Bürger bedeutet. Es wurde von den Fachleuten fast übereinstimmend gesagt, beides ist unbrauchbar. Ich kann also heute nicht davon ausgehen, wo der Haushalt auf dem Tisch liegt, daß das, was dort an zusätzlichen gewaltigen Einnahmen vorgesehen ist, unter dem Strich tatsächlich in den Haushalt hineinkommt. Das ist das Problem.
Müller: Hans-Georg Wagner von der SPD, ist das Risiko tatsächlich so groß?
Wagner: Nein, ich sehe das völlig anders, denn der Haushalt muß so betrachtet werden wie er vorliegt. Er ist solide finanziert. Man muß einmal die ungeheuere Kraftanstrengung der neuen Bundesregierung sehen, den Haushalt völlig neu aufzustellen in der Kürze der Zeit und gleichzeitig dafür zu sorgen, daß für mehr Beschäftigung und Wachstum gesorgt wird, und das macht dieser Haushalt. Alles andere, was die Steuergesetzgebung angeht, muß davon getrennt werden. Wir müssen den Haushalt so sehen wie er vorliegt. Wie gesagt: er ist solide finanziert, bleibt unter der Grenze des Artikel 115 des Grundgesetzes, hat weniger Nettokreditaufnahme als Herr Waigel je zuvor und ist zum erstenmal seit acht Jahren ein Haushalt, der für Wahrheit und Klarheit sorgt, weil auch die Schattenhaushalte in den Haushalt einbezogen worden sind, was sehr zu begrüßen ist.
Müller: Welches Argument halten Sie denn Herrn Austermann entgegen, der da sagt, die 30 Milliarden sind eben spekulativ beziehungsweise nicht durchfinanziert, weil die Gesetze noch nicht abgeschlossen sind?
Wagner: Was ich dem Kollegen Austermann vorhalte ist, daß er zu mehr Gelassenheit neigen solle. Er soll den Haushaltsplan so sehen wie er ist. So wird er auch beraten, und dann werden wir sehen, wie sich Einnahme- und Ausgabemöglichkeiten ergeben. Der Haushalt ist so wie er vorliegt solide finanziert.
Müller: Herr Austermann!
Austermann: Man muß ja sehen, die Ökosteuer soll beispielsweise am 01. April in Kraft treten. Bisher hat die EU noch nicht zugestimmt. Bisher weis noch keiner, wie sieht denn nun genau das Modell aus. Die EU hat gesagt, was man zuerst auf den Tisch gelegt hat gilt nicht. - Das Steuerentlastungsprogramm soll rückwirkend zum 01. Januar in Kraft treten. Wie sollen denn Steuerzahler, Betriebe und Privatpersonen, sich darauf einstellen, wenn sie noch nicht genau wissen, wie das auch tatsächlich funktioniert. - Zu der Frage der Investitionsquote: Das ist natürlich spaßig. Sie kennen ja alle den Vorwurf, daß es hieß, der Theo Waigel hätte ein riesen Loch hinterlassen und man müßte Kassensturz machen, müßte das Geld erst zählen. Jetzt haben wir festgestellt, gestern noch einmal und auch zugegeben vom Bundesfinanzminister, der gesagt hat, ja, die Situation ist besser als ich gedacht habe, daß tatsächlich in diesem Haushalt für 1999 zehn Milliarden Mark an Privatisierungserlösen sind, die noch aus der Zeit des Vorjahres stammen, die also dort im Haushalt nicht verbucht worden sind, so daß jetzt ein fettes Polster, eine dicke Mitgift von Waigel für Lafontaine vorhanden ist. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre die Neuverschuldung gut zehn Milliarden höher gelegen und dann wäre der Haushalt nicht verfassungsgemäß. In der Summe sage ich noch einmal: Die Steuerlastquote steigt. Dadurch steigt die Staatsquote und die Investitionsquote sinkt deutlich. Der Anteil der Investitionen am Haushalt sinkt also deutlich. Wenn man sich fragt, was hat der Steuerzahler, was haben die Betriebe von diesem Haushalt, dann werden Sie wissen: Steuern steigen um 30 Milliarden, ich habe 30 Mark mehr Kindergeld pro Kind, dann kommt die Ökosteuer und vieles andere auf mich zu, was ja alles Bestandteil des Haushaltes ist. Da kann ich nur sagen, da wird nicht alles anders und vieles besser gemacht, sondern das was anders ist als im Vorjahr ist schlechter.
Müller: Sie heben wie auch gestern noch einmal die zehn Milliarden heraus, aber ist es nicht gang und gäbe, daß die Überschüsse aus den vorangegangenen Haushalten automatisch übertragen werden? Was ist daran nicht legitim?
Austermann: Ich wollte die Hörer nur daran erinnern, daß gesagt wurde, wir hätten ein Defizit hinterlassen, der Waigel hätte ein Haushaltsloch hinterlassen und das ist ja alles ganz schwierig. Gelegentlich wird das ja heute noch behauptet. Ich wollte darauf hinweisen, daß sich dadurch, daß man diese Einnahmeverbesserung verschoben hat, die Situation für '99 verbessert, aber stellen Sie sich einmal vor, es wären tatsächlich buchmäßig die Einnahmen bereits dem letzten Haushalt zugeführt worden, dann kann jeder nachvollziehen: Zehn Milliarden Mehreinnahmen in '98 hätte bedeutet, die Zinsrate würde im Jahre '99 um 500 Millionen niedriger sein. Jetzt habe ich damit gewartet, habe jetzt zwar mehr Einnahmen, kann damit den Haushalt ausgleichen, aber muß 500 Millionen mehr für Zinsen ausgeben. Ich glaube, die Rechnung kann jeder nachvollziehen, daß das nicht vernünftig ist.
Müller: Herr Wagner, die Schuldentilgung der deutschen Einheit. Ebenfalls wie unter der alten Koalition wird das auch jetzt von der neuen Koalition verschoben. Warum?
Wagner: Es wird nichts verschoben, sondern es wird so gemacht, wie das normalerweise mit den Schuldentilgungen vor sich geht. Wir werden im Jahre 1999 in diesem Haushalt die Schuldentilgung des Erblastenstilgungsfonds fortsetzen. Das sind 300 Milliarden D-Mark, um die es dort geht, und die entsprechenden Leistungen werden gemacht. Ich möchte jetzt aber vom Haushalt reden, nicht zur Steuergesetzgebung, denn das ist eine Sache, die ja noch im Gange ist. Zum Haushalt muß ich doch erfreut feststellen, daß wir eine Milliarde mehr für Bildung, Forschung und Wissenschaft ausgeben, eine tolle Sache insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen: die Förderung moderner Schlüsseltechnologien, die Förderung von Begabten, der Ausbau der Forschungslandschaft in den neuen Ländern, die Verstetigung der Ausgaben für die Bundesanstalt für Arbeit in den neuen Ländern, was ja eine ganz wichtige Sache ist, nicht mehr von der Wahl zur Quahl oder von der Wahl zum Tal, sondern diesmal wird gleichmäßig durchfinanziert zur Sicherheit der Menschen, die in Angst um ihre Arbeitsplätze leben. Wir werden die Gemeinschaftsaufgabe des Hochschulbaus um 200 Millionen erhöhen, damit endlich einmal eine Abfinanzierung der Bundesschulden bei den Ländern eintritt, denn Sie wissen vielleicht, daß der Bund mit einer Milliarde D-Mark, was den Hochschulbau angeht, bei den Ländern in der Kreide steht. Auch so arme Länder wie das Saarland haben vorfinanziert, weil der Bund nicht in der Lage war, seine Aufgaben zu erfüllen. Ich sage, der jetzt vorliegende Haushalt ist solide finanziert und ein erster Schritt zur Konsolidierung, und darum geht es und sonst nichts. Die Steuergesetzgebung kann ja diskutiert werden, aber es geht um den Haushalt '99. Jetzt sage ich noch etwas zur Konsolidierung selber: In der Tat ist das Haushaltsloch zehn Milliarden für das Jahr 1999 gewesen, und nur durch die Privatisierungserlöse ist es dieses Jahr verhindert worden. Strukturell hätten wir aber im Jahre 2002, wenn wir so weitergemacht hätten, ein Defizit von 20 Milliarden D-Mark gehabt. Das muß abgebaut werden, selbst unter den erschwerten Bedingungen, daß wir die Kriterien der Europäischen Gemeinschaft erfüllen müssen, im Jahr 2002 nur ein Prozent Defizit zu haben, was wir uns mit den Ländern und Gemeinden teilen müssen, so daß im Jahr 2002 nur 0,5 Prozent Defizit entstehen darf. Was das bedeutet kann ich nur erahnen lassen, denn wir werden dort ganz kräftige Einschnitte machen, um wirklich den Haushalt so zu konsolidieren, daß er wieder ein anständiger Haushalt ist.
Müller: Die Privatisierungserlöse - Herr Wagner, Sie haben es angesprochen -, die vermutlich mit 19 bis 20 Milliarden Mark in diesen Haushalt einfließen werden, zumindest mittelfristig, die sind ja endlich. Was kommt dann?
Wagner: Die sind endlich, ja. Deshalb habe ich eben ja von der Konsolidierung gesprochen, die sehr schmerzhaft sein wird, denn wenn alles verkauft ist, dann ist ja nichts mehr zu machen. Deshalb wird man zu ganz erheblichen Einschnitten kommen, über die ich jetzt nur zu spekulieren wage. Beim Haushalt 2000 muß jedermann, ob Regierungskoalition oder Opposition, bekennen, wie man einen Haushalt so finanziert, daß er wirklich solide ist und den Kriterien von Maastricht entspricht.
Müller: Wo wird denn dann gespart?
Wagner: Das kann ich im Moment nicht vorhersagen. Dazu bedarf es der Vorlage des Haushaltes 2000, um dann zu sehen, wie die Bundesregierung sich das vorstellt, und dann werden wir darüber reden.
Müller: Herr Austermann, haben Sie dazu eine Idee? Wo würden Sie sparen?
Austermann: Nun ja, ich hätte mir zum Beispiel diese unsinnige Ökosteuer gespart, die ja unter dem Strich, wie gesagt, eine Belastung für Bürger und Betriebe ist. Bei anderen Steuern gilt genau das gleiche. Ich behaupte auch, daß der Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit - selbstverständlich soll den neuen Ländern geholfen und auch stärker geholfen werden - bei weitem überhöht ist. Ich hätte an der Stelle lieber die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung abgesenkt und das, was ich zu viel habe, für die Bundesanstalt für Arbeit einbehalten. Die Arbeitsämter schwimmen zum Teil im Geld. Ich will aber noch einmal etwas zu der Frage der Ausgaben für das Jahr 1999 im Bereich Forschung und zu den Bereichen Wirtschaftsförderung und kleiner Betriebe sagen. Wenn ich das alles zusammenzähle, was der Kollege Wagner gesagt hat, was an neuen Investitionen ermöglicht werden soll, und gucke mir dann die Investitionssumme und die Investitionsquote des Haushalts an, dann stelle ich fest: er gibt nicht mehr aus als Theo Waigel vorgesehen hat, sondern eher weniger. Nehmen wir mal das Beispiel Forschung. Jürgen Rüttgers hatte in dem Haushaltsentwurf von Theo Waigel 15,4 Milliarden zur Verfügung. Frau Bulmahn hat 15 Milliarden, also 400 Millionen weniger. Nun weis ich, daß ein Teil der Aufgaben verlagert worden ist auf den Wirtschaftsetat. Bloß wenn ich das rein so angucke, was steht denn im Zukunftshaushalt tatsächlich zur Verfügung. Darin ist all das schöne enthalten, was der Kollege Wagner gesagt hat, nämlich beispielsweise Aufstockung der Mittel für den Hochschulbau, auch eine weitere Erhöhung das BAFöG um zwei Prozent und so weiter. Also ein bißchen genauer hingucken; dann stellt man fest, da ist viel Plakatives, aber hinter der Fassade sieht das nicht ganz so gut aus. Zum Sparen, der letzte Punkt: Wir haben ja in den letzten Jahren mehrfach Vorschläge gemacht und haben auch gespart. Wir haben ja die Konsequenz dafür erlebt, daß die Leute gesagt haben, die gehen ja mit wenig sozialem Verständnis vor. Ich höre hier und da Äußerungen von Herrn Riester und von anderen, daß in der Tat im Sozialbereich kräftiger gespart werden muß. Es wird interessant sein zu beobachten, wie reagieren die Gewerkschaften, wie reagieren die Arbeitnehmer darauf, daß nun die Sozialdemokraten gezwungen sind, nachdem sie jetzt noch einen Ballon steigen lassen, im Sozialbereich kräftige Schnitte vorzunehmen. Ohne dies wird es nicht gehen, wenn man weiter den Haushalt so ausweitet, wie Lafontaine das gemacht hat.
Müller: Der Streit um den Bundeshaushalt '99. Vielen Dank an Dietrich Austermann von der Unionsfraktion in Bonn und vielen Dank an Hans-Georg Wagner, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Müller: Auf der anderen Leitung hört uns ebenfalls zu Hans-Georg Wagner, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in Bonn.
Wagner: Ja, so ist es. Guten Morgen!
Müller: Herr Austermann, an Sie die erste Frage: Sie haben gestern noch in Bonn von Trickserei gesprochen. Heißt das, der neue Haushalt ist nicht solide finanziert und durchgerechnet?
Austermann: Das ist genau unser Vorwurf, und zwar deshalb, weil wir sagen, ein großer Teil von den Vorhaben, auf denen die Einnahmesituation beruht, die ja über 30 Milliarden Mehreinnahmen in die Staatskassen spielen sollen, sei noch völlig unklar. Das gilt einmal für das sogenannte Steuerentlastungsprogramm, das gilt für die Ökosteuer, also die Energiezusatzsteuer, und das gilt für die Frage, wie ich auch die Ausfälle bei den Steuern auf der anderen Seite bei den Ländern finanziere. Da sage ich, die Gegenfinanzierung ist noch nicht klar. Der Haushalt hat also mehr Fragezeichen, als daß er konkrete Aussagen enthält, zumindest was die Einnahme- und Ausgabesituation betrifft.
Müller: War es denn in den vergangenen Jahren bei den Waigel-Haushalten nicht auch immer so, daß über die Einnahmesituation ohnehin spekuliert werden mußte?
Austermann: Nein, es geht hier darum, daß wir während des Haushaltsverfahrens noch zwei Gesetzesvorhaben beraten, die nicht abgeschlossen sind und die völlig in den Sternen hinsichtlich des Ergebnisses stehen. Der Finanzausschuß hat Anfang der Woche sowohl die sogenannte Ökosteuer diskutiert, also eine Zusatzsteuer auf die Energie, wie auch das Steuerentlastungspaket, das auch eine Mehrbelastung der Bürger bedeutet. Es wurde von den Fachleuten fast übereinstimmend gesagt, beides ist unbrauchbar. Ich kann also heute nicht davon ausgehen, wo der Haushalt auf dem Tisch liegt, daß das, was dort an zusätzlichen gewaltigen Einnahmen vorgesehen ist, unter dem Strich tatsächlich in den Haushalt hineinkommt. Das ist das Problem.
Müller: Hans-Georg Wagner von der SPD, ist das Risiko tatsächlich so groß?
Wagner: Nein, ich sehe das völlig anders, denn der Haushalt muß so betrachtet werden wie er vorliegt. Er ist solide finanziert. Man muß einmal die ungeheuere Kraftanstrengung der neuen Bundesregierung sehen, den Haushalt völlig neu aufzustellen in der Kürze der Zeit und gleichzeitig dafür zu sorgen, daß für mehr Beschäftigung und Wachstum gesorgt wird, und das macht dieser Haushalt. Alles andere, was die Steuergesetzgebung angeht, muß davon getrennt werden. Wir müssen den Haushalt so sehen wie er vorliegt. Wie gesagt: er ist solide finanziert, bleibt unter der Grenze des Artikel 115 des Grundgesetzes, hat weniger Nettokreditaufnahme als Herr Waigel je zuvor und ist zum erstenmal seit acht Jahren ein Haushalt, der für Wahrheit und Klarheit sorgt, weil auch die Schattenhaushalte in den Haushalt einbezogen worden sind, was sehr zu begrüßen ist.
Müller: Welches Argument halten Sie denn Herrn Austermann entgegen, der da sagt, die 30 Milliarden sind eben spekulativ beziehungsweise nicht durchfinanziert, weil die Gesetze noch nicht abgeschlossen sind?
Wagner: Was ich dem Kollegen Austermann vorhalte ist, daß er zu mehr Gelassenheit neigen solle. Er soll den Haushaltsplan so sehen wie er ist. So wird er auch beraten, und dann werden wir sehen, wie sich Einnahme- und Ausgabemöglichkeiten ergeben. Der Haushalt ist so wie er vorliegt solide finanziert.
Müller: Herr Austermann!
Austermann: Man muß ja sehen, die Ökosteuer soll beispielsweise am 01. April in Kraft treten. Bisher hat die EU noch nicht zugestimmt. Bisher weis noch keiner, wie sieht denn nun genau das Modell aus. Die EU hat gesagt, was man zuerst auf den Tisch gelegt hat gilt nicht. - Das Steuerentlastungsprogramm soll rückwirkend zum 01. Januar in Kraft treten. Wie sollen denn Steuerzahler, Betriebe und Privatpersonen, sich darauf einstellen, wenn sie noch nicht genau wissen, wie das auch tatsächlich funktioniert. - Zu der Frage der Investitionsquote: Das ist natürlich spaßig. Sie kennen ja alle den Vorwurf, daß es hieß, der Theo Waigel hätte ein riesen Loch hinterlassen und man müßte Kassensturz machen, müßte das Geld erst zählen. Jetzt haben wir festgestellt, gestern noch einmal und auch zugegeben vom Bundesfinanzminister, der gesagt hat, ja, die Situation ist besser als ich gedacht habe, daß tatsächlich in diesem Haushalt für 1999 zehn Milliarden Mark an Privatisierungserlösen sind, die noch aus der Zeit des Vorjahres stammen, die also dort im Haushalt nicht verbucht worden sind, so daß jetzt ein fettes Polster, eine dicke Mitgift von Waigel für Lafontaine vorhanden ist. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre die Neuverschuldung gut zehn Milliarden höher gelegen und dann wäre der Haushalt nicht verfassungsgemäß. In der Summe sage ich noch einmal: Die Steuerlastquote steigt. Dadurch steigt die Staatsquote und die Investitionsquote sinkt deutlich. Der Anteil der Investitionen am Haushalt sinkt also deutlich. Wenn man sich fragt, was hat der Steuerzahler, was haben die Betriebe von diesem Haushalt, dann werden Sie wissen: Steuern steigen um 30 Milliarden, ich habe 30 Mark mehr Kindergeld pro Kind, dann kommt die Ökosteuer und vieles andere auf mich zu, was ja alles Bestandteil des Haushaltes ist. Da kann ich nur sagen, da wird nicht alles anders und vieles besser gemacht, sondern das was anders ist als im Vorjahr ist schlechter.
Müller: Sie heben wie auch gestern noch einmal die zehn Milliarden heraus, aber ist es nicht gang und gäbe, daß die Überschüsse aus den vorangegangenen Haushalten automatisch übertragen werden? Was ist daran nicht legitim?
Austermann: Ich wollte die Hörer nur daran erinnern, daß gesagt wurde, wir hätten ein Defizit hinterlassen, der Waigel hätte ein Haushaltsloch hinterlassen und das ist ja alles ganz schwierig. Gelegentlich wird das ja heute noch behauptet. Ich wollte darauf hinweisen, daß sich dadurch, daß man diese Einnahmeverbesserung verschoben hat, die Situation für '99 verbessert, aber stellen Sie sich einmal vor, es wären tatsächlich buchmäßig die Einnahmen bereits dem letzten Haushalt zugeführt worden, dann kann jeder nachvollziehen: Zehn Milliarden Mehreinnahmen in '98 hätte bedeutet, die Zinsrate würde im Jahre '99 um 500 Millionen niedriger sein. Jetzt habe ich damit gewartet, habe jetzt zwar mehr Einnahmen, kann damit den Haushalt ausgleichen, aber muß 500 Millionen mehr für Zinsen ausgeben. Ich glaube, die Rechnung kann jeder nachvollziehen, daß das nicht vernünftig ist.
Müller: Herr Wagner, die Schuldentilgung der deutschen Einheit. Ebenfalls wie unter der alten Koalition wird das auch jetzt von der neuen Koalition verschoben. Warum?
Wagner: Es wird nichts verschoben, sondern es wird so gemacht, wie das normalerweise mit den Schuldentilgungen vor sich geht. Wir werden im Jahre 1999 in diesem Haushalt die Schuldentilgung des Erblastenstilgungsfonds fortsetzen. Das sind 300 Milliarden D-Mark, um die es dort geht, und die entsprechenden Leistungen werden gemacht. Ich möchte jetzt aber vom Haushalt reden, nicht zur Steuergesetzgebung, denn das ist eine Sache, die ja noch im Gange ist. Zum Haushalt muß ich doch erfreut feststellen, daß wir eine Milliarde mehr für Bildung, Forschung und Wissenschaft ausgeben, eine tolle Sache insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen: die Förderung moderner Schlüsseltechnologien, die Förderung von Begabten, der Ausbau der Forschungslandschaft in den neuen Ländern, die Verstetigung der Ausgaben für die Bundesanstalt für Arbeit in den neuen Ländern, was ja eine ganz wichtige Sache ist, nicht mehr von der Wahl zur Quahl oder von der Wahl zum Tal, sondern diesmal wird gleichmäßig durchfinanziert zur Sicherheit der Menschen, die in Angst um ihre Arbeitsplätze leben. Wir werden die Gemeinschaftsaufgabe des Hochschulbaus um 200 Millionen erhöhen, damit endlich einmal eine Abfinanzierung der Bundesschulden bei den Ländern eintritt, denn Sie wissen vielleicht, daß der Bund mit einer Milliarde D-Mark, was den Hochschulbau angeht, bei den Ländern in der Kreide steht. Auch so arme Länder wie das Saarland haben vorfinanziert, weil der Bund nicht in der Lage war, seine Aufgaben zu erfüllen. Ich sage, der jetzt vorliegende Haushalt ist solide finanziert und ein erster Schritt zur Konsolidierung, und darum geht es und sonst nichts. Die Steuergesetzgebung kann ja diskutiert werden, aber es geht um den Haushalt '99. Jetzt sage ich noch etwas zur Konsolidierung selber: In der Tat ist das Haushaltsloch zehn Milliarden für das Jahr 1999 gewesen, und nur durch die Privatisierungserlöse ist es dieses Jahr verhindert worden. Strukturell hätten wir aber im Jahre 2002, wenn wir so weitergemacht hätten, ein Defizit von 20 Milliarden D-Mark gehabt. Das muß abgebaut werden, selbst unter den erschwerten Bedingungen, daß wir die Kriterien der Europäischen Gemeinschaft erfüllen müssen, im Jahr 2002 nur ein Prozent Defizit zu haben, was wir uns mit den Ländern und Gemeinden teilen müssen, so daß im Jahr 2002 nur 0,5 Prozent Defizit entstehen darf. Was das bedeutet kann ich nur erahnen lassen, denn wir werden dort ganz kräftige Einschnitte machen, um wirklich den Haushalt so zu konsolidieren, daß er wieder ein anständiger Haushalt ist.
Müller: Die Privatisierungserlöse - Herr Wagner, Sie haben es angesprochen -, die vermutlich mit 19 bis 20 Milliarden Mark in diesen Haushalt einfließen werden, zumindest mittelfristig, die sind ja endlich. Was kommt dann?
Wagner: Die sind endlich, ja. Deshalb habe ich eben ja von der Konsolidierung gesprochen, die sehr schmerzhaft sein wird, denn wenn alles verkauft ist, dann ist ja nichts mehr zu machen. Deshalb wird man zu ganz erheblichen Einschnitten kommen, über die ich jetzt nur zu spekulieren wage. Beim Haushalt 2000 muß jedermann, ob Regierungskoalition oder Opposition, bekennen, wie man einen Haushalt so finanziert, daß er wirklich solide ist und den Kriterien von Maastricht entspricht.
Müller: Wo wird denn dann gespart?
Wagner: Das kann ich im Moment nicht vorhersagen. Dazu bedarf es der Vorlage des Haushaltes 2000, um dann zu sehen, wie die Bundesregierung sich das vorstellt, und dann werden wir darüber reden.
Müller: Herr Austermann, haben Sie dazu eine Idee? Wo würden Sie sparen?
Austermann: Nun ja, ich hätte mir zum Beispiel diese unsinnige Ökosteuer gespart, die ja unter dem Strich, wie gesagt, eine Belastung für Bürger und Betriebe ist. Bei anderen Steuern gilt genau das gleiche. Ich behaupte auch, daß der Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit - selbstverständlich soll den neuen Ländern geholfen und auch stärker geholfen werden - bei weitem überhöht ist. Ich hätte an der Stelle lieber die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung abgesenkt und das, was ich zu viel habe, für die Bundesanstalt für Arbeit einbehalten. Die Arbeitsämter schwimmen zum Teil im Geld. Ich will aber noch einmal etwas zu der Frage der Ausgaben für das Jahr 1999 im Bereich Forschung und zu den Bereichen Wirtschaftsförderung und kleiner Betriebe sagen. Wenn ich das alles zusammenzähle, was der Kollege Wagner gesagt hat, was an neuen Investitionen ermöglicht werden soll, und gucke mir dann die Investitionssumme und die Investitionsquote des Haushalts an, dann stelle ich fest: er gibt nicht mehr aus als Theo Waigel vorgesehen hat, sondern eher weniger. Nehmen wir mal das Beispiel Forschung. Jürgen Rüttgers hatte in dem Haushaltsentwurf von Theo Waigel 15,4 Milliarden zur Verfügung. Frau Bulmahn hat 15 Milliarden, also 400 Millionen weniger. Nun weis ich, daß ein Teil der Aufgaben verlagert worden ist auf den Wirtschaftsetat. Bloß wenn ich das rein so angucke, was steht denn im Zukunftshaushalt tatsächlich zur Verfügung. Darin ist all das schöne enthalten, was der Kollege Wagner gesagt hat, nämlich beispielsweise Aufstockung der Mittel für den Hochschulbau, auch eine weitere Erhöhung das BAFöG um zwei Prozent und so weiter. Also ein bißchen genauer hingucken; dann stellt man fest, da ist viel Plakatives, aber hinter der Fassade sieht das nicht ganz so gut aus. Zum Sparen, der letzte Punkt: Wir haben ja in den letzten Jahren mehrfach Vorschläge gemacht und haben auch gespart. Wir haben ja die Konsequenz dafür erlebt, daß die Leute gesagt haben, die gehen ja mit wenig sozialem Verständnis vor. Ich höre hier und da Äußerungen von Herrn Riester und von anderen, daß in der Tat im Sozialbereich kräftiger gespart werden muß. Es wird interessant sein zu beobachten, wie reagieren die Gewerkschaften, wie reagieren die Arbeitnehmer darauf, daß nun die Sozialdemokraten gezwungen sind, nachdem sie jetzt noch einen Ballon steigen lassen, im Sozialbereich kräftige Schnitte vorzunehmen. Ohne dies wird es nicht gehen, wenn man weiter den Haushalt so ausweitet, wie Lafontaine das gemacht hat.
Müller: Der Streit um den Bundeshaushalt '99. Vielen Dank an Dietrich Austermann von der Unionsfraktion in Bonn und vielen Dank an Hans-Georg Wagner, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.