Mittwoch, 24. April 2024

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Bundesinstitut für Fotografie
Empfehlung für den Standort Essen

Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für ein Deutsches Fotoinstitut spricht sich für den Standort Essen und nicht für Düsseldorf aus. Das 82-seitige Papier, das dem Deutschlandfunk vorliegt, führt für diese Entscheidung eine Reihe von Gründen an.

Monika Grütters im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 12.03.2021
Bäume wachsen auf dem Gelände der Zeche Zollverein, im Hintergrund ist der Förderturm zu sehen.
Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für ein Deutsches Fotoinstitut spricht sich für den Standort Essen aus (picture alliance/ dpa/ Oliver Berg)
Kulturstaatsministerin Monika Grütters bezeichnete das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten als tiefenscharfe Untersuchung, die zu dem klaren Ergebnis komme, ein Bundesinstitut für Fotografie in Essen zu realisieren. Die CDU-Politikerin sagte gegenüber dem Deutschlandfunk: "Wir wollen den bestehenden Einrichtungen keine Konkurrenz machen."
Das neu zu gründende Institut soll laut einem Expertengutachten, das Grütters im Juli 2019 in Auftrag gegeben und im Frühjahr 2020 erhalten hatte, die in Deutschland bereits dezentral vorhandenen Kompetenzen bündeln. Das neue Institut bekommt demnach den Auftrag zum "Erhalt des fotografischen Erbes" in Deutschland, indem unter anderem herausragende Vor- und Nachlässe erhalten werden.

Kosten: 125 Millionen Euro

Außerdem sollen Forschungsvorhaben zu Restaurierung, Archivierung und Digitalisierung und Wissensvermittlung und –austausch in Fachkreisen wie gegenüber einer interessierten Öffentlichkeit stattfinden. Entstehen soll laut Gutachten ausdrücklich kein neues Fotomuseum für ein breites Publikum in Konkurrenz zu den bereits bestehenden Einrichtungen, etwa in Köln, Dresden, München, Hamburg, Berlin und Leipzig. Die Machbarkeitsstudie errechnet dafür standortunabhängige Gesamtkosten in Höhe von 125 Millionen Euro bei einer Fertigstellung in der zweiten Hälfte 2027.
Um das neue Bundesinstitut hatten sich nach Vorlage des Expertengutachtens die beiden nordrhein-westfälischen Städte Düsseldorf und Essen beworben, in denen es bereits jeweils verschiedene Fotoarchive und –institute gibt. Eine Bewerbung der photokina-Stadt Köln ging nicht ein.
Das Bild zeigt einen Tisch voller alter schwarz-weiss Fotos sowie die Hände von Senioren, die Bilder auswählen.
Deutsches Fotozentrum - Neues Institut an der Ruhr?
Düsseldorf war sich ganz sicher, dass der Standort dafür eigentlich nur Düsseldorf heißen könne. Deshalb hat sich die Stadt an der Bundesregierung vorbei Geld beim Kulturausschuss des Bundestags besorgt.
Für Essen, das ein erweiterbares Grundstück auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Zollverein zur Verfügung stellen will, spricht nach Ansicht der AutorInnen der Studie, "dass in Essen die Realisierung des Nutzerbedarfs mit funktionsgerechten Flächenbeziehungen und einem wirtschaftlichen Bau (insbesondere Vermeidung von unterirdischen Archiv-Flächen) besser möglich ist. Gemäß den ermittelten Anforderungen kann der erforderliche Flächenbedarf für das Bundesinstitut für Fotografie vollständig auf dem Grundstück in Essen realisiert werden. Hingegen wäre auf dem Grundstück in Düsseldorf eine erhebliche Reduzierung des Flächenprogramms vorzunehmen und ein zweiter Standort für wesentliche Teile der Depots erforderlich."
In Düsseldorf hatte sich schon vor der Initiative der Bundesregierung ein privater Verein um den Fotografen Andreas Gursky gegründet, der Planungen für ein "Deutsches Fotoinstitut" vorlegte. Anders als beim Bundesinstitut für Fotografie geht es in diesem Konzept auch um die Bedürfnisse aktuell produzierender Fotografinnen und Fotografen – etwa um die weitere Verfügbarkeit von Fotopapieren, Druckmaschinen, Laboren und anderen Produktionsmitteln, die im Zuge der Digitalisierung des Mediums Fotografie irgendwann nicht mehr zur Verfügung stehen könnten. Ein Konzeptpapier von 2020 nennt den "Erhalt von zentralen Meisterwerken der Fotografie und die Festlegung von verbindlichen Standards für deren zertifizierte Neuproduktion". Mit Hilfe der Stadt Düsseldorf, die bereits ein Grundstück in Rheinnähe am Ehrenhof zugesagt hat, wurden durch diese private Initiative Ende 2019 ohne Beteiligung der Kulturstaatsministerin beim Haushaltsausschuss des Bundestages und dem Land NRW Mittel in Höhe von jeweils 41,5 Millionen Euro für die Umsetzung der eigenen Ideen beantragt.

Zu geringe Grundfläche in Düsseldorf

"Diese beiden Initiativen haben sich im Grunde überschnitten", so Monika Grütters. "Ich glaube, dass die private Initiative um den Fotokünstler Andreas Gursky in Düsseldorf wertvolle Impulse liefern kann für die Zukunft der deutschen Fotokunst. Ich könnte mir vorstellen, dass man das inhaltlich zusammenbinden kann. Aber beim Bundesinstitut für Fotografie gehen wir von einem viel größeren Aufgabenspektrum aus."
Chronologie

Februar 2018 Symposium im Düsseldorfer "Malkasten" zu einem Zentrum für Fotografie zur Sicherung von Nachlässen von Künstlern aus Düsseldorf und Umgebung.

Juli 2019 Bei einer Podiumsdiskussion in der Berliner "Akademie der Künste" werden Ideen für ein Deutsches Fotozentrum entworfen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters beauftragt danach eine Expertenkommission unter Leitung des Fotokurators Thomas Weski mit der Entwicklung eines Konzepts.

November 2019 Der Bundestag stellt 41,5 Millionen Euro für ein Fotoinstitut mit Standort Düsseldorf bereit, die Stadt Düsseldorf und das Land NRW sichern Kofinanzierung zu.

März 2020 Die Expertenkommission empfiehlt Essen als Standort für ein Bundesinstitut für Fotografie. Kulturstaatsministerin Monika Grütters kündigt an, eine Machbarkeitsstudie für Essen in Auftrag zu geben.

März 2021 Die Machbarkeitsstudie spricht sich für den Standort Essen aus.
In Düsseldorf allerdings, so die Machbarkeitsstudie, sei für das geplante Bundesinstitut unter anderem die vorgesehene Grundfläche für einen Bedarf von rund 11.500 Quadratmetern zu gering; deshalb werde innerhalb der Stadt ein zweiter Standort nötig: "Ein zweiter Standort wirkt sich negativ auf die Möglichkeiten eines wirtschaftlichen Betriebs und eines effizienten Facility-Managements aus. Hieraus ergeben sich höhere Betriebskosten und erschwerte logistische Anforderungen an Reinigungs-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten und den Transport von Archivalien."
Bei Faktoren wie der ÖPNV-Anbindung der beiden möglichen Standorte, den Synergieeffekten durch benachbarte Fotoeinrichtungen oder dem Realisierungszeitraum ergaben die Analyse keine großen Unterschiede zwischen Essen und Düsseldorf.
Kulturstaatministerin Monika Grütters kündigte im Deutschlandfunk an, sie werde nun noch einmal versuchen, die Missverständnisse zwischen Essen und Düsseldorf auszuräumen, damit die Standortfrage nicht die Sachdebatte überlagere: "Ich fühle mich zuallererst Essen und dem Ergebnis der Expertenempfehlung verpflichtet wie auch jetzt dem Standortgutachten. Anders könnte ich das Lockermachen größerer Summen gar nicht begründen. Ich versuche aber, die Düsseldorfer Initiativen auch mit einzubinden."