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Bundesländer beraten über nationalen Integrationsplan

Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet setzt bei der Aufstellung des nationalen Integrationsplans auf Konsens. Integration sei ein Prozess, an dem die gesamte Gesellschaft teilhaben muss. Da sei es effektiver, wenn die 16 Bundesländer zu einer gemeinsamen Position kommen, als etwas durch Mehrheitsentscheidung zu verfügen, sagte der CDU-Minister.

Moderation: Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Heute treffen sich in Düsseldorf die für Integration zuständigen Landesminister. Sie wollen ihre Position für einen nationalen Integrationsplan festlegen. Der soll die entsprechenden Initiativen von Bund, Ländern, Kommunen und Migrantenorganisationen koordinieren. Arbeitsgruppen entwickeln konkrete Empfehlungen und Handlungsvorschläge. Konfliktpotenzial gibt es genügend, Themen wie Arbeitsplatzsuche, die Förderung der Einbürgerung oder der islamische Religionsunterricht stehen auf der Agenda. Im Juli will Bundeskanzlerin Angela Merkel dann den nationalen Integrationsplan der Öffentlichkeit vorstellen. Am Telefon ist Armin Laschet, nordrhein-westfälischer Integrationsminister (CDU). Guten Morgen!

    Armin Laschet: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Laschet, was muss denn die gemeinsame Länderposition enthalten?

    Laschet: Wir haben hier die besondere Situation, dass wir im letzten Jahr zum ersten Mal einen Integrationsgipfel hatten der Bundeskanzlerin, wo der Bund, die Länder, die Migrantenorganisationen selbst, die Wirtschaft, der Sport und viele andere an einem Tisch gesessen haben und sich über Integrationspolitik und das, was jetzt erforderlich ist, Gedanken gemacht haben. Und die Kanzlerin will im Juli einen nationalen Integrationsplan verkünden, aber viele der Aufgaben sind in der Zuständigkeit der Länder. Und insofern haben die Ministerpräsidenten beschlossen, uns, die Minister für Integration, zu beauftragen, einmal zusammenzustellen, wo gibt es denn Konsens in den 16 Ländern, in welchen Feldern machen wir schon Integrationspolitik?

    Kaess: Und wo gibt es denn diesen Konsens beziehungsweise wo liegen Sie denn derzeit auseinander.

    Laschet: Ich denke, der Konsens besteht beispielsweise darin, dass es darauf ankommt, sehr früh die deutsche Sprache zu vermitteln, dass das schon vor der Schule beginnen muss und dass das auch mit einem verpflichtenden Charakter versehen sein muss, so dass jedes Kind, wenn es in die Schule kommt, die deutsche Sprache spricht. Frühkindliche Bildung also etwas sehr Wichtiges.

    Kaess: Aber gerade bei der Sprachförderung, da geht es ja auch um Geld, und gerade beim Geld gab es ja auch beim Bleiberecht Konfliktstoff. Auf was stellen Sie sich denn ein?

    Laschet: Ich weiß nicht, ob schon gleich über Geld gesprochen wird. Die Erkenntnis, dass Sprache wichtig ist, ist eine relativ neue. Vor zehn Jahren war das noch in der Diskussion. Man hat das Zwangsgermanisierung genannt und anders. Also ich glaube, dies zu formulieren, dass die Länder sich auch selbst verpflichten, wir machen schon in den Kindergärten frühkindliche Bildung, wäre schon ein großer Schritt, wenn das 16 Länder für sich erklären würden. Die Geldfrage stellt sich danach, und es kommt vor allem ja auch drauf an, dass wir als Länder jetzt auch auswerten, was haben denn eigentlich die Arbeitsgruppen des Integrationsplans erarbeitet, denn da saßen ja die Migranten mit am Tisch. Was sind eigentlich da die Vorstellungen, die jetzt zu passieren haben? Und das ist ein langer Katalog aus fast zehn Arbeitsgruppen, nun Ergebnisse zusammenzuführen. Und damit wollen wir heute beginnen.

    Kaess: Sie sprechen die verschiedenen Gruppen an, die an dem Prozess beteiligt sind, zum Beispiel die Migranten selbst. Was wollen Sie denn einbringen?

    Laschet: Also die haben in den unterschiedlichen Gruppen, da geht es um Sport als Integrationsbeitrag beispielsweise, da geht es um Bildung, da geht es auch um die Medien, wie kann in den Medien auch mehr sichtbar werden, dass wir Menschen mit Zuwanderungsgeschichte haben, wie kann man auch das gerade fördern, wie kann man fördern, dass in öffentlichen Verwaltungen Zuwanderer mit besonderen Qualifikationen eingesetzt werden, da haben die sehr viele Wünsche geäußert. Und sie selbst müssen natürlich diese Angebote annehmen, Integration ist ja keine Einbahnstraße. Minister können vieles beschließen, aber wenn Menschen Angebote nicht annehmen, dann wird Integration auch kein Erfolg. Und insofern ist das ein wechselseitiger Prozess.

    Kaess: Aber sind Sie denn guter Hoffnung, dass die Länder sich in all diesen Punkten auf eine einzige Position einigen können?

    Laschet: Ich glaube, dass wir einen Katalog zusammenbekommen, den wir den Ministerpräsidenten vorschlagen können, wo dann die deutschen Länder sagen, das ist unser Beitrag zum nationalen Integrationsplan. Und ich glaube, da werden sehr viele Einzelmaßnahmen drin sein. Da wird es wahrscheinlich auch strittige Themen geben. Ich denke, über die Ausgestaltung des Schulsystems wird ja auch zwischen den Parteien noch gestritten: Brauchen wir ein dreigliedriges Schulsystem oder brauchen wir das nicht? Die Themen werden wir ausklammern. Es geht darum, dass, was wir gemeinsam machen wollen, dann auch mal in einem gemeinsamen Papier zu dokumentieren.

    Kaess: Das heißt, die Themen, die für Konflikte sorgen könnten, werden ausgeklammert?

    Laschet: Nein, die werden nicht ausgeklammert, die werden angesprochen, aber wenn es einen nationaler Integrationsplan gibt, wo 16 Länder ja zu sagen sollen, dann kann man nicht gerade die Themen nehmen, wo nun auch zwischen den Ländern und den Parteien Unterschiede bestehen, sondern dann muss man sagen, was eint uns eigentlich? Und ich glaube, die Palette, die uns in der Integrationspolitik heute eint, ist größer als noch vor wenigen Jahren.

    Kaess: Aber das heißt letztendlich ein kleinster gemeinsamer Nenner?

    Laschet: Ja, das kann es ja auch immer nur sein, wenn man nationale Integrationspläne mit so viel Beteiligten macht. Ansonsten müsste die Bundesregierung beschließen per Mehrheit, und dann gilt das. Aber so gelingt Integration nicht. Denn Integration ist ein langer Prozess.

    Kaess: Aber wie effektiv kann denn dann so ein, in Anführungsstrichen, "aufgeweichtes Konzept" sein?

    Laschet: Ich glaube nicht, dass es aufgeweicht ist, sondern ich glaube, ein Konzept, das 16 Länder tragen und der Bund trägt und die Migrantenorganisationen selbst mittragen und die großen gesellschaftlichen Kräfte wie der Sport und die Wirtschaft und andere mittragen, das ist vielleicht effektiver, als wenn man per Mehrheit irgendetwas verfügt und weiß, man hat eine große Minderheit gegen sich. Denn noch mal: Integrationspolitik ist etwas, wo die gesamte Gesellschaft mitmachen muss, und ich glaube auch, dass man in diesem Feld wenig mit Konflikten erreicht, sondern mehr mit Konsensen.

    Kaess: Herr Laschet, mit dem Treffen heute soll ja eine enge Verzahnung der Integrationspolitik von Bund und Ländern bei der Erarbeitung dieses nationalen Integrationsplans sichergestellt werden. Beim Bleiberecht gab es diese Konflikte auch genau auf dieser Ebene. Was erwarten Sie denn da?

    Laschet: Also beim Bleiberecht haben wir ja nun wirklich fast zehn Jahre vertan durch Streit, auch zwischen den Parteien, und da ist …

    Kaess: Kann das jetzt wieder so lange dauern?

    Laschet: Nein, ich glaube nicht, dass es so lange dauern wird, weil wir im Juli fertig sein wollen, da wird der nationale Aktionsplan verkündet. Beim Bleiberecht ist der Kompromiss jetzt erreicht worden, der muss jetzt umgesetzt werden, der ist ...

    Kaess: Dazu gab es aber gestern bei der Diskussion im Bundestag heftige Kritik von der Opposition. Also es gibt eine Menge Zündstoff noch bei dem Thema.

    Laschet: Das ist wahr, aber dass es überhaupt ein Bleiberecht gibt, dass es diese Perspektive gibt, dass es für jeden, der hier seit langen Jahren lebt, jetzt die Möglichkeit gibt, auch Arbeit zu finden, das war jahrelang nicht möglich. Jedes Ergebnis kann man noch besser machen, aber dass es überhaupt ein Bleiberecht gibt, ist, glaube ich, ein wichtiges Signal.

    Kaess: Herr Laschet, wie will man denn die verschiedenen Gruppen zur Einhaltung eines nationalen Integrationsplans verpflichten, sollte es den geben? Wird es neue Gesetze geben?

    Laschet: Es wird möglicherweise neue Gesetze geben, aber das hängt jetzt vom Einzelthema ab. Wenn Sie beispielsweise Sprachtests verbindlich machen wollen, brauchen Sie ein neues Gesetz. Andere Maßnahmen brauchen keine neuen Gesetze, andere Maßnahmen brauchen vor allem neues Geld. Das hängt von der einzelnen Maßnahme ab. Ich glaube nur, dass, wenn er einmal als Selbstverpflichtung erklärt ist, dass man jedes der Länder daran auch messen kann, und dann wird in jedem Landtag in ganz Deutschland über dieses Thema auch gestritten, wenn die eigene Regierung es nicht einhält.

    Kaess: Welchen Handlungsspielraum haben Bund und Länder denn überhaupt? Denn letztendlich geht es ja genauso wie beim neuen Ausländerrecht um die Umsetzung von EU-Richtlinien?

    Laschet: Nein, das glaube ich nicht. Beim Ausländerrecht gab es zwölf EU-Richtlinien, die umgesetzt werden mussten, aber trotzdem war der Spielraum des Bundes in der Gesetzgebung noch sehr groß. Aber was wir an Integrationspolitik machen, wie wir Menschen, die seit ein, zwei, drei Generationen hier leben, in unsere Gesellschaft integrieren, das ist keine Zuständigkeit der Europäischen Union, das liegt in unserer eigenen Verantwortung, und damit haben wir viel zu spät begonnen. Vieles von dem, was wir heute tun, hätte man schon vor 10 oder 20 Jahren machen müssen.

    Kaess: Vor dem heutigen Treffen der für Integration zuständigen Landesminister in Düsseldorf war das der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Vielen Dank!