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Bundesmigrationsbeauftragte fordert mehr Geld für Integrationskurse

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, hat Forderungen nach Strafmaßnahmen gegen Ausländer, die sich Integrationsbemühungen nicht öffnen, verteidigt. Die Behörden dürften sich die Ausweisung als letztes Mittel nicht nehmen lassen, sagte die CDU-Politikerin. Zugleich forderte die Staatsministerin mehr Geld für Sprach- und Integrationskurse.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Der Hilferuf der Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln hat die Politik aufgeschreckt. Es gibt eine Flut von Vorschlägen, mit denen man die Gewalt an Schulen eindämmen und die Integration von Jugendlichen ausländischer Herkunft verbessern will. Verpflichtende Deutsch-Kurse, Schuluniformen, Schülerarrest, Internatsunterbringung, Abschaffung der Hauptschulen und so weiter. In der Bundesregierung zuständig für die Integrationspolitik ist die Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Maria Böhmer von der CDU. Frau Böhmer, es klingt alles ziemlich aktionistisch. Integrationsgipfel, nationaler Aktionsplan, Integration. Sie wollen sich angeblich mit Experten zum Thema Ausbildungschancen direkt nach Ostern treffen. Was konkret plant die Bundesregierung?

    Maria Böhmer: Es geht darum, dass wir einen nachhaltigen Weg gehen zur Integration gerade derjenigen, die der zweiten und dritten Generation angehören, denn alle in unserem Land haben doch die Erfahrung gemacht, es sind viele zu uns gekommen als Gastarbeiter, als Flüchtlinge, und viele haben auch gedacht, sie gehen wieder zurück. Auch wir haben das geglaubt. Aber sie haben hier Familien gegründet, sie leben hier und wir stehen vor dem Problem, wie es uns die Rütli-Schule gezeigt hat, dass Kinder und Jugendliche bessere Chancen in unserem Land brauchen.

    Ich will das nur an einer Zahl verdeutlichen. Wir haben bei den Jugendlichen aus Zuwandererfamilien eine Situation, dass 40 Prozent ohne jegliche Ausbildung bleiben. Deshalb ist es so wichtig, diese Aktivitäten zu bündeln, zusammenzutragen, damit wir hier nachhaltig die Integration fördern können. Deshalb die Überlegung gerade bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für einen nationalen Aktionsplan Integration.

    Und aus meiner Sicht sage ich ganz klar: Wir müssen die deutsche Sprache fördern, denn sie ist die Grundlage für Kommunikation und auch für Bildung. Wir müssen stärker im Bildungsbereich und bei der beruflichen Qualifikation und bei der Integration im Arbeitsmarkt ansetzen. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl von Themen, etwa dass der Staat nicht alles alleine machen kann, sondern wir brauchen dafür eine aktive Bürgergesellschaft nicht nur von Seiten der Deutschen, sondern auch von Seiten derer, die zu uns gekommen sind. Das wird wesentlich sein für die Entwicklung für diesen Prozess, der dann zu einem Integrationsgipfel führen wird.

    Spengler: Ich verstehe es trotzdem noch nicht. Der nationale Aktionsplan, der bündelt all das, was Sie gerade aufgezählt haben. Und was macht dann der Gipfel?

    Böhmer: Der Gipfel ist das Zusammentreffen derer, die hauptsächlich auch die Maßnahmen und Pläne umsetzen. Wir haben ja verschiedene Ebenen. Das eine ist die Bundesebene, das andere ist die Länderebene und die kommunale Ebene. Zugleich haben wir viele, die hier ihren Beitrag leisten können, Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen, Migrationsverbände.
    Jetzt will ich es vielleicht mal an einem Beispiel deutlich machen, wenn es um den Erwerb der deutschen Sprache geht. Hier sind natürlich die Länder ganz besonders und die Kommunen gefordert, wenn Sie an den Bereich Kindergarten denken, die frühe Förderung dort, dann im schulischen Bereich begleitende Sprachförderung. Wenn wir weitergehen im Bereich der beruflichen Qualifizierung, ist der Bund gemeinsam mit Unternehmen auch noch einmal besonders in der Verantwortung. Deshalb führen wir heute auch ein Gespräch beispielsweise mit Inhabern ausländischer Herkunft von Unternehmen, um sie zu gewinnen für mehr Ausbildungsplätze. Das heißt es sind immer verschiedene Integrationsakteure im Spiel und die gilt es, zusammenzubringen.

    Spengler: Wann soll denn dieser Gipfel stattfinden?

    Böhmer: Wir sind noch am Anfang der Planung, denn Sie wissen der Vorschlag ist neu von Seiten der Bundestagsfraktion. Jetzt werden wir in der Regierung überlegen, wie wir mit diesem Vorschlag umgehen. Aber wir sind hier gehalten, zügig voranzuschreiten, denn wir sind mit erheblichen Integrationsdefiziten in unserem Land konfrontiert. Deshalb werde ich alle Kraft daran setzen, dass dieses Thema auch sehr schnell konkret wird.

    Spengler: Sie haben eben ja zugestanden, dass wir selber, wir Deutschen es nicht wollten, dass die Ausländer sich integrieren, weil wir immer gesagt haben na ja, die gehen wieder zurück. Jetzt sollen sie sich integrieren und wer das nicht will, der fliegt raus. Ist es nicht ziemlich forsch, wenn Innenpolitiker der Union in einem Positionspapier ein härteres Vorgehen gegen solche Ausländer fordern, die sich nicht integrieren wollen? Das ist doch ein bisschen forsch und schnell?

    Böhmer: Die Bringschuld liegt ja auf beiden Seiten. Ich glaube das muss man sehr deutlich sehen. So wie Sie eben noch einmal sagten, wir waren der Überzeugung, dass viele nach Hause gehen, so haben ja auch viele der Gastarbeiter immer wieder gesagt, wir werden eines Tages wieder in unserem Heimatland sein und dort weiter leben und arbeiten, und sie haben sich selbst dann eingestehen müssen, dass dem nicht so ist. Wir haben viele hier, die selbst ein Unternehmen gegründet haben, die beruflich aufgestiegen sind, aber wir haben auch viele andere, die sich nicht so integriert haben wie es notwendig ist, wenn man auf Dauer in einem Land lebt, denn das heißt ja auch ja zu sagen zu diesem Land, zu unserer Kultur, zu unseren Gepflogenheiten, zu unseren Werten, ohne dass man seine Wurzeln kappen muss. Diesen Prozess nachhaltig zu unterstützen, das aufeinander zugehen, ein partnerschaftliches Miteinander, so dass es nicht ein Nebeneinander ist, sondern ein wirkliches Miteinander, das ist jetzt auch wichtig im Bereich der Integration und dabei will ich ansetzen bei der zweiten und dritten Generation.

    Spengler: Darf ich da mal einhaken. Die Menschen der zweiten und dritten Generation, wie sollen die sich denn hier zu Hause fühlen, wenn man ihnen mit der Abschiebung in ein Land droht, das sie überhaupt nicht mehr kennen?

    Böhmer: Jetzt sage ich ganz deutlich: Für diejenigen, die hier längere Zeit leben, zweite, dritte Generation, auch diejenigen gerade, die einen deutschen Pass erworben haben, ist das Thema Abschiebung ja kein Thema.

    Spengler: Für die, die einen deutschen Pass haben, nicht, aber für die, die keinen deutschen Pass haben, da wird damit gedroht.

    Böhmer: Wir haben ja auch die Situation, dass es einzelne gibt, die sich Integrationsbemühungen nicht öffnen. Das ist dann natürlich auch eine Situation, wo man fragen muss wie gelingt das. Ich will das auch an einem Beispiel einmal deutlich machen. Wir haben die Integrationskurse. Für diejenigen, die neu in unser Land kommen, ist es eine Verpflichtung, daran teilzunehmen. Für diejenigen, die schon länger in Deutschland leben, ist es eine Möglichkeit. Sie haben dann eine Berechtigung. Es gibt auch die Situation, dass etwa im Zusammenhang mit den Arbeitsagenturen gesagt wird, jemand der die deutsche Sprache nicht beherrscht, aber vermittelt werden soll in den Arbeitsmarkt, sollte zunächst an einem solchen Sprachkurs teilnehmen. Er kann dazu verpflichtet werden. Wenn er es nicht tut, gibt es auch hier schon Sanktionsmöglichkeiten. Das ist etwas, wo man auch nachhelfen muss an dieser Stelle. Wer sich wirklich nicht einfindet in unser Land, da dürfen wir uns auch die Möglichkeit nicht nehmen, dass man dann sagt, es besteht nicht die Möglichkeit, hier länger in Deutschland zu sein. Das ist aber sozusagen das letzte Mittel. Deshalb spreche ich als Integrationsbeauftragte immer von dem, was vorher ist, nämlich dem, wo man Unterstützung und Hilfe gibt für Integration und auch die Erwartungshaltung da ist, dass die Bereitschaft da ist zur Integration. Das ist meine Aufgabe. Die will ich verstärken und deshalb diese Ansätze zu sagen, durch Bildung, durch berufliche Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt wollen wir dafür sorgen, dass man sich hier in diesem Land einfindet, sich auch willkommen fühlt, aber gleichzeitig auch selbst um die Integration bemüht.

    Spengler: Also Integration und Zwang passen am Ende auch zusammen?

    Böhmer: Es heißt Anreize und Sanktionen. Es heißt Fördern und Fordern. Das ist etwas, was einfach zusammen gehört. Meine Aufgabe ist es, bei den Anreizen und bei dem Fördern anzusetzen, aber dort wo jemand nicht bereit ist, wird man auch sagen müssen, hier gibt es bestimmte Regeln, die einzuhalten sind. Das gehört einfach auch dazu.

    Spengler: Wollen Sie denn mehr Geld mobilisieren für das Fördern? Man hat ja zum Beispiel Sprachkurse beim Zuwanderungsgesetz zusammengestrichen aus finanziellen Gründen.

    Böhmer: Sie haben völlig Recht. Das ist ein entscheidender Punkt für die Zukunft, die Integrationskurse, die Sprachkurse, die jetzt zwar im Haushaltsansatz zurückgefahren sind, weil nicht so viele teilgenommen haben wie ursprünglich geplant. Ich halte es aber für notwendig, dass wir diesen Haushaltstitel durchaus aufbauen, das heißt mehr Geld investieren, denn es geht auch um die Qualität dieser Kurse. Es geht darum, dass man denjenigen, die schon länger in unserem Land leben, auch mehr Möglichkeiten gibt für den Spracherwerb, für sich zu orientieren. Das heißt Integration kostet Geld. Darüber müssen wir uns im Klaren sein. Aber jeder Euro, den wir in die Integrationskurse investieren, ist ein gut investierter Euro. Deshalb plädiere ich sehr dafür, dass wir an dieser Stelle noch einmal bei den Haushaltsberatungen nachlegen, um wirklich Ernst zu machen mit der Integration.

    Spengler: Ist nicht das Entscheidende, was wir auch in Berlin mitbekommen haben, die fehlende Perspektive? Ist nicht unser Problem, dass wir vielen Jugendlichen deutscher und ausländischer Herkunft, also beider Nationen sozusagen, diese Perspektiven nicht bieten können?

    Böhmer: Das ist ein Dilemma, vor dem wir seit langer Zeit stehen, dass gerade Jugendliche aus Hauptschulen - und die Rütli-Schule ist dafür ein besonders dramatisches Beispiel - einem sagen, wir haben keine Perspektive. Die Rütli-Hauptschule ist deshalb besonders dramatisch, weil viele der Absolventen erfahren mussten, sie haben keine Möglichkeit, nachher eine Ausbildung zu beginnen. Es gibt aber auch gute Beispiele dafür, Hauptschulen, die es geschafft haben, dass die Jugendlichen eine Chance haben. Wir wollen das verstärken und ich nenne hier drei Ansatzpunkte.

    Beim Ausbildungspakt, beim letzten Lenkungsausschuss, haben wir erstens vereinbart, das Thema Jugendliche mit Migrationshintergrund wird ein Schwerpunkt sein im Ausbildungspakt. Heute sprechen wir - und das heißt Vertreter des DIHK, des Handwerks, des Bundesbildungsministeriums und ich - mit Unternehmen ausländischer Herkunft, weil wir haben etwa 300.000 Betriebe in Deutschland, aber die Ausbildungsbeteiligung ist noch nicht so, dass wir zufrieden sein können. Hier also neue Ausbildungsplätze zu gerieren, ist wichtig für uns. Der dritte Punkt ist: Ich möchte mit großen Unternehmen in Deutschland vereinbaren, so wie man es aus Frankreich kennt, eine Selbstverpflichtung, dass man in Ausbildungsverbünden auch bereit ist dafür zu sorgen, dass mehr Jugendliche eine Chance bekommen. Das lohnt alle Anstrengung, denn wenn eine Perspektive da ist, dann wird man auch in der Schule besser motiviert sein.