Jochen Spengler: Herr Kurth, wenn Sie denn schon so umfassende Befugnisse haben, warum bremsen Sie nicht den Anstieg der Gaspreise?
Matthias Kurth: Nun, wir können natürlich nur im Bereich tätig werden, der in Deutschland liegt, das heißt, wir können beeinflussen die Netzstrukturen, die Netzentgelte, die Netzzugänge, und wir können mehr Wettbewerb schaffen.
Spengler: Können Sie ganz kurz sagen, was das eigentlich ist, "Netz"? Da denkt man immer an Haarnetz.
Kurth: Bei Gas sind das die Rohre, die Pipelines, die Ferngasleitung, die man manchmal in der Landschaft sieht, aber auch die Verteilnetze, die Gasrohre, die bis ins Haus gehen, und beim Strom sind es die Hochspannungsmasten, aber auch die Verteilnetze bis ins Haus, praktisch alles, was über Kabel und Rohre kommt, das sind die Netze.
Spengler: Da haben Sie also den Einfluss. Wie viel macht es denn aus zum Beispiel am Gaspreis?
Kurth: Also bei Strom macht es ein Drittel des Endkundenpreises bei privaten Endkunden aus, bei Gas sicherlich mindestens ein Drittel, wenn nicht noch mehr. Bei manchen Gasdurchleitungen entsteht allein durch die Durchleitung eine Verdopplung der Kosten.
Spengler: Ich wollte sagen, ich habe nachgelesen, von der Grenze bis zum Kunden vervierfacht sich nach Angaben des Handelsblatts der Gaspreis. Ist das denn angemessen?
Kurth: Sicherlich nicht, aber diese Zahl ist aber auch schwer zu belegen im Moment, weil wir haben überhaupt keine verlässlichen Vergleiche, weder in Europa noch in Deutschland wissen wir genau, was mit der Durchleitung verdient wird, auf welchen Ebenen welche Netzbetreiber welche Erträge, welche Kosten haben. Das ist bisher von niemandem in Deutschland überwacht worden, und das ist unsere zentrale Aufgabe, hier mehr Transparenz zu schaffen.
Spengler: Das heißt, da versuchen Sie zu gucken, welche Preise sind angemessen für den Transport innerhalb Deutschlands?
Kurth: Haargenau, und wir wollen auch nur solche Kosten für den Transport anerkennen, die effizient sind und sich im Wettbewerb einstellen würden. Also es darf hier keine Monopolrendite geben, weil diese Netze eben weitgehend natürlich Monopole sind.
Spengler: Wann sind Sie denn mit der Prüfung am Ende?
Kurth: Also natürlich ist das eine Herkulesaufgabe. Wir haben 1500 Netze in Deutschland. Wir müssen dort Kostenprüfungen machen, wir müssen Vergleiche anstellen. Wir müssen wahrscheinlich Millionen von Daten überprüfen. Das hat bisher in Deutschland niemand gemacht. Die Unternehmen klagen sogar jetzt, dass wir von ihnen all diese Daten so schnell haben wollen, aber wir werden jetzt Druck machen.
Ende Oktober müssen alle Stromnetzbetreiber praktisch einen gesamten Datenbestand uns vorlegen bei Strom. Bei Gas wird es drei Monate länger dauern, bis Ende Januar. Dann haben wir sechs Monate Zeit zu prüfen, und dann wird es eine umfassende Kontrolle aller Netzentgelte in Deutschland geben. Aber das bedarf eben auch einer gewissen Zeit.
Spengler: Das heißt also, Ende nächsten Jahres?
Kurth: Also, die eine Entscheidung bei Strom wird im Mai nächsten Jahres vorliegen, die andere bei Gas im August nächsten Jahres.
Spengler: Also in einem Jahr etwa. Wenn Sie denn feststellen, dass die Preise dort überhöht sind Ihrer Ansicht nach, Ihrer Rechnung nach, was können Sie denn machen?
Kurth: Wir können die Entgelte absenken. Es gibt eine Genehmigungspflicht, eine so genannte "Ex-Ante", Vorabgenehmigungspflicht. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass hier Kosten geltend gemacht werden, die zu hoch sind oder die sich im Wettbewerb nicht einstellen, dann können wir diese Anträge entsprechend reduzieren und absenken.
Spengler: Das heißt, womit könnte ein Verbraucher am Ende rechnen, um wie viel könnte so ein Gaspreis senken? Kann man das sagen?
Kurth: Das ist sehr schwierig zu prognostizieren. Erstens haben wir die Daten ja noch gar nicht. Zweitens sind auch jetzt die Netzentgelte – das sollte auch gerade die Überprüfung zeigen – in Deutschland sehr sehr unterschiedlich. Wir haben einzelne Netzbetreiber zum Beispiel bei Strom, da ist es durchaus sehr günstig, und wir haben andere, da ist es fast doppelt so teuer.
Die Situation ist ja die, dass wir in Deutschland einen Flickenteppich von völlig unterschiedlichen Netzentgelten haben, die sich manchmal logisch oder auch durch die Struktur dieser Netzbetreiber nicht erklären lassen. Das sollen wir ja angleichen. Also, insoweit wird es nicht überall die gleichen Absenkungen oder die gleichen Ergebnisse geben können.
Spengler: Wir haben ja vor sieben Jahren den Gasmarkt liberalisiert, jedenfalls auf dem Papier. Würden Sie sagen, dass wir schon so etwas wie freien Wettbewerb haben?
Kurth: Partiell, natürlich. Ich meine, die Industriekunden haben am Anfang der Liberalisierung zu 30 Prozent ihre Anbieter gewechselt. Es gab auch schon gewaltige Senkungen insbesondere bei den industriellen Kunden, leicht auch bei den Privatkunden. Das ist allerdings leider in den letzten Jahren wieder zunichte gemacht worden durch zahlreiche Erhöhungen, so dass jetzt beim Privatkunden der Eindruck entsteht, die Liberalisierung habe nichts gebracht. Sie ist aber auf jeden Fall unvollkommen.
Wir haben noch keinen europäischen Strom- und Gasmarkt, der funktioniert. Wir haben keinen funktionierenden grenzüberschreitenden Handel. Wir haben Intransparenz bei den Netzentgelten. Also wir müssen noch einiges tun, um den Wettbewerb zu verbessern. Aber wir haben schon einige Schritte getan. Es ist nicht völlig eine Monopolwelt, aber wir sind auch noch nicht am Ziel.
Spengler: Manche behaupten, man habe einfach ein Staatsmonopol ausgetauscht gegen Privatmonopole. Was würden Sie dem entgegnen?
Kurth: Also bei Strom hatten wir ja kein Staatsmonopol, zum Teil kommunale Monopole, aber das sind ja im Moment private Gesellschaften. Bei Post und Telekom hatten wir ein Staatsmonopol, und das ist ganz erfolgreich auch liberalisiert worden, wenn Sie sich zumindest bei der Telekom die Erfolge anschauen, die auch im Wettbewerb erzielt worden sind. Also ich bin durchaus optimistisch, wenn man die richtigen Maßnahmen ergreift und auch konsequent dabei bleibt, dass man auch in diesen Märkten etwas bewirken kann.
Was man nicht bewirken kann, ist sicherlich die Beeinflussung des Weltmarktpreisniveaus für Öl, Kohle oder Gas. Da sind unseren Möglichkeiten auch Grenzen gesetzt. Wir werden nicht den Weltölmarktpreis beeinflussen können von deutschem Boden aus.
Spengler: Aber war es ein Fehler, dass der Staat, sage ich mal, die Macht der Anbieter gestärkt hat, zum Beispiel Ruhrgas und EON erlaubt worden ist zu fusionieren?
Kurth: Sie wissen, dass das ein höchstumstrittener Vorgang war. Unsere Kollegen vom Kartellamt haben das nicht für richtig gehalten, also es gab damals eine Ministererlaubnis. Na gut, die Geschichte wird zeigen, was richtig ist. Bisher jedenfalls hat der deutsche Verbraucher von dieser Fusion nichts gehabt, und die Monopolkommission hat natürlich auch große Bedenken, ob die Förderung von so genannten "Global Players" immer der richtige Weg war. Aber das können wir nicht mehr zurückdrehen.
Wir müssen jetzt sehen, dass wir auch anderen Anbietern im deutschen Markt eine Chance verschaffen, ohne dass wir zum Beispiel Gemeinschaften von kommunalen Stadtwerken stärken, damit sie unabhängige Kraftwerke errichten. Denken Sie mal, wenn die Preise schon so hoch sind, würde es in jedem anderen Markt neue Anbieter geben. Es ist natürlich sehr langwierig, ein Kraftwerk zu planen, aber ich hoffe schon, dass die Anbieterstruktur auch durch ausländische Unternehmen sich in Deutschland verbessert und wir nicht nur von den Großen abhängig sind bei Strom und Gas.
Spengler: Da war Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur. Herr Kurth, herzlichen Dank für das Gespräch.
Kurth: Vielen Dank.
Matthias Kurth: Nun, wir können natürlich nur im Bereich tätig werden, der in Deutschland liegt, das heißt, wir können beeinflussen die Netzstrukturen, die Netzentgelte, die Netzzugänge, und wir können mehr Wettbewerb schaffen.
Spengler: Können Sie ganz kurz sagen, was das eigentlich ist, "Netz"? Da denkt man immer an Haarnetz.
Kurth: Bei Gas sind das die Rohre, die Pipelines, die Ferngasleitung, die man manchmal in der Landschaft sieht, aber auch die Verteilnetze, die Gasrohre, die bis ins Haus gehen, und beim Strom sind es die Hochspannungsmasten, aber auch die Verteilnetze bis ins Haus, praktisch alles, was über Kabel und Rohre kommt, das sind die Netze.
Spengler: Da haben Sie also den Einfluss. Wie viel macht es denn aus zum Beispiel am Gaspreis?
Kurth: Also bei Strom macht es ein Drittel des Endkundenpreises bei privaten Endkunden aus, bei Gas sicherlich mindestens ein Drittel, wenn nicht noch mehr. Bei manchen Gasdurchleitungen entsteht allein durch die Durchleitung eine Verdopplung der Kosten.
Spengler: Ich wollte sagen, ich habe nachgelesen, von der Grenze bis zum Kunden vervierfacht sich nach Angaben des Handelsblatts der Gaspreis. Ist das denn angemessen?
Kurth: Sicherlich nicht, aber diese Zahl ist aber auch schwer zu belegen im Moment, weil wir haben überhaupt keine verlässlichen Vergleiche, weder in Europa noch in Deutschland wissen wir genau, was mit der Durchleitung verdient wird, auf welchen Ebenen welche Netzbetreiber welche Erträge, welche Kosten haben. Das ist bisher von niemandem in Deutschland überwacht worden, und das ist unsere zentrale Aufgabe, hier mehr Transparenz zu schaffen.
Spengler: Das heißt, da versuchen Sie zu gucken, welche Preise sind angemessen für den Transport innerhalb Deutschlands?
Kurth: Haargenau, und wir wollen auch nur solche Kosten für den Transport anerkennen, die effizient sind und sich im Wettbewerb einstellen würden. Also es darf hier keine Monopolrendite geben, weil diese Netze eben weitgehend natürlich Monopole sind.
Spengler: Wann sind Sie denn mit der Prüfung am Ende?
Kurth: Also natürlich ist das eine Herkulesaufgabe. Wir haben 1500 Netze in Deutschland. Wir müssen dort Kostenprüfungen machen, wir müssen Vergleiche anstellen. Wir müssen wahrscheinlich Millionen von Daten überprüfen. Das hat bisher in Deutschland niemand gemacht. Die Unternehmen klagen sogar jetzt, dass wir von ihnen all diese Daten so schnell haben wollen, aber wir werden jetzt Druck machen.
Ende Oktober müssen alle Stromnetzbetreiber praktisch einen gesamten Datenbestand uns vorlegen bei Strom. Bei Gas wird es drei Monate länger dauern, bis Ende Januar. Dann haben wir sechs Monate Zeit zu prüfen, und dann wird es eine umfassende Kontrolle aller Netzentgelte in Deutschland geben. Aber das bedarf eben auch einer gewissen Zeit.
Spengler: Das heißt also, Ende nächsten Jahres?
Kurth: Also, die eine Entscheidung bei Strom wird im Mai nächsten Jahres vorliegen, die andere bei Gas im August nächsten Jahres.
Spengler: Also in einem Jahr etwa. Wenn Sie denn feststellen, dass die Preise dort überhöht sind Ihrer Ansicht nach, Ihrer Rechnung nach, was können Sie denn machen?
Kurth: Wir können die Entgelte absenken. Es gibt eine Genehmigungspflicht, eine so genannte "Ex-Ante", Vorabgenehmigungspflicht. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass hier Kosten geltend gemacht werden, die zu hoch sind oder die sich im Wettbewerb nicht einstellen, dann können wir diese Anträge entsprechend reduzieren und absenken.
Spengler: Das heißt, womit könnte ein Verbraucher am Ende rechnen, um wie viel könnte so ein Gaspreis senken? Kann man das sagen?
Kurth: Das ist sehr schwierig zu prognostizieren. Erstens haben wir die Daten ja noch gar nicht. Zweitens sind auch jetzt die Netzentgelte – das sollte auch gerade die Überprüfung zeigen – in Deutschland sehr sehr unterschiedlich. Wir haben einzelne Netzbetreiber zum Beispiel bei Strom, da ist es durchaus sehr günstig, und wir haben andere, da ist es fast doppelt so teuer.
Die Situation ist ja die, dass wir in Deutschland einen Flickenteppich von völlig unterschiedlichen Netzentgelten haben, die sich manchmal logisch oder auch durch die Struktur dieser Netzbetreiber nicht erklären lassen. Das sollen wir ja angleichen. Also, insoweit wird es nicht überall die gleichen Absenkungen oder die gleichen Ergebnisse geben können.
Spengler: Wir haben ja vor sieben Jahren den Gasmarkt liberalisiert, jedenfalls auf dem Papier. Würden Sie sagen, dass wir schon so etwas wie freien Wettbewerb haben?
Kurth: Partiell, natürlich. Ich meine, die Industriekunden haben am Anfang der Liberalisierung zu 30 Prozent ihre Anbieter gewechselt. Es gab auch schon gewaltige Senkungen insbesondere bei den industriellen Kunden, leicht auch bei den Privatkunden. Das ist allerdings leider in den letzten Jahren wieder zunichte gemacht worden durch zahlreiche Erhöhungen, so dass jetzt beim Privatkunden der Eindruck entsteht, die Liberalisierung habe nichts gebracht. Sie ist aber auf jeden Fall unvollkommen.
Wir haben noch keinen europäischen Strom- und Gasmarkt, der funktioniert. Wir haben keinen funktionierenden grenzüberschreitenden Handel. Wir haben Intransparenz bei den Netzentgelten. Also wir müssen noch einiges tun, um den Wettbewerb zu verbessern. Aber wir haben schon einige Schritte getan. Es ist nicht völlig eine Monopolwelt, aber wir sind auch noch nicht am Ziel.
Spengler: Manche behaupten, man habe einfach ein Staatsmonopol ausgetauscht gegen Privatmonopole. Was würden Sie dem entgegnen?
Kurth: Also bei Strom hatten wir ja kein Staatsmonopol, zum Teil kommunale Monopole, aber das sind ja im Moment private Gesellschaften. Bei Post und Telekom hatten wir ein Staatsmonopol, und das ist ganz erfolgreich auch liberalisiert worden, wenn Sie sich zumindest bei der Telekom die Erfolge anschauen, die auch im Wettbewerb erzielt worden sind. Also ich bin durchaus optimistisch, wenn man die richtigen Maßnahmen ergreift und auch konsequent dabei bleibt, dass man auch in diesen Märkten etwas bewirken kann.
Was man nicht bewirken kann, ist sicherlich die Beeinflussung des Weltmarktpreisniveaus für Öl, Kohle oder Gas. Da sind unseren Möglichkeiten auch Grenzen gesetzt. Wir werden nicht den Weltölmarktpreis beeinflussen können von deutschem Boden aus.
Spengler: Aber war es ein Fehler, dass der Staat, sage ich mal, die Macht der Anbieter gestärkt hat, zum Beispiel Ruhrgas und EON erlaubt worden ist zu fusionieren?
Kurth: Sie wissen, dass das ein höchstumstrittener Vorgang war. Unsere Kollegen vom Kartellamt haben das nicht für richtig gehalten, also es gab damals eine Ministererlaubnis. Na gut, die Geschichte wird zeigen, was richtig ist. Bisher jedenfalls hat der deutsche Verbraucher von dieser Fusion nichts gehabt, und die Monopolkommission hat natürlich auch große Bedenken, ob die Förderung von so genannten "Global Players" immer der richtige Weg war. Aber das können wir nicht mehr zurückdrehen.
Wir müssen jetzt sehen, dass wir auch anderen Anbietern im deutschen Markt eine Chance verschaffen, ohne dass wir zum Beispiel Gemeinschaften von kommunalen Stadtwerken stärken, damit sie unabhängige Kraftwerke errichten. Denken Sie mal, wenn die Preise schon so hoch sind, würde es in jedem anderen Markt neue Anbieter geben. Es ist natürlich sehr langwierig, ein Kraftwerk zu planen, aber ich hoffe schon, dass die Anbieterstruktur auch durch ausländische Unternehmen sich in Deutschland verbessert und wir nicht nur von den Großen abhängig sind bei Strom und Gas.
Spengler: Da war Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur. Herr Kurth, herzlichen Dank für das Gespräch.
Kurth: Vielen Dank.