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Bundesnetzagentur will Innovationskonkurrenz bei Internet-Anschlüssen

Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, hält die Strategie der Bundesregierung für flächendeckende Breitband-Internetanschlüsse für richtig. Sie soll heute verabschiedet werden. Kurth fordert einen Wettbewerb der Anbieter - aber billiger wird das schnelle Internet zunächst nicht.

Matthias Kurth im Gespräch mit Jochen Spengler | 18.02.2009
    Jochen Spengler: Heute will die Bundesregierung ihre so genannte Breitband-Strategie verabschieden. Damit will die Kanzlerin das Land fit für das 21. Jahrhundert machen. Die Strategie ist Teil des zweiten Konjunkturpaketes und sie sieht vor, dass bis Ende nächsten Jahres alle Haushalte in Deutschland mit einem schnellen Internet-Anschluss versorgt werden sollen. Darüber hinaus sollen bis zum Jahr 2014 drei Viertel aller Haushalte und bis 2018 alle Haushalte mit Breitband-Netzen erreichbar sein, angeblich den Autobahnen des 21. Jahrhunderts. – In einem Studio der Deutschen Welle in Bonn begrüße ich Matthias Kurth, den Präsidenten der Bundesnetzagentur. Guten Morgen, Herr Kurth!

    Matthias Kurth: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Herr Kurth, das klingt so, als wäre ein Netzanschluss, also die Verbindung zum Internet, heute ebenso wichtig wie der Strom- oder der Wasseranschluss.

    Kurth: Ja! Ich glaube, das ist so, und wir haben ja auch eine sehr gute Durchdringung mit Breitband-Anschlüssen. In Deutschland haben 22 Millionen Haushalte inzwischen einen solchen Anschluss. Das sind natürlich noch viel mehr Menschen, die dahinter stehen. Das Internet wird sozusagen von jedermann fast genutzt und das ist eine sehr, sehr befriedigende und dynamische Entwicklung. Wir fangen ja nicht bei null an. Und Sie haben völlig Recht; für die Wirtschaft, aber auch für die Bildung, für die Ausbildung des einzelnen ist das heute schon eine sehr entscheidende Sache.

    Spengler: Nun wird ja unterschieden zwischen schnellem Internet-Anschluss bis Ende nächsten Jahres und Breitband-Netzanschluss. Können Sie uns mal den Unterschied erklären? Was ist ein schneller Internetanschluss?

    Kurth: Wir haben im Moment eine Situation, dass auch Anschlüsse in Europa, aber auch weltweit mit 386 Kilobit als Internet- und Breitband-Anschluss gelten. Da sagen natürlich viele - das merkt man auch, wenn man selbst die Dinge nutzt -, das ist aber arg langsam, Bilder oder anderes baut sich dann sehr langsam auf. Deshalb sagt man jetzt bei den Anschlüssen, man will mindestens 1 Megabit zumindest erreichen und man will natürlich dann in einer mittelfristigen Perspektive 20 oder noch mehr Megabit erreichen, wie das in anderen Ländern auch schon ist. Wir diskutieren bei der Frage, wer hat so etwas noch nicht, über fünf bis maximal sieben Prozent der Haushalte. Und wer hat gar keinen Anschluss? Das sind in Deutschland nur 600 Gemeinden mit 730.000 Haushalten. Das ist natürlich für die jeweils Betroffenen sehr unbefriedigend, aber wir haben im Moment eigentlich schon eine sehr, sehr gute Abdeckung mit Breitband, und es geht jetzt darum, die "weißen Flecken" noch zu schließen. Vom Investitionsaufwand ist das schon etwas Größeres, weil insbesondere die ländlichen Räume, in denen wenig Menschen wohnen, auch große Flächen, davon betroffen sind.

    Spengler: Ich will hier an der Stelle mal noch einen Punkt machen, weil wir haben eben von 1 Megabit pro Sekunde gesprochen, aber es sollen ja dann irgendwann in neun Jahren 50 Megabit pro Sekunde sein. Das ist dann schon deutlich mehr und dazu reichen auch die bisherigen Netze nicht aus. Dazu braucht man Glasfaser?

    Kurth: Richtig! – Das ist richtig. Erstens ist das ein ehrgeiziges Ziel, aber ich finde es erfreulich, dass die Bundesregierung sich gerade in der jetzigen Wirtschaftslage und Wirtschaftskrise solche ehrgeizigen Ziele setzt. Wir haben ja Länder in Asien, in denen solche Dinge bereits erreicht sind, und es gibt in allen Ländern, auch in den USA, jetzt Diskussionen, dort schneller voranzukommen. Ich denke, eines Tages werden diese Bandbreiten auch gebraucht werden.

    Spengler: Wofür denn eigentlich? Wofür braucht eine schwäbische Hausfrau 50 Megabit?

    Kurth: Für bewegte Bilder. Ich glaube, im Moment sehen wir Filme, bewegte Bilder. Zwar geht das auch inzwischen mit geringeren Bandbreiten, aber wir müssen davon ausgehen, dass je mehr Bilder über das Internet transportiert werden, ja auch Fernsehen; Internet-Fernsehen ist ja im Moment technisch möglich. Aber wenn es um die Qualität des Fernsehens geht, um hochauflösende Bilder, um schnelle bewegte Bilder, um neue Dienstleistungen…

    Spengler: Das ist ja so der Privatbereich. Was ist denn zum Beispiel bei Unternehmen? Wofür brauchen die so ein schnelles Internet?

    Kurth: Die Unternehmen tauschen zum Beispiel auch Grafiken, Zeichnungen, komplexe Sicherheitssysteme über das Internet aus, wobei die Unternehmen ja meistens schon solche Anschlüsse haben. Ein Unternehmen, wenn es nicht gerade in einem "weißen Fleck" liegt, hat ja die Möglichkeit auch jetzt schon, hoch-bitratige 100-Megabit-Anschlüsse und mehr zu bekommen, allerdings zu höheren Kosten.

    Spengler: Herr Kurth, nun ist gerade Mobilfunkmesse in Barcelona. Da heißt es, dass dem mobilen Internet die Zukunft gehört, also dem drahtlosen. Wieso muss man da jetzt wieder in Deutschland doppelt und dreifach aufbuddeln, um die neuesten Kabel zu verlegen?

    Kurth: Es ist ja in dieser Strategie nicht beabsichtigt, auf einen Weg der Breitband-Abdeckung zu setzen. Es gibt zum Beispiel auch gerade ein wichtiges Element, nämlich die so genannte "digitale Dividende", das wir über 70 Megaherz im Rundfunkspektrum jetzt frei bekommen, die für Rundfunknutzung nicht mehr benötigt werden oder wo der Rundfunk zurücktritt, und in diesem Bereich sollen ja auch breitbandige mobile Anschlüsse, kostengünstige Anschlüsse entstehen.

    Spengler: Ich weiß nur, dass der Deutschlandfunk immer noch zu wenig Frequenzen hat. Wieso braucht der Rundfunk auf einmal keine Frequenzen mehr?

    Kurth: Wir haben ja durch die Digitalisierung umgeschaltet von Analog auf Digital, beim Fernsehen zum Beispiel. Da wissen wir, dass man die gleichen Inhalte im Grunde genommen mit einem Fünftel des Spektrums ausstrahlen kann, wenn man von Analog auf Digital umschaltet. Es geht jetzt vorwiegend um Fernsehen; beim Rundfunk, also beim Radio ist die Lage etwas anders. Wir sind in Deutschland voran gewesen mit dieser Digitalisierung und jetzt soll, sagen wir mal, ein kleiner Teil dieses Digitalisierungsgewinns für Breitband-Versorgung auf dem flachen Land genommen werden. Im Übrigen sage ich mal, man kann ja auch Rundfunk über Internet empfangen. Das ist ja auch ein weiterer Verbreitungsweg. Über Internet kriegen Sie heute Hunderte von Radioprogrammen.

    Spengler: Wir sind ja im Vergleich mit Süd-Korea, mit Schweden, mit Japan trotz Ihrer positiven Worte eigentlich relativ schlecht versorgt mit Breitband-Netzen und es dauert bei uns ja auch viel länger mit Anschlüssen. Ich habe noch mal nachgelesen: Bei uns wird im Jahr ein Prozent der Haushalte angeschlossen; in den USA sind das zehn Prozent. Wieso dauert das bei uns so lange?

    Kurth: Wie gesagt, wir reden nicht über die große Abdeckung, die wir schon erreicht haben. Wir haben in den letzten Jahren Zuwächse gehabt wie in keinem anderen Sektor. Es fand ein richtiger Boom, eine Verdoppelung statt. Und gucken Sie mal: Welche Technologie hat in wenigen Jahren solch große Teile, über 50 Prozent aller Haushalte erreicht?

    Spengler: Aber die Versorgung ist anderswo besser?

    Kurth: Wir reden über zwei Dinge. Wir reden über, sage ich mal, 600 Gemeinden mit 700.000 Haushalten, die gar keinen haben. Das ist unbefriedigend, das soll jetzt angegangen werden. Und wir reden über höhere Kapazitäten. Wir reden darüber, diese Kapazitäten schrittweise jetzt aufzubauen, damit wir gewappnet sind für die zukünftigen neuen Dienste, die, wie Sie vorhin sogar ein bisschen kritisch gefragt haben, im Moment der eine oder andere noch gar nicht nutzt. Aber wir wollen hier nicht ein Henne-Ei-Problem haben, sondern wir wollen rechtzeitig dann die Infrastrukturen aufgebaut haben, sowohl Mobil- als auch Festnetz. Wir wollen das dem Wettbewerb überlassen, auch einer Innovationskonkurrenz. Wir wollen nicht eine Lösung in ganz Deutschland. Wir haben ja auch ein wettbewerbliches Umfeld mit vielen Anbietern.

    Spengler: Herr Kurth, 30 bis 50 Milliarden Euro soll das Ganze kosten. Wer zahlt das?

    Kurth: Erstens denke ich mal, dass wir mit wenigen Ausnahmen, nämlich dort, wo es sich ökonomisch nicht rechnet – da gibt es auch jetzt schon Förderprogramme -, da kann man auch über eine öffentliche Förderung fairerweise nachdenken. Aber ansonsten hat sich bisher der Telekommunikationsmarkt ja erfreulicherweise immer durch private Investitionen auch weiterentwickelt. Sie haben Recht: Es geht um große Investitionen. Was wir tun können – und das ist ja jetzt auch in der Diskussion -, man kann sich solche Investitionen teilen. Mehrere können eine Kooperation eingehen. Weil das Teuerste bei diesen Milliarden, die Sie eben nennen, sind so genannte Grabungskosten. Die eigentliche Glasfaserleitung ist nicht sehr teuer.

    Spengler: Nun verlangen aber die Investoren, wenn sie schon investieren sollen, anschließend stabile Preise für die Vermietung ihrer Netze. Das ist doch nachvollziehbar!

    Kurth: Stabile Preise ist eine Sache, die können sie in einer Wettbewerbswirtschaft nie jemand garantieren. Was richtig ist, dass jemand, der investiert, Planungssicherheit haben soll, dass insbesondere die Rahmenbedingungen für den Zugang dritter geklärt werden müssen. Wir wollen natürlich auch bei den neuen Infrastrukturen keinen "closed job". Wir wollen nicht, dass sich sozusagen Kartelle bilden, die andere ausschließen. Das würde unserer Philosophie widersprechen. Also müssen wir diskutieren mit den Investoren, wie stellt ihr euch den Zugang von Dritten, von Diensteanbietern vor, zu welchen Preisen. Und natürlich muss der, der investiert, auch für das Risiko, das er eingeht – Sie haben ja selbst gesagt, es ist gar nicht so sicher, dass das alles gleich genutzt wird – eine faire Rückzahlung seines Risikos bekommen.

    Spengler: Für diese faire Rückzahlung sorgen Sie als Bundesnetzagentur?

    Kurth: Wenn wir Preise haben, die auch einer Regulierung nachher unterliegen. Das sind Fragen, die wir im Moment auch mit denen, die investieren wollen, besprechen. Die diskutieren das auch untereinander. Planungssicherheit heißt eben auch, dass man dann über mehrere Jahre sagt, okay, so und so sieht dieses Modell aus. Die Netzagentur ist bereit, mit denen, die investieren wollen, diese Bedingungen auch jetzt schon zu klären, und ich habe alle aufgefordert, auch zu uns zu kommen und uns diese Modelle, die dort jetzt in der Diskussion sind, zu erläutern.

    Spengler: Letzte Frage. Für den Verbraucher wird es dann am Ende teuerer, wenn er so einen Breitband-Anschluss braucht, oder?

    Kurth: Im Moment ist es so: Natürlich müssen wir für mehr Qualität auch damit rechnen, dass man zumindest vorübergehend mehr zahlt. Das ist in der Tat so. Wer mehr Qualität will, muss vielleicht auch einen Aufschlag zahlen. Mittelfristig haben wir allerdings immer gesehen, wenn man mal über Jahre die Entwicklung beobachtet, dass es dann doch wieder billiger wird. Wir haben ja in den letzten zehn Jahren ständig erlebt, dass Preise gerade in Deutschland durch den Wettbewerb sehr, sehr günstig waren und immer günstiger geworden sind für mehr Leistungen. Diese Tendenz wird sich nicht grundsätzlich umkehren, aber die Preise müssen auch noch so sein, dass sie denen, die investieren sollen, irgendwo auch noch etwas Spaß bereiten.

    Spengler: Das war Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur. Herr Kurth, danke für das Gespräch.

    Kurth: Ich danke Ihnen, Herr Spengler.