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Bundespräsident Gauck
Eine Äußerung und ihre Folgen

Bundespräsident Joachim Gauck hatte sich in einem Interview am Sonntag kritisch zu einem möglichen thüringischen Ministerpräsidenten aus den Reihen der Linkspartei geäußert. Ist das angebracht und darf er das überhaupt? Die Diskussion zieht sich durch alle politischen Parteien.

Von Katharina Hamberger | 03.11.2014
    Bundespräsident Joachim Gauck beim Interview für die ARD-Sendung «Bericht aus Berlin», das in der Berliner Gethsemanekirche aufgezeichnet worden war.
    Bundespräsident Joachim Gauck beim Interview für die ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", das in der Berliner Gethsemanekirche aufgezeichnet worden war. (dpa / picture alliance / Bericht aus Berlin"-ARD-Hautpstadtstudio)
    Empört über Gaucks Äußerungen ist natürlich die Linkspartei. Die Bundesvorsitzende der Partei, Katja Kipping sagte der ARD:
    "Ich teile die Bewertung von Joachim Gauck nicht. Ich finde, Gauck hat damit weniger Bodo Ramelow als vielmehr sich selber geschadet."
    Auch der frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer greift Gauck scharf an. Im Deutschlandfunk sagte er:
    "Den Eindruck zu erwecken, in der Linken gäbe es Leute, die irgendwie Unterdrückung der Menschen A leugnen und vielleicht sogar wieder einführen wollten, halte ich für ganz und gar absurd, um nicht zu sagen pathologisch. Man müsste nur noch sagen, der Russe kommt wieder."
    Bei einer Basiskonferenz der Linken am 27.09.2014 in Sömmerda steht Bodo Ramelow, Spitzenkandidat und Fraktionschef im Landtag, am Rednerpult.
    Auch Bodo Ramelow hat reagiert, allerdings zurückhaltend. (Martin Schutt, dpa)
    Linken-Politiker Bodo Ramelow selbst, dessen mögliche Ministerpräsidentschaft in Thüringen die Debatte erst ausgelöst hat, klingt etwas zurückhaltender, kritisierte lediglich das Setting in dem Gauck das Interview gegeben hat: "Ich bin als Christ irritiert, dass ein Interview gegeben wird vor einem Altar mit brennenden Kerzen und auf dem ein Kreuz zu sehen ist. Meine Miteigenschaft als Christ einfach negiert wird."
    Bei den Grünen gehen die Meinungen auseinander. Hans-Christian Ströbele befürchtet, dass das nur der Anfang war und das nun Schule mache und "dass er Zukunft vor Wahlen auch Ratschläge gibt hinsichtlich der einen oder anderen Partei und das darf nicht sein."
    Grünen-Chef Cem Özdemir teilt diese Befürchtung Ströbeles nicht. Seiner Meinung nach hätten die Äußerungen nichts mit Parteipolitik zu tun, sondern müssen im Licht der Erfahrungen Gaucks bewertet werden.
    Bei der SPD ist es ein „ja, aber". Man hat Verständnis für Gaucks Äußerungen, aber will sich mit Kritik auch nicht ganz zurückhalten - vor allem, weil das Ergebnis der Entscheidung der Thüringer SPD-Mitglieder über Rot-Rot-Grün erst morgen bekannt gegeben werden soll. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. mahnt zur Unaufgeregtheit – wobei das wohl eher an die Adresse des Bundespräsidenten geht. Sie habe Respekt für seine Biografie und auch Verständnis für die Äußerungen..
    "Aber ich möchte trotzdem noch mal drauf hinweisen, dass die mögliche Regierungsbildung in Thüringen eine demokratisch hoch legitimierte ist."
    Jedoch nicht alle Sozialdemokraten sehen ein "aber". Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Thomas Oppermann sagte heute in Berlin:
    "Ich finde es gut, dass wir einen meinungsfreudigen Bundespräsidenten haben und aufgrund seiner Erfahrungen kann ich seine Äußerungen sehr gut nachvollziehen."
    Von Seiten der Union kommt Rückhalt für den Bundespräsidenten. Unter anderem äußerte sich Peter Tauber, Generalsekretär der CDU. Er finde, der Bundespräsident werde seiner Aufgabe gerecht:
    "Rot-Grün wollte einen kritischen Bundespräsidenten. Jetzt haben sie ihn und ich finde, beide Parteien sollten sich auch fragen, ob damit nur gemeint war, dass er nur kritisch gegenüber anderen ist."
    Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentiere die Äußerungen Gaucks und die Wahl seiner Themen nicht, sagte heute Regierungssprecher Steffen Seibert. Trotzdem wolle er sagen:
    "Dass der Bundespräsident frei ist, zu allen wichtigen themen unserer Gesellschaft zu sprechen."
    CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte den Kieler Nachrichten, die klare Botschaft von Bundespräsident Gauck verdienet Respekt. Schließlich stelle sich die Frage, ob die SPD wirklich den Zitat SED-Unrechtsverherrlichern den Weg in die Staatskanzlei ebnen wolle.