Meurer: Aber das war doch offensichtlich, dass es damals so war, dass Kohl sich über den "Spiegel" geärgert hat.
Gößling: Das mag sein. Das ist eine Interpretation. Das ist eine Bewertung. Die nehmen wir nicht vor. Wir sehen aber jetzt die Kollegen, die Interviews kriegen, und durch diese Erklärung, dass es von der Art der Berichterstattung abhängt, kommen natürlich auch die in ein merkwürdiges Licht, die eins kriegen. Also die einen werden bestraft, die anderen belohnt. Dagegen protestieren wir, und in dem Gespräch gab es gestern keinerlei Übereinstimmung. Da bleiben die Differenzen.
Meurer: Wie argumentiert denn der Regierungssprecher seine Position?
Gößling: Der argumentiert so, dass – er hat es sogar vor der Bundespressekonferenz so genannt – man den Kakao nicht trinken müsse, durch den man gezogen werde. Also die Regierung macht überhaupt gar keinen Hehl daraus, dass es keine Interviews mehr gibt, weil die Berichterstattung so negativ ist.
Meurer: Nun gibt es noch den anderen Punkt, nämlich dass Reporter von der "Bild-Zeitung" und dem "Stern" in der Kanzlermaschine nicht mitgenommen worden sind in die USA oder zuletzt in die Türkei. War das eine Strafmaßnahme oder nicht?
Gößling: Also wir können das nicht klären. Wir wollten das auch nicht im Nachhinein klären. Da gibt es unterschiedliche Darstellungen. Für uns ist wichtig, dass die Bundesregierung uns erklärt hat, es gibt von vorne herein keinen Ausschluss, von vorne herein kann jeder daran teilnehmen. Natürlich hat eine Lufthansa-Maschine oder Luftwaffenmaschine nur begrenzten Platz – das wissen wir auch. Es muss ausgewählt werden, aber jeder muss die Chance haben. Im Gegensatz zu den Interviews hat Anda hier gesagt, jeder hat die Chance und jeder kann teilnehmen, keiner wird von vorne herein ausgeschlossen. Das war für uns ganz wichtig.
Meurer: Im Prinzip sind ja die Positionen doch so geblieben, wie sie auch vor dem Gespräch waren. Will die Bundespressekonferenz jetzt irgendetwas unternehmen, um den Kanzler zu zwingen, der "Bild-Zeitung" wieder Interviews zu geben?
Gößling: Nein. Unsere Aktion war auch keine Aktion, die darauf zielte, dass die "Bild-Zeitung" jetzt Interviews haben muss. Unsere Aktion war nur die, dass es nicht von der Art der Berichterstattung offiziell abhängig sein darf, ob jemand ein Interview bekommt oder nicht, weil, wie gesagt, es nicht für die anderen nach Belohnung für die Berichterstattung aussehen darf.
Meurer: Es hat ja, glaube ich, eine Abstimmung unter den Mitgliedern der Bundespressekonferenz gegeben, mit einer klaren Mehrheit in dem Sinne, wie Sie sie jetzt vertreten. Glauben Sie nicht doch, dass eine Reihe von Kollegen es ein wenig schwer fällt, sich vor die "Bild-Zeitung" zu stellen?
Gößling: Das haben wir nicht zu bewerten. Wir haben aber auf dieser Mitgliederversammlung ganz deutlich gemacht, es geht jetzt hier nicht Pro oder Kontra "Bild-Zeitung", sondern wir wollten den Anfangen wehren, dass die Regierung herkommt und sagt, wenn uns die Berichterstattung passt, dann werden wir euch auch fördern, und wenn uns die Berichterstattung nicht passt, dann kriegt ihr zum Beispiel keine Interviews mehr, und das könnte ja sogar weitergehen.
Meurer: Also Ihnen war es auch egal, ob die "Bild-Zeitung" nun eine Kampagne fährt oder nicht, wie ihr vorgeworfen wird?
Gößling: Das musste uns egal sein, weil wir ja Korrespondenten vertreten, sowohl der "Bildzeitung", als auch zum Beispiel der "taz" als auch kleiner Regionalzeitungen in Bayern als auch Fachmagazinen usw. Wir können die Berichterstattung nicht bewerten, und das wollen wir auch gar nicht.
Meurer: Es gab ja mal eine Zeit, da war das Verhältnis des Kanzlers zu den Medien offenbar ein bisschen besser. Da gab es Gesprächsrunden mit den Chefredakteuren. Ist diese Zeit vorbei?
Gößling: Das weiß ich nicht. Wir beschäftigen uns ja mit dem, was die Bundesregierung für die Korrespondenten in Berlin macht, und da können wir uns im Prinzip nicht beklagen über die letzten Jahre. Das wollen wir auch gar nicht, und wir haben ja in unserer Erklärung vom Freitag auch gesagt, wenn wir bei dem Mitreisen und den Hintergrundgesprächen wieder zu der bewährten Praxis zurückkehren, dann sind wir zufrieden.
Meurer: Das Klima ist also nicht eisiger geworden?
Gößling: Nein, nicht eisiger als es in Zeiten ist, wo Regierungen in Schwierigkeiten waren. Natürlich berichten Regierungen vor der Bundespressekonferenz lieber über Erfolge als dass sie nach Schwierigkeiten gefragt werden. Das ist uns völlig klar.
Meurer: Nun fällt ja vielen auf, dass der derzeitige Regierungssprecher Béla Anda lange Jahre für die "Bild-Zeitung" gearbeitet hat, unter anderem deswegen auch vom Kanzler in seine Funktion geholt worden ist. Was halten Sie von der These, dass es einen Machtkampf gibt zwischen Béla Anda und dem heutigen Chefredakteur der "Bild-Zeitung" Kai Dieckmann?
Gößling: Also dazu kann ich nichts sagen. Das kann ich auch nicht bewerten. Das kann jeder Korrespondent vielleicht für sich bewerten, aber da bin ich auch sozusagen der gewählte Vorsitzende aller Korrespondenten, und ich kann nicht für alle Korrespondenten sprechen.
Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.