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Bundesregierung: Gefahr für Deutschland durch Maul- und Klauenseuche gering

Die Bundesregierung hat weiter keine Anzeichen dafür, dass die Maul- und Klauenseuche durch Tiertransporte von Großbritannien nach Deutschland gelangt sein könnte. Alle Betriebe, die in den vergangenen 30 Tagen Vieh aus Großbritannien erhalten hätten, seien unter Beobachtung gestellt worden, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Gerd Müller. Bei Untersuchungen hätten sich aber keine Krankheits-Symptome gezeigt.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Die Symptome: blasige Entzündungen an Maul und Füßen, großer Speichelfluss, Hautveränderungen und Fieber. Die Tiere haben starke Schmerzen und meist verläuft die Krankheit tödlich. Die Maul- und Klauenseuche ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung, die Paarhufer wie Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen befällt. Für den Menschen ist die Maul- und Klauenseuche ungefährlich. In Großbritannien ist die aggressive Seuche vor wenigen Tagen ausgebrochen. Ein Exportverbot für Tiere wurde verhängt. Droht dennoch deutschen Tierhaltern irgendeine Gefahr? Das wollen wir wissen vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, von Gerd Müller (CSU). Guten Morgen Herr Müller!

    Gerd Müller: Guten Morgen!

    Spengler: Herr Müller ist garantiert, dass keinerlei Fleisch von Großbritannien nach Deutschland mehr gelangt?

    Müller: Wir blicken natürlich mit großer Sorge nach Großbritannien und erinnern uns an den großen Seuchenausbruch 2001, bei dem damals Millionen Tiere geschlachtet werden mussten. Aber die jetzige Situation ist damit nicht vergleichbar. Es handelt sich um wenige Tiere und wie es sich jetzt offensichtlich darstellt, ist durch ein Labor dieses Virus in Großbritannien in die Umgebung gekommen. Es gibt aber derzeit keine Erkenntnisse, dass sich die Seuche in Großbritannien weiter ausbreitet, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Seuche nach Deutschland eingeschleppt wurde.

    Spengler: Aber meine Frage war, ob es eine Garantie dafür gibt, dass keinerlei Fleisch von Großbritannien nach Deutschland gelangt?

    Müller: Man muss die Situation sehen. Wir haben nun sofort am Wochenende alle Betriebe unter Beobachtung gestellt, die in den letzten 30 Tagen Handel mit Großbritannien betrieben haben. Die Seuche tritt bei Tieren innerhalb von 14 Tagen im Regelfall zu Tage. Hier handelt es sich lediglich um 39 Schafe, ein Rind und ein Pferd. Also die Tierbewegung, der Export Deutschland-Großbritannien ist ganz, ganz gering. Frankreich, die Niederlande sind hier viel stärker tangiert.

    Spengler: Und wie garantieren Sie, dass jetzt künftig kein Fleisch kommt, in den nächsten Tagen?

    Müller: Zunächst einmal hat Großbritannien vollkommen korrekt und entschieden sofort ein Exportverbot erlassen. Dies wird natürlich durchgesetzt. Die Flug- und Seehäfenkontrolle wurde verschärft. Wir haben sofort mit allen Bundesländern am Wochenende bereits konferiert und diesen Morgen wird die Task-Force Tierseuchenbekämpfung tagen. Aber ich sage noch einmal: Es ist derzeit keinerlei Anlass für Panik und für Verbraucher gibt es keinen Anlass für Sorge. Diese 40 Tiere in Deutschland - das möchte ich sagen - stehen in Ställen, werden kontrolliert, wurden untersucht. Es gibt bisher kein Anzeichen, dass eines dieser Tiere betroffen wäre.

    Spengler: Worüber wird denn die Task-Force Tierseuchenbekämpfung heute auf ihrer Telefonkonferenz reden?

    Müller: Die Tierseuchenbekämpfung in Europa ist streng organisiert. Die Kommission wurde sofort von Großbritannien eingeschaltet. Man hat hier aus der BSE-Seuche gelernt. Die Kommission hat dann alle Mitgliedsstaaten der EU sofort informiert. Es wurde ein Exportverbot erlassen. In Deutschland gibt es natürlich auch eine strenge Organisation der Tierseuchenbekämpfung und vorsichtshalber wurden natürlich sofort am Wochenende alle Bundesländer informiert mit der Bitte sofortiger Überprüfung des Verkehrs mit Großbritannien. Dies wird heute Früh noch einmal natürlich besprochen.

    Spengler: Was wird besprochen?

    Müller: Die Tätigkeit und die Erkenntnisse der Bundesländer. Wir haben wie gesagt diese 40 Tiere aus Großbritannien. Es kam beispielsweise ein Pferd dazu, das in Großbritannien war und wieder zurück kam. Diese Bewegungen werden ganz genau kontrolliert, aufgezeichnet und jeder Betrieb sozusagen unter Quarantäne gestellt.

    Spengler: Planen Sie derzeit weitere Maßnahmen?

    Müller: Derzeit sind keine weiteren Maßnahmen notwendig, aber heute Früh wird dies der Erfahrungsaustausch mit den Tierseuchenexperten der Bundesländer und des Bundes zeigen, ob weitere Maßnahmen, Vorsichtsmaßnahmen notwendig sind.

    Spengler: Wird dieser Ausbruch von Maul- und Klauenseuche eigentlich die Preise für Milch und Milchprodukte weiter nach oben treiben?

    Müller: Derzeit würde ich sagen nein, denn ich sage noch einmal: nicht vergleichbar mit 2001, auch in Großbritannien durch das entschiedene Handeln. Dieses Virus kam durch eine Impfstoffproduktion, durch nicht genügende Vorsichtsmaßnahmen offensichtlich in einen Betrieb in der Umgebung, aber es liegen wie gesagt im Moment keine weiteren Erkenntnisse vor, dass sich die Seuche in Großbritannien über den betroffenen Betrieb, die betroffene Area hinaus verbreitet.

    Spengler: Herr Müller, lassen Sie uns kurz noch über die Preise für Lebensmittel sprechen. Es steigen ja nicht nur die Preise für Milch und Milchprodukte, sondern auch Getreide, Kaffee, Kakao, Fleisch. Alles wird teuer. Ist das eigentlich die Trendwende? Ist jetzt der jahrzehntealte Preisverfall für Agrarprodukte gestoppt?

    Müller: Die Agrarprodukte haben über Jahrzehnte richtig, wie Sie sagen, dazu beigetragen, ein stabiles Niveau zu halten. Elf Prozent des Einkommens werden heute für Nahrungsmittel ausgegeben und damit ist Deutschland neben den Niederlanden Schlusslicht in Europa. Wenn man dies betrachtet, ging das natürlich auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft, die heute für Getreide, für Milch, aber auch für Fleisch ein Preisniveau erhält, also der Landwirt direkt, das dem Jahr 1980 entspricht. Was jetzt passiert ist eine Anpassung der Erzeugerpreise bei den Landwirten, die absolut notwendig ist, wenn wir unser Produktionspotenzial in der deutschen Landwirtschaft auch zukünftig erhalten wollen.

    Spengler: Aber es heißt doch immer die Landwirte haben gar nichts davon?

    Müller: Ja und da schauen wir ganz genau hin. Da muss man in das Detail gehen. Wenn man sich mal die Milch anschaut, so haben wir in der Tat heute einen Auszahlungspreis. Der Bauer bekommt im Augenblick für den abgelieferten Liter Milch 30 bis 32 Cent. Wir haben nun eine Preiserhöhung bei Milch um sechs bis acht Cent. Die Molkereien haben dies durchgesetzt. Bisher sind bei den Bauern - wir haben eine Umfrage gestartet - ein bis vier Cent pro Liter angekommen. Der Rest ist bei den Molkereien und beim Handel. Also die Vollmilch dürfte sich, wenn man vom Bauern ausgeht, um vier Cent erhöhen. Bei der Butter ist es ähnlich. Hier haben wir eine Preiserhöhung, die die Molkereien durchgesetzt haben, von zirka acht bis zehn Prozent. Das entspricht 20 bis 25 Cent beim Kilo. Die Preiserhöhungen mit 50 Prozent beim Endprodukt beim Verbraucher, die angekündigt wurden, erscheinen hier überhöht, insbesondere bei Butter.

    Spengler: Hätten es die Bauern denn jetzt selbst in der Hand, gegenüber den Molkereien mehr durchzusetzen, mehr Geld auszuhandeln?

    Müller: Ja. Wir werden von Seiten des Ministeriums diesen Prozess genau verfolgen, ob jetzt bei bestimmten Produkten wie Butter der Handel den Rahm abschöpft, ob die Molkereien sich zu stark bedienen, oder ob tatsächlich der Erzeuger gestärkt wird, die deutsche Landwirtschaft, die wir auch in Zukunft brauchen. Ich sage noch mal: Hier haben wir ein Erzeugerpreisniveau von 1980.
    Dem Verbraucher muss man sagen: Ich nehme mal den Bereich Getreide heraus. Getreide ist heute, wenn man die Tonne anschaut, halb so teuer wie vor 20 Jahren. Die jetzige Getreidepreiserhöhung, die schlägt sich beim Kilo Brot mit zwei Cent durch. Wenn heute der Verbraucher sich eben ein Brötchen schmiert, dann ist der Anteil des Mehls nicht einmal ein Cent. Ein halber Cent käme jetzt vielleicht beim Brötchen dazu. Also wir müssen schon die Kirche im Dorf lassen.

    Spengler: Aber ich verstehe Sie richtig, Herr Müller - Sie vertreten ja das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucher -, dass Sie eher auf Seiten der Landwirtschaft stehen?

    Müller: Landwirte und Verbraucher, das ist kein Gegensatz. Wir wollen auch langfristig in Deutschland Qualitätsprodukte erzeugen können und dazu braucht natürlich der Landwirt auch ein Erzeugerpreisniveau, das nicht auf der Ebene 1980 stehen bleibt, während die gesamten Kosten für Maschinen, Treibstoffe davon galoppieren.

    Spengler: Aber dann darf ich Sie trotzdem fragen, dass es Sie als Ministeriumsvertreter doch mehr freut, dass Milch und Joghurt heute keine Ramschprodukte mehr sind, und Sie sich weniger darüber ärgern, dass die Verbraucher zur Kasse gebeten werden?

    Müller: Wir brauchen Ausgewogenheit auch im Sinne nachhaltiger Produktion. Wenn ich noch mal die Milch herausnehme: der Liter Milch kostete 1980 für den Verbraucher 58 Cent und jetzt liegt er bei plus/minus 60, 62 Cent.

    Spengler: Wie hoch müsste er denn sein, damit Ausgewogenheit hergestellt ist?

    Müller: Ich habe eben gesagt: bei der Milch kommen jetzt vier Cent beim Bauern an. Um die Betriebskosten decken zu können, braucht der Bauer heute zirka 40 Cent für den Liter Milch. Das heißt es müsste noch mal eine Preissteigerung von vier, fünf Cent beim Bauern ankommen. Dann können wir langfristig die Milchproduktion in Deutschland sichern. Das würde bedeuten, dass dann der Liter Milch anstatt wie heute 58 Cent den Verbraucher vielleicht 62 oder 65 Cent kostet. Das ist in etwa das Niveau wie 1980. Also Verbraucherpreise sind auch heute noch stabil. Wir müssen die Diskussion wieder beruhigen und wir werden ganz genau hinschauen, ob der Handel jetzt eine Spirale dreht, die sich nicht rechtfertigen lässt durch die Erzeugerpreise, die bescheiden gestiegen sind.

    Spengler: Wie lange lässt sich denn das bestehende Milchquotensystem noch beibehalten? Das ist ja geschaffen worden, um Überproduktion zu vermeiden. Jetzt hat man sozusagen eine Nachfrage, die das Angebot übersteigt. Das heißt doch man müsste die Quote eigentlich abschaffen?

    Müller: Nein. Die Quote wird bis 2015 bestehen bleiben. Wir hatten bis 2004 Überschuss am Milchmarkt. Bis 2006 wurden diese Überschüsse nun abgebaut, im Übrigen auch die Subventionen, was Milch anbetrifft, die EU-Subventionen. Wir haben jetzt eine Sondersituation. Seit Frühjahr sind die Lagerbestände auch an Magermilchpulver und so weiter weltweit leer. Dies hängt auch damit zusammen, dass wir beispielsweise in Australien eine Jahrhundertdürre hatten, Argentinien als Exporteur von Milchprodukten durch Überflutung ausfällt.

    Spengler: Aber warum dann nicht abschaffen?

    Müller: Man kann im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion nicht von heute auf morgen rein oder raus in die Produktion. Der derzeitige Anstieg beim Milchkonsum liegt bei 1 bis 2 Prozent in der Steigerung. Wir werden langfristig beispielsweise mit Ländern wie Indien, China, Russland kooperieren zum Aufbau einer nachhaltigen Viehwirtschaft in den Ländern selbst. Die Milchwirtschaft dort muss selber entwickelt werden. Milch kann man nicht weltweit sozusagen verschieben wie andere Warenprodukte.