
Mit Verweis auf das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Krieg hatten die vier europäischen Staaten eine erneute Teilnahme Israels am ESC verhindern wollen. Am Donnerstagabend gab es in Genf eine Debatte beim ESC-Veranstalter, der Europäischen Rundfunkunion (EBU), über neue Regeln für den Musik-Wettbewerb. Das Resultat war, dass alle Länder teilnehmen dürfen, die die Regeln akzeptieren - also auch Israel. Daraufhin erklärten die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender in Spanien, Irland, Slowenien und den Niederlanden ihren Boykott. Belgien, Island, Schweden und Finnland prüfen noch, ob sie folgen sollen.
Die Bundesregierung bedauerte den Boykott. Israel gehöre zum ESC, erklärte ein Sprecher. Ähnlich äußerte sich Kulturstaatsminister Weimer. Der parteilose Politiker sagte dem Deutschlandfunk, ein Ausschluss Israels wäre eine Katastrophe gewesen. In einem Brief an seine EU-Kollegen warnte Weimer, der Rückzug einiger Länder gefährde die Atmosphäre der Gemeinsamkeit und des kulturellen Austauschs und könne auch das Fundament eines einzigartigen europäischen Projekts erschüttern. Weimers Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor.
Außenminister Wadephul: "Kultur sollte immer etwas Verbindendes haben"
Bundesaußenminister Wadephul sagte bei einem Treffen mit seiner isländischen Kollegin Gunnarsdóttir in Berlin, Kultur sollte immer etwas Verbindendes haben und der ESC nicht zum Austragungsort politischer Differenzen werden. Gunnarsdóttir sprach von einer heiklen Frage, die die isländische Regierung in all ihren Aspekten prüfen werde.
Der Linken-Abgeordnete Schliesing erklärte auf Anfrage des Deutschlandfunks, der Ausschluss von Künstlerinnen sei als Form des politischen Drucks der falsche Weg. Schliesing plädierte stattdessen auch für eine palästinensische Teilnahme - als "starkes Zeichen für den so dringend benötigten Frieden in Nahost".
Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Frömming, nannte die zunehmende Politisierung des ESC keine gute Entwicklung. Alle Länder sollten an dem Wettbewerb teilnehmen dürfen - neben Israel auch Russland, sagte Frömming ebenfalls im Deutschlandfunk.
Der Deutsche Kulturrat bezweifelt generell, dass ein Boykott kultureller Veranstaltungen ein wirksames Mittel zur Durchsetzung politischer Anliegen ist. Geschäftsführer Zimmermann sagte dem WDR, natürlich stünden Künstler für die Kultur ihrer Länder, aber sie seien eben nicht die offiziellen Vertreter ihrer Nationen.
Frankreich lehnt Boykott ab
Auch in Frankreich wird über den ESC-Rückzug einiger EU-Staaten diskutiert. Außenminister Barrot erklärte, sein Land werde niemals den Weg des Boykotts eines Volkes, seiner Künstler oder seiner Intellektuellen einschlagen. Kultur öffne Horizonte. "Gibt es einen besseren Weg, Frieden zu fördern?", schrieb Barrot im Onlinedienst X.
Der israelische Sender Kan kritisierte den Rückzug der vier EU-Staaten ebenfalls. Wörtlich hieß es: "Ein Boykott mag heute beginnen – mit Israel –, aber niemand weiß, wo er enden wird und wem er noch schaden könnte."
Schon in diesem Jahr gab es wegen des Kriegs im Gazastreifen Kritik an der ESC-Teilnahme Israels. Durch israelische Angriffe sind in dem Palästinensergebiet vermutlich zehntausende Zivilisten getötet worden.
Diese Nachricht wurde am 05.12.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.



