Stefan Heinlein: Israel, die Marshallinseln, Palau und die USA, eine denkwürdige Allianz. Letzten Monat stimmten diese vier Staaten gegen die Einrichtung des UN-Menschenrechtsrates. Bis zuletzt hatte vor allem die US-Regierung mit allen diplomatischen Mitteln versucht, die Schaffung dieses neuen Gremiums zu verhindern, doch ohne Erfolg. Der Menschenrechtsrat löst die in Misskredit geratene Menschenrechtskommission ab. Schneller und vor allem effektiver als in der Vergangenheit soll die Nachfolgeorganisation Anwalt der Menschenrechte weltweit sein. Ab heute wird in New York über die Zusammensetzung des Rates abgestimmt.
Bei mir am Telefon ist nun der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU). Guten Morgen, Herr Nooke!
Günter Nooke: Schönen guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Nach fast 60 Jahren, wir haben es gehört, heute ein Neuanfang in der internationalen Menschenrechtspolitik. Wie optimistisch sind Sie, dass dieser Neubeginn tatsächlich erfolgreich sein wird?
Nooke: Ja, ich bin optimistisch, aber verhalten dann. Es ist ja schon deutlich geworden, es gibt noch einige Probleme mit dem neuen Menschenrechtsrat. Aber insgesamt ist das eine Aufwertung für die Menschenrechtspolitik innerhalb der Vereinten Nationen. Die Staaten werden jetzt direkt von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gewählt, wie das eben heute wohl so gegen 16 Uhr nach unserer Zeit in New York geschehen wird, und ich glaube, dass damit zumindest die Chance besteht, mehr daraus zu machen und diese festgefahrenen auch Regionalgruppen, von denen ja die Rede war, also Asien, Afrika und so weiter, etwas aufzulösen. Aber alles das, was man jetzt machen kann, ist an die Hoffnung gebunden, dass sich auch viele Staaten verantwortlich verhalten. Wenn man einfach nur das, wie es in der Kommission war, fortschreiben würde, dann muss man sagen, dann ist die Mehrheit der eher Menschenrechts nicht so freundlichen Staaten größer geworden, während in der alten Kommission man immer noch gegen diese Staaten quasi eine eigene Mehrheit von Seiten der Europäer und anderer durchsetzen konnte.
Heinlein: Aber dennoch, Herr Nooke, behalten die USA nicht Recht mit ihrer Kritik? Die war ja sehr massiv im Vorfeld. Washington wollte ein viel kleineres Gremium - es sind ja jetzt immer noch 47 Staaten - und viel, viel schärfere Auswahlkriterien.
Nooke: Die Kritik der Vereinigten Staaten war berechtigt. Die wurde auch zu Beginn nicht nur von den Europäern, sondern auch von den Nichtregierungsorganisationen geteilt. Und insofern muss man sagen, dass Amerika hier schon wichtige Punkte angesprochen hat. Eine Garantie, dass es besser wird, gibt es nicht. Trotzdem brauchen wir solch ein Gremium. Wir müssen einfach aus dem, was jetzt verabschiedet wurde, das Beste machen und ich glaube, dass es nicht so sein muss, dass es sich nach unten letztlich auf quasi nur noch Konflikte und so, dass man gar nichts mehr machen kann, nivelliert, sondern es kann auch ein neues Miteinander geben, so dass es sich langsam, vielleicht auch über Jahre hinweg zu einem besseren Miteinander herausbildet.
Denn es ist ja so: Die Staaten, die jetzt gewählt werden, die werden nicht mehr dauerhaft dort sein. Deutschland war seit 1978 im Menschenrechtsrat dauerhaft vertreten, ist immer wieder gewählt worden. Daher nehmen wir auch unsere Anerkennung in den internationalen Gremien, was unsere Arbeit betrifft in Sachen Menschenrechtspolitik. Aber beim neuen Rat ist es so, dass man maximal zweimal drei Jahre hintereinander Mitglied sein kann. Und es kann sogar sein, dass wenn man jetzt gewählt wird, man nur für ein oder zwei Jahre bei der ersten Runde dabei ist. Es heißt, die Zusammensetzung wechselt, und es kann damit natürlich auch deutlich gemacht werden, dass die Staaten, die Mitglied werden, sich selber auch überprüfen lassen. China, Russland. die müssen sich auch selber der Überprüfung stellen.
Heinlein: Stichwort China, Herr Nooke. Wie kann denn verhindert werden, dass ein Land wie China oder andere wie der Iran, die sich jetzt auch bewerben für diesen Menschenrechtsrat tatsächlich gewählt werden, denn das sind ja Länder, in denen nach wie vor die Menschenrechte Tag für Tag mit Füßen getreten werden?
Nooke: Ich glaube da müssen wir einen Unterschied machen. Beim Iran hoffen wir natürlich alle, dass er nicht gewählt wird. Das ist auch keineswegs sicher, aber das ist sicher im Bereich des Realen auch bei den Staaten, die eben heute in der Generalversammlung wählen. Bei China ist es so, dass die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, also Russland, China, England, Frankreich, Amerika, schon in allen Gremien der Vereinten Nationen einen erheblichen Vorteil genießen, weil man natürlich nicht nur über Menschenrechte nachdenkt. Das alles ist ja, auch wenn es oft anders dargestellt wird, hoch politisch, und es geht auch um Machtfragen, natürlich auch bei der Wahl in den Menschenrechtsrat, und man unterstützt die Länder, von denen man sich an anderer Stelle in UN-Gremien natürlich auch etwas verspricht. Und da können die permanenten Mitglieder im Sicherheitsrat zum Beispiel natürlich mehr anbieten und die großen Staaten, die reicheren, rohstoffreicheren Staaten. Die haben natürlich auch bei solchen Wahlen Mittel, sich beliebt zu machen bei anderen und die Stimmen zusammenzubekommen.
Heinlein:! Aber wo ist der Unterschied zur alten Menschenrechtskommission, wenn China Mitglied wird? China ist Sünder und gleichzeitig Richter. Das war auch in der Vergangenheit schon so.
Nooke: Ja. Das eine ist, auch China wird sich einem Bericht über das eigene Land unterziehen müssen. Wer gewählt wird, muss akzeptieren, dass er überprüft wird. Das ist neu. Und es ist nicht mehr so, dass die Regionalgruppe zum Beispiel der asiatischen Staaten China vorschlägt, sondern China muss eben jetzt diese 96 oder mehr Stimmen in der Generalversammlung bekommen. Und es ist auch so, dass eben auch diese wichtigen permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates, die ich gerade genannt habe, von denen alle bis auf Amerika kandidieren, die können eben nicht mehr dauerhaft im Rat sein. Und das heißt, irgendwann gibt es Zusammensetzungen, die natürlich vielleicht schon interessant sind. Wichtig ist, dass diese Regionalgruppen aufgebrochen werden. Wenn das nicht geschieht, dann werden Westeuropäer, Osteuropäer und lateinamerikanische Staaten 21 Stimmen haben und die anderen 26 sind bei Afrika und Asien. Und wenn diese Blöcke gegeneinander agieren, dann wird es nicht sehr fruchtbar werden.
Heinlein: Herr Nooke, auch Deutschland hat sich beworben jetzt für diese erste Wahl. Ist eine mögliche Wahl - es gibt ja durchaus Konkurrenten - ein Prestigeerfolg, wenn er denn erfolgreich sein wird für die deutsche Außenpolitik?
Nooke: Es wäre auf jeden Fall ein Erfolg für die deutsche Menschenrechtspolitik. Und es würde auch deutlich machen, wie viele Staaten von Deutschland eine wichtige Rolle erwarten. Wir kandidieren ja auf Grund unserer Vergangenheit in dem Sinne, dass wir sagen, wir haben erfolgreiche Menschenrechtspolitik in den UN-Gremien und anderswo gemacht. Wir sind ein Staat, der sich wirklich sehen lassen kann international. Und wir kandidieren, weil wir 2007 im Januar die Präsidentschaft der EU übernehmen und natürlich dann auch innerhalb der Europäischen Union eine gemeinsame Menschenrechtspolitik in den Gremien der Vereinten Nationen vertreten wollen. Das heißt, Deutschland hat hier sowieso eine gewisse Führungsrolle in dieser Zeit. Und diese Führungsrolle wird von anderen auch außerhalb Europas durchaus erwartet. Deutschland ist ein Land, das international doch sehr positiv gesehen wird und von dem viele viel mehr internationale Verantwortung, auch Führungsverantwortung erwarten, als wir das innerhalb Deutschlands oft selber für möglich halten, auch auf Grund unserer Vergangenheit manchmal selbst wollen. Diese Chance, die besteht, auch dieses Fenster von neuen Möglichkeiten mit der EU-Präsidentschaft, mit der Präsidentschaft bei G8 auch im Jahre 2007, das ist etwas, wo wir schon etwas daraus machen können.
Wir haben ein Interesse daran, auch Menschenrechtspolitik zu einem Integrationsthema, zu einem integrierenden Thema in Europa zu machen. Und deshalb sind für uns die Präsidentschaften dort ganz wichtig. Auch die Finnen, die im Juli die Präsidentschaft übernehmen, kandidieren ja für den Rat.
Heinlein: Heute Morgen hier im Deutschlandfunk der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke. Herr Nooke, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Nooke: Auf Wiederhören, Herr Heinlein.
Bei mir am Telefon ist nun der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU). Guten Morgen, Herr Nooke!
Günter Nooke: Schönen guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Nach fast 60 Jahren, wir haben es gehört, heute ein Neuanfang in der internationalen Menschenrechtspolitik. Wie optimistisch sind Sie, dass dieser Neubeginn tatsächlich erfolgreich sein wird?
Nooke: Ja, ich bin optimistisch, aber verhalten dann. Es ist ja schon deutlich geworden, es gibt noch einige Probleme mit dem neuen Menschenrechtsrat. Aber insgesamt ist das eine Aufwertung für die Menschenrechtspolitik innerhalb der Vereinten Nationen. Die Staaten werden jetzt direkt von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gewählt, wie das eben heute wohl so gegen 16 Uhr nach unserer Zeit in New York geschehen wird, und ich glaube, dass damit zumindest die Chance besteht, mehr daraus zu machen und diese festgefahrenen auch Regionalgruppen, von denen ja die Rede war, also Asien, Afrika und so weiter, etwas aufzulösen. Aber alles das, was man jetzt machen kann, ist an die Hoffnung gebunden, dass sich auch viele Staaten verantwortlich verhalten. Wenn man einfach nur das, wie es in der Kommission war, fortschreiben würde, dann muss man sagen, dann ist die Mehrheit der eher Menschenrechts nicht so freundlichen Staaten größer geworden, während in der alten Kommission man immer noch gegen diese Staaten quasi eine eigene Mehrheit von Seiten der Europäer und anderer durchsetzen konnte.
Heinlein: Aber dennoch, Herr Nooke, behalten die USA nicht Recht mit ihrer Kritik? Die war ja sehr massiv im Vorfeld. Washington wollte ein viel kleineres Gremium - es sind ja jetzt immer noch 47 Staaten - und viel, viel schärfere Auswahlkriterien.
Nooke: Die Kritik der Vereinigten Staaten war berechtigt. Die wurde auch zu Beginn nicht nur von den Europäern, sondern auch von den Nichtregierungsorganisationen geteilt. Und insofern muss man sagen, dass Amerika hier schon wichtige Punkte angesprochen hat. Eine Garantie, dass es besser wird, gibt es nicht. Trotzdem brauchen wir solch ein Gremium. Wir müssen einfach aus dem, was jetzt verabschiedet wurde, das Beste machen und ich glaube, dass es nicht so sein muss, dass es sich nach unten letztlich auf quasi nur noch Konflikte und so, dass man gar nichts mehr machen kann, nivelliert, sondern es kann auch ein neues Miteinander geben, so dass es sich langsam, vielleicht auch über Jahre hinweg zu einem besseren Miteinander herausbildet.
Denn es ist ja so: Die Staaten, die jetzt gewählt werden, die werden nicht mehr dauerhaft dort sein. Deutschland war seit 1978 im Menschenrechtsrat dauerhaft vertreten, ist immer wieder gewählt worden. Daher nehmen wir auch unsere Anerkennung in den internationalen Gremien, was unsere Arbeit betrifft in Sachen Menschenrechtspolitik. Aber beim neuen Rat ist es so, dass man maximal zweimal drei Jahre hintereinander Mitglied sein kann. Und es kann sogar sein, dass wenn man jetzt gewählt wird, man nur für ein oder zwei Jahre bei der ersten Runde dabei ist. Es heißt, die Zusammensetzung wechselt, und es kann damit natürlich auch deutlich gemacht werden, dass die Staaten, die Mitglied werden, sich selber auch überprüfen lassen. China, Russland. die müssen sich auch selber der Überprüfung stellen.
Heinlein: Stichwort China, Herr Nooke. Wie kann denn verhindert werden, dass ein Land wie China oder andere wie der Iran, die sich jetzt auch bewerben für diesen Menschenrechtsrat tatsächlich gewählt werden, denn das sind ja Länder, in denen nach wie vor die Menschenrechte Tag für Tag mit Füßen getreten werden?
Nooke: Ich glaube da müssen wir einen Unterschied machen. Beim Iran hoffen wir natürlich alle, dass er nicht gewählt wird. Das ist auch keineswegs sicher, aber das ist sicher im Bereich des Realen auch bei den Staaten, die eben heute in der Generalversammlung wählen. Bei China ist es so, dass die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, also Russland, China, England, Frankreich, Amerika, schon in allen Gremien der Vereinten Nationen einen erheblichen Vorteil genießen, weil man natürlich nicht nur über Menschenrechte nachdenkt. Das alles ist ja, auch wenn es oft anders dargestellt wird, hoch politisch, und es geht auch um Machtfragen, natürlich auch bei der Wahl in den Menschenrechtsrat, und man unterstützt die Länder, von denen man sich an anderer Stelle in UN-Gremien natürlich auch etwas verspricht. Und da können die permanenten Mitglieder im Sicherheitsrat zum Beispiel natürlich mehr anbieten und die großen Staaten, die reicheren, rohstoffreicheren Staaten. Die haben natürlich auch bei solchen Wahlen Mittel, sich beliebt zu machen bei anderen und die Stimmen zusammenzubekommen.
Heinlein:! Aber wo ist der Unterschied zur alten Menschenrechtskommission, wenn China Mitglied wird? China ist Sünder und gleichzeitig Richter. Das war auch in der Vergangenheit schon so.
Nooke: Ja. Das eine ist, auch China wird sich einem Bericht über das eigene Land unterziehen müssen. Wer gewählt wird, muss akzeptieren, dass er überprüft wird. Das ist neu. Und es ist nicht mehr so, dass die Regionalgruppe zum Beispiel der asiatischen Staaten China vorschlägt, sondern China muss eben jetzt diese 96 oder mehr Stimmen in der Generalversammlung bekommen. Und es ist auch so, dass eben auch diese wichtigen permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates, die ich gerade genannt habe, von denen alle bis auf Amerika kandidieren, die können eben nicht mehr dauerhaft im Rat sein. Und das heißt, irgendwann gibt es Zusammensetzungen, die natürlich vielleicht schon interessant sind. Wichtig ist, dass diese Regionalgruppen aufgebrochen werden. Wenn das nicht geschieht, dann werden Westeuropäer, Osteuropäer und lateinamerikanische Staaten 21 Stimmen haben und die anderen 26 sind bei Afrika und Asien. Und wenn diese Blöcke gegeneinander agieren, dann wird es nicht sehr fruchtbar werden.
Heinlein: Herr Nooke, auch Deutschland hat sich beworben jetzt für diese erste Wahl. Ist eine mögliche Wahl - es gibt ja durchaus Konkurrenten - ein Prestigeerfolg, wenn er denn erfolgreich sein wird für die deutsche Außenpolitik?
Nooke: Es wäre auf jeden Fall ein Erfolg für die deutsche Menschenrechtspolitik. Und es würde auch deutlich machen, wie viele Staaten von Deutschland eine wichtige Rolle erwarten. Wir kandidieren ja auf Grund unserer Vergangenheit in dem Sinne, dass wir sagen, wir haben erfolgreiche Menschenrechtspolitik in den UN-Gremien und anderswo gemacht. Wir sind ein Staat, der sich wirklich sehen lassen kann international. Und wir kandidieren, weil wir 2007 im Januar die Präsidentschaft der EU übernehmen und natürlich dann auch innerhalb der Europäischen Union eine gemeinsame Menschenrechtspolitik in den Gremien der Vereinten Nationen vertreten wollen. Das heißt, Deutschland hat hier sowieso eine gewisse Führungsrolle in dieser Zeit. Und diese Führungsrolle wird von anderen auch außerhalb Europas durchaus erwartet. Deutschland ist ein Land, das international doch sehr positiv gesehen wird und von dem viele viel mehr internationale Verantwortung, auch Führungsverantwortung erwarten, als wir das innerhalb Deutschlands oft selber für möglich halten, auch auf Grund unserer Vergangenheit manchmal selbst wollen. Diese Chance, die besteht, auch dieses Fenster von neuen Möglichkeiten mit der EU-Präsidentschaft, mit der Präsidentschaft bei G8 auch im Jahre 2007, das ist etwas, wo wir schon etwas daraus machen können.
Wir haben ein Interesse daran, auch Menschenrechtspolitik zu einem Integrationsthema, zu einem integrierenden Thema in Europa zu machen. Und deshalb sind für uns die Präsidentschaften dort ganz wichtig. Auch die Finnen, die im Juli die Präsidentschaft übernehmen, kandidieren ja für den Rat.
Heinlein: Heute Morgen hier im Deutschlandfunk der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke. Herr Nooke, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Nooke: Auf Wiederhören, Herr Heinlein.