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Bundestag bringt Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften auf den Weg

Der Bundestag wird in dieser Woche das Gesetz zur steuerlichen Gleichstellung für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in der zweiten und dritten Lesung verabschieden. Der nächste Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung der Homo-Ehe: Die gemeinsame Adoption von Kindern.

Von Annette Wilmes | 25.06.2013
    "Beratung mehrerer Vorlagen zur Herstellung der Gleichbehandlung von Verheirateten und Lebenspartnern im Steuerrecht und weiteren Rechtsgebieten."

    Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse am 14. Juni 2013. Zur Beratung standen die Gesetzentwürfe der Regierungskoalition, der SPD und von Bündnis 90/ Die Grünen, die alle drei dasselbe Ziel haben, Verheiratete und Lebenspartner im Steuerrecht gleichzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Woche zuvor einen Beschluss bekannt gegeben, der die Ungleichbehandlung beim Ehegattensplitting als verfassungswidrig einstuft. Die Rechtslage musste rückwirkend ab der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 1. August 2001 geändert werden. Das soll nun mit dem neuen Gesetz geschehen. Am 14. Juni also fand die erste Lesung statt, in dieser Woche schon wird das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Wie das Ehegattensplitting bislang funktioniert, erläutert Martin Wulf, Fachanwalt für Steuerrecht aus Berlin:

    "Für die Zwecke des Ehegattensplittings werden zwei Steuerpflichtige, Ehemann und Ehefrau, gemeinsam betrachtet. Die werden also veranlagt, werden durch das Finanzamt behandelt als wären sie ein Steuerpflichtiger."

    Der Steuertarif steigt progressiv an. Je mehr Einkommen jemand hat, desto höher ist seine Steuerbelastung. Und dadurch, dass zwei Personen jetzt behandelt werden, als wären sie eine, zahlen sie dann entsprechend nur den Durchschnittssteuersatz.

    "Der Vorteil entsteht dann, wenn ich Ehegatten habe, die unterschiedlich viel verdienen, weil dann eben der eine, ich übertreibe jetzt, verdient 500.000 Euro und die Ehefrau, in der klassischen Rollenverteilung, verdient nichts, ist vielleicht zu Hause. Dann würde normalerweise ihr Mann mit dem hohen Einkommen voll in die hohe Progression fallen. Und dadurch, dass sie jetzt behandelt werden, als wären sie gemeinsam sozusagen ein Steuerpflichtiger, wird das Einkommen gewissermaßen geteilt rechnerisch und es wird dann so besteuert, als wenn da zwei Leute wären, die nur in Anführungszeichen 250.000 Euro verdienen würden. Und dadurch sinkt dann eben die Steuerbelastung dementsprechend."

    Ein Vorteil, der ab sofort auch für Lebenspartnerschaften gelten soll. Dass der Beschluss aus Karlsruhe so schnell umgesetzt wird, liegt sicher auch daran, dass die Entscheidung für viele nicht überraschend war. Volker Beck, Erster parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis90/ Die Grünen.

    "Seit 2009 gibt es immer wieder eine Entscheidung nach der anderen, wo das Bundesverfassungsgericht sagt, Ehe und Lebenspartnerschaft sind so ähnlich oder gleich bei den Pflichten, dass es nicht gerechtfertigt ist, sie bei den jeweiligen Rechten, die dann Gegenstand des Verfahrens sind, unterschiedlich zu behandeln. Das war bei der Hinterbliebenenversorgung so, bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, beim Familienzuschlag für Beamte, bei der Grunderwerbssteuer, beim Adoptionsrecht und jetzt eben auch bei der Einkommenssteuer."

    Die Grünen haben wie die SPD einen eigenen Entwurf zum Ehegattensplitting eingebracht. Die Entwürfe der Opposition unterscheiden sich vom Regierungsentwurf zum Beispiel dadurch, dass darin auch bereits bestandskräftige Steuerbescheide aufgehoben werden sollen. Diese Möglichkeit hatte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich in seine Entscheidung hineingeschrieben. Der Koalitionsentwurf indes sieht dies nicht vor und will entsprechend auch nur die offenen Verfahren aufgreifen.

    "Was unfair ist, weil manche Finanzämter haben einfach gesagt, bei Lebenspartnerschaften machen wir nur vorläufige Steuerbescheide, da musste man nichts tun als Steuerbürger. Andere Finanzämter haben gesagt, nein, das ist ein endgültiger Steuerbescheid, und ihr müsst erst einen Widerspruch einlegen, wenn ihr den vorläufig halten wollt."

    Ein Unionspolitiker hat nicht mit dem Beschluss aus Karlsruhe gerechnet
    Und wer das damals nicht getan hat, der soll jetzt leer ausgehen. Auch in weiteren Punkten geht Volker Beck der Gesetzentwurf der Regierungskoalition nicht weit genug:

    "Man hat lediglich im Einkommensteuergesetz jetzt geschrieben, dass die Regelungen für Ehegatten auf Lebenspartner übertragen werden, hat aber alle anliegenden Rechtsgebiete sogar ausgeklammert, also von der Abgabenordnung über die Einkommensteuer, Durchführungsverordnung und so weiter. Was dazu führt, dass am Ende zum Beispiel die Kindergeldregelung nicht so geregelt wird wie die Kinderfreibetragsregelung in Lebenspartnerschaften. Das macht rechtspolitisch alles keinen Sinn."

    Becks Parlamentskollege Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, hat einen völlig anderen Blick auf das Gesetzgebungsverfahren. Der Entwurf setze den Spruch aus Karlsruhe zügig und korrekt um. Aber der Unionspolitiker verhehlt nicht, dass er mit so einem Beschluss aus Karlsruhe nicht gerechnet hatte.

    "Der Beschluss war insofern überraschend, weil es hier ja nur um zwei Steuerbescheide aus den Jahren 2001 und 2002 ging, und wir zu diesem Zeitpunkt zwar schon das Institut der Lebenspartnerschaft hatten, aber eben noch keine Angleichung bei Versorgungsausgleich, bei sozialrechtlichen Punkten und Ähnlichem und von daher auch die Anknüpfungspunkte für eine steuerliche Gleichbehandlung zu diesem Zeitpunkt, 2001, 2002 noch nicht gegeben war. Von daher war es unter juristisch handwerklichen Gesichtspunkten eigentlich kaum vertretbar, diese Entscheidung zu treffen. Dass langfristig der Zug in diese Richtung seitens der Rechtsprechung in Karlsruhe ging, das war uns schon klar. Aber in diesem Urteil war es auch überraschend, weil es eben juristisch fachlich schwer zu vermitteln war."

    Für den CDU-Politiker zählt Artikel 6 des Grundgesetzes, Schutz der Ehe und Familie, mehr als der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3.

    "Ich glaube, dass politisch die Frage sehr legitim ist, ob man nicht die Lebenspartnerschaft schon vor ein, zwei Jahren hätte in der steuerlichen Behandlung angleichen müssen der Ehe. Aber es muss eine politische Diskussion sein. Wir haben Artikel 6 in unserer Verfassung, der spricht von einem besonderen Eheschutz. Und besondere Sätze in einem Gesetzestext gehen allgemeinen Sätzen, in dem Fall dem allgemeinen Gleichheitssatz vor in der Auslegung. Und insofern war es die Aufgabe des Gesetzgebers, diese Entscheidung zu treffen. Da war es in der Tat keine einfache Entscheidung. Und ich finde es im Sinne der Gewaltenteilung äußerst schwierig, wenn das Verfassungsgericht diese politische Entscheidung in seinen Bereich hineinzieht und durch seine Entscheidung zum Abschluss bringt."

    Günter Krings hätte also lieber eine politische Entscheidung gehabt. Da steht er nicht allein da. Von verschiedenen Seiten kam der Vorwurf, dass sich die Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht treiben ließen, statt die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Günter Krings:

    "Es gab einen Satz, den ich immer wieder teilweise auch in der eigenen Fraktion gehört habe, der mir nicht gefallen hat, da hieß es ja, wir warten mal auf Karlsruhe. Das ist natürlich eine Einladung an das Gericht, Politik zu machen. Insofern trifft ein Teil meiner Kritik eigentlich auch einige Bundestagskollegen, die durch diese Aussage, wir warten mal, was Karlsruhe entscheidet, vielleicht das Gericht förmlich sogar eingeladen haben über die Verfassungsauslegung hinaus zu gehen."

    Ehegattensplitting liefert Grundlage, um Kinder zu bekommen
    Auf der anderen Seite, sagt Krings, gebe es Kollegen, die das Ehegattensplitting ganz klar nicht ausweiten wollten. Weil sie eben der Meinung sind, dass das Ehegattensplitting die wirtschaftliche Grundlage dafür bilde, Kinder zu bekommen und großzuziehen.

    "Und nach diesem Denkansatz ist es in der Tat so, dass dann Lebenspartnerschaften jedenfalls im Regelfall dort, wo es dort eben normalerweise keine Kinder gibt, nicht in den Genuss hätten kommen sollen. Insofern war es bei den Kollegen, die sich gegen die Ausweitung des Ehegattensplittings entschieden haben, durchaus auch Ausdruck einer klaren Haltung und nicht des Wunsches, diese Entscheidung nach Karlsruhe abzuschieben."

    Diese Haltung wird sich jetzt nicht mehr politisch umsetzen lassen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 7. Mai 2013, der vor drei Wochen veröffentlicht wurde, klar und deutlich festgeschrieben, dass Artikel 6 nicht zur Privilegierung der Ehe führen dürfe.

    Das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG allein vermag die Ungleichbehandlung der familienrechtlichen Institute der Ehe und der Lebenspartnerschaft nicht zu rechtfertigen, da beide in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasste Lebensformen darstellen. Sie weisen in ihren Grundstrukturen bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede auf. Insbesondere der Grad der rechtlichen Bindung und die gegenseitigen Einstandspflichten sind schon durch das Lebenspartnerschaftsgesetz des Jahres 2001 in Ehe und Lebenspartnerschaft weitgehend angeglichen.

    Also sollen die Lebenspartner nicht nur die Pflichten tragen, sondern auch die Rechte erhalten, die Eheleuten zustehen.

    Sechsmal schon traf das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen für die Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe, mit den entsprechenden Konsequenzen für den Gesetzgeber.
    Diese punktuelle Durchsetzung von Recht, die mühsam und langwierig ist, wäre nicht notwendig gewesen, wenn 2001 das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz in Kraft getreten wäre, in dem das Beamtenrecht, das Steuerrecht und viele andere Dinge geregelt wurden. Das Gesetz scheiterte jedoch damals im Bundesrat am Widerstand der CDU/ CSU-regierten Länder. Im Frühjahr dieses Jahres hat die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen einen neuen Versuch gestartet und ein Diskriminierungsbeendigungsgesetz für die Lebenspartnerschaft vorgelegt. Das liegt seitdem im Rechtsausschuss.

    Während das Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften am Donnerstag im Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wird, hat man sich um die Umsetzung des Adoptionsrechts noch nicht gekümmert, obwohl das entsprechende Bundesverfassungsgerichtsurteil bereits am 19. Februar dieses Jahres verkündet wurde.

    "Eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Regelung dieser Adoptionsfälle ergibt sich nicht aus der Gleichgeschlechtlichkeit der Lebenspartner. Denn sie können, wie sich in der mündlichen Verhandlung und in den schriftlichen Stellungnahmen gezeigt hat, ebenso wie Partner einer Ehe in dauerhafter, rechtlicher Bindung für das Wohl des Kindes sorgen."

    Es ging um die sogenannte Sukzessivadoption. Wenn eine Lebenspartnerin ein Kind adoptiert hat, darf die andere Lebenspartnerin das Kind jetzt ebenfalls adoptieren, sodass es nicht nur eine Mutter hat, sondern ein Mütterpaar. Das war bislang nicht möglich. Im konkreten Fall ging es um ein Mütterpaar, für Väterpaare gilt künftig dasselbe.
    Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Günter Krings:

    "Was richtig ist, dass wir aus meiner Sicht lieber früher als später das Urteil zur Sukzessivadoption umsetzen sollten. Das Urteil halte ich auch für richtig. Wenn ein Kind ohnehin in einer Partnerschaft lebt und nur zu einem dieser Elternteile, Bezugsperson, eine rechtliche Verbindung als adoptiertes Kind hat, dann ist es sicherlich im Interesse des Kindeswohls, dass es auch zu dem zweiten Partner eine rechtlich verfestigte Bindung hat. Insofern war das aus meiner Sicht richtig entschieden. Aber das ist etwas ganz anderes, ob ein Kind von außen in eine Partnerschaft hineingegeben wird. Ob der Staat dann die Entscheidung treffen muss, gebe ich das Kind in eine Partnerschaft von Mann und Frau oder gebe ich es in eine Partnerschaft von Mann und Mann, Frau und Frau."

    Also wird es wahrscheinlich noch eine weitere Bundesverfassungsgerichtsentscheidung geben müssen, um Lebenspartnerinnen oder -partnern auch die gemeinschaftliche Adoption zu erlauben.

    "Also, dass ein fremdes Kind von zwei Lebenspartnerinnen oder zwei Lebenspartnern gemeinschaftlich adoptiert werden kann."

    Der Berliner Rechtsanwalt Dirk Siegfried, der die Verfassungsbeschwerde zum Thema Ehegattensplitting eingereicht hatte und auch an anderen Verfahren zum Thema Gleichstellung beteiligt war:

    "Da gibt es aber auch schon ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, und ich rechne damit, dass das Bundesverfassungsgericht auch dort positiv entscheiden wird, falls nicht diesmal ausnahmsweise, dann doch der Gesetzgeber dann mal sagt, wir machen es doch freiwillig."

    Zwei Berliner Lebenspartnerinnen wollten ihre inzwischen erwachsenen Pflegetöchter adoptieren, mit denen sie viele Jahre zusammengelebt hatten. Nach dem Gesetz durften sie das nicht. Das Amtsgericht Schöneberg hielt das für verfassungswidrig und legte deshalb die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor.

    "Und nun, wo die Mädchen volljährig sind, haben alle vier Frauen beantragt, eben die gemeinschaftliche Adoption, weil eben auch die beiden gerade volljährig gewordenen Mädchen sagen, es ist unzumutbar, dass wir uns jetzt für eine unserer Mütter entscheiden müssen, wo wir immer beide Mütter als Mütter erlebt haben. Und der Staat zwingt sie aber im Moment zu dieser Entscheidung und da ist eben auch das Amtsgericht Schöneberg dieser Meinung gefolgt, dass das mit der Verfassung nicht zu vereinbaren ist. Und darüber muss nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden, wenn nicht vorher der Gesetzgeber die Sache doch noch gerade biegt."

    Gefordert wird auch: ein volles Adoptionsrecht für Lebenspartnerschaften
    Ein volles Adoptionsrecht für Lebenspartnerschaften wird inzwischen von allen möglichen Seiten gefordert. Auch der kleine Koalitionspartner FDP ließ mehrfach erkennen, dass er die Gleichstellung bei diesem Thema befürwortet. Die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte, die volle Adoption müsse jetzt der nächste Schritt sein.

    Am 12. und 13. Juni tagte die Justizministerkonferenz. Hier wurde ein Beschluss gefasst, der an die Bundesregierung appelliert, die volle Adoptionsmöglichkeit für homosexuelle Paare zu ermöglichen. Die saarländische Justizministerin Anke Rehlinger, SPD, ist Vorsitzende der Justizministerkonferenz.

    "Aus den Beschlüssen der Justizministerkonferenz resultiert ja nicht unmittelbar etwas, aber es ist, glaube ich, ein ganz deutliches Signal und auch vom Abstimmungsergebnis her eine deutliche Positionierung, dass auch die Justizminister der Länder der Auffassung sind, dass man jetzt über das hinausgehend, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, weitere Regelungen braucht, die das Thema Gleichbehandlung auch von Eingetragenen Lebenspartnerschaften insbesondere im Bereich des Adoptionsrechts auf den Weg bringen müssen."

    Die Ministerin ist davon überzeugt, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf eine vollständige Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe hinauslaufen. Aber auch sie ist nicht damit einverstanden, jede dieser Einzelfallentscheidungen abzuwarten.

    "Ich muss allerdings auch politisch wertend dazu sagen, dass man sich aus politischer Sicht schon die Frage stellen muss, ob das alles Entscheidungen sind, die das Bundesverfassungsgericht treffen muss, oder ob man nicht selbst hier auch die notwendige Courage, den Mut mitbringen muss, diese Beschlüsse auch selbst politisch auf den Weg zu bringen. Denn ich glaube, dass letztendlich die Gleichstellung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften allein mittels Gerichtsurteilen zu vollziehen sicherlich keine politische Option ist, sondern dass man das politisch selbst machen muss und sich dann auch nicht hinter dem Bundesverfassungsgericht verstecken darf."

    Parallel zum Gesetzgebungsverfahren zum Thema Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften hat längst eine andere Diskussion begonnen. Es wird die Frage gestellt, ob diese Art der Steuerbegünstigung überhaupt noch zeitgemäß ist. Ramona Pisal, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Brandenburg, ist Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. Sie begrüßt zwar die Gleichstellung der Lebenspartnerinnen und -partner im Steuerrecht, hält das Ehegattensplitting aber für längst überholt.

    "Das Ehegattensplitting ist 1958 eingeführt worden, es diente explizit dem Zweck, die Ehefrau ins Haus zurückzuführen und es basierte auf der Idee, dass die Ehefrau traditionell nicht erwerbstätig war, vielmehr der Mann ein Leben lang sein Einkommen mit ihr teilte. Von diesem Leitbild haben wir uns längst verabschiedet. In der Realität, aber auch im Recht."

    Als Beispiel führt Ramona Pisal das neue Unterhaltsrecht an, das jeden Partner letztlich auf sich allein stellt. Deshalb sei es wichtig, in der Ehe, aber auch in der Lebenspartnerschaft, darauf zu achten, dass jede und jeder ein Existenz sicherndes Einkommen erzielen kann.

    "Und dazugehört, dass große Gefälle innerhalb der Partner vermieden werden. Wenn aber der Anreiz dahin geht, durch ein möglichst geringes Einkommen das hohe Einkommen letztendlich ja zu subventionieren, anders ist das ja nichts. Dann führt das dazu, dass Frauen nachher auch der Wiedereinstieg in den Beruf erschwert wird, insgesamt weibliches Arbeitseinkommen marginalisiert wird, und letztendlich trägt es auch zum sogenannten Gender Pay Gap bei. Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen werden auf dem Wege nicht abgebaut."

    Justizministerin Anke Rehlinger sieht das Ehegattensplitting ähnlich kritisch.

    "Dass es auch im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit von Frauen durchaus auch zu Fehlanreizen führt, die Frauen teilweise aufgrund dann der Steuerstruktur daran hindert, auf die Vollerwerbstätigkeit zu gehen und sie letztendlich dann doch in ihrer Rolle als die Zuverdienerin zementiert. Insofern glaube ich, dass es aus diesem Grund geboten erscheint, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Ich bin überdies aber auch der Auffassung, dass man es nicht nur isoliert steuerrechtlich an der Stelle betrachten muss, sondern eher auch im Gesamtkontext auch der Frage, wie betreiben wir Familienförderung insgesamt und generieren dort auch die positiven Effekte für die Familien und natürlich auch für die Kinder, die in diesen Familien leben."

    Und auch der Abgeordnete der Grünen Volker Beck ergänzt:

    "Wir wollten ja die Gleichstellung im Steuerrecht nicht, um Steuervorteile für gleichgeschlechtliche Paare zu erreichen. Sondern wir wollten eine Ungerechtigkeit beseitigen, dass einerseits Lebenspartnerschaften mit Kindern diese Förderung nicht bekommen und Ehen ohne Kinder diese Förderung bekommen. Das war einfach himmelschreiend. Aber dass das Förderinstrument Splitting aus einer anderen gesellschaftlichen Realität stammt, ist ja ganz offensichtlich. In den 50er Jahren war halt überwiegend das Familienmodell so, dass es einen Ernährer gab und die Frau entweder gar nicht gearbeitet hat oder nur wenig gearbeitet hat und ansonsten die Hausarbeit gemacht hat."

    Die Diskussion um überkommene Leitbilder im Steuerrecht und in der Familienpolitik wird am Donnerstag erst einmal keine große Rolle spielen. Dann geht es vorrangig um die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe.

    "Also, wir haben, um die Koalition zu treiben, jetzt ein ganzes Bündel von Gesetzgebungsvorschlägen zu diesem Bereich, zum Steuerrecht selbst, zu den anliegenden Rechtsgebieten und eben der vollständigen Beendigung der Benachteiligung. Aber eigentlich ist das Ziel von uns die Öffnung der Ehe, dann müssen wir nicht an Hunderten Gesetzen herumschrauben, sondern man hätte die Fragen ein für alle Mal geklärt."